Wenig beschritten sind die Pfade, auf denen Domonkos Héja und seine Augsburger Philharmoniker im jüngsten Sinfoniekonzert wandelten. Das gilt selbst für Richard Strauss‘ „Tod und Verklärung“, zählt dieses Orchesterstück doch im Vergleich zu „Don Quixote“. „Till Eulenspiegel“ oder „Also sprach Zarathustra“ zu den weniger oft aufgeführten Tondichtungen des Komponisten. Um wie viel mehr gilt das generell für Max Reger und schon gar für Carl Reinecke. Dass letzterer im Kongress am Park zu Aufführungsehren kam, war maßgeblich Rozália Szabó geschuldet, der Flötistin, die in dieser Spielzeit Artist in Residence des Orchesters in Augsburg ist. Und es natürlich verdient hat, mit einem repräsentativen Werk erstmals dem hiesigen Publikum vorgestellt zu werden.
Szabó, Soloflötistin der Sächsischen Staatskapelle Dresden, weiß, dass ein Instrumentalkonzert aus dem Geist der Spätromantik eine Interpretin fordert, die sich als Erste unter Gleichen versteht. Die sich nicht auftrumpfend über das Orchester stellt, sondern mit ihm auf Augenhöhe interagiert – und sich dabei doch als Solistin zu behaupten vermag und nicht in den Fluten des Orchesterklangs verschwimmt. Das gelingt Rozália Szabó vor allem durch überlegene Spielkultur, bei der jede Phrase klangrhetorisch durchgestaltet ist, sodass auch noch die kürzeste Tonverbindung nicht als bloßes Füllsel erscheint. Ihren fülligen, immer kompakt eingefassten warmen Silberton spielt Szabó vor allem im langsamen Satz aus, um im Finale dann souveräne Virtuosität vorzuführen. Hilfreich in allen Sätzen, dass Domonkos Héja auch im dichtesten Tutti den Philharmoniker-Pegel nie überborden lässt. Natürlich fordert am Montag der Applaus eine Zugabe von der sympathischen Solistin, die dafür ein Stück von Telemann parat hat, den ersten Satz aus der Fantasia 8.
Domonkos Héja veranstaltet kein Musikseminar
Vorausgegangen waren Max Regers Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart - eines der bekanntesten Mozart-Gebilde, das sich im Sechsachtel-Takt wiegende Thema der Klaviersonate in A-Dur KV 331. Nach allen Regeln der Kunst dreht, wendet und wandelt Reger diesen Ohrwurm, und die Herausforderung für Dirigenten ist dabei, das Mozartsche Ausgangsmaterial immer im Bereich des latent Vernehmbaren zu belassen, was keine geringe Herausforderung ist bei einem Komponisten wie Reger, der die Klangmassen liebt und doch von musikalischer Vielgestalt nicht lassen will. Mozart in Regers Gewand aber ist bei Domonkos Héja in besten Händen, gerade auch deshalb, weil der Dirigent stets die rechte Balance findet und eben nicht ein Fingerzeig-Musikseminar veranstaltet nach dem Motto: Da schaut her, da ist der Mozart!
Die achte und letzte Variation entwickelt sich unter Héjas Händen gar zu einem Stück, das hinausweist über kunstfertiges Veränderungs-Handwerk. Das „Molto sostenuto“ entfaltet sinnende Qualitäten, getragen von dynamisch fein abgestuften, in Klangrede musizierenden Streichern, vom Dirigenten in kontinuierliche Spannung gesetzt bis zum apotheotischen Schluss. Auf den dann die Fuge folgt, in bewusst herb-kontrastierender Kürzest-Artikulation, lange in faszinierendem Piano und daraus resultierender Transparenz gehalten, bis Héja, Reger folgend, die Schleusen fürs Orchester-Plenum öffnet. Das in den letzten Takten dann noch einmal auftretende reingestaltige Mozart-Thema beschließt das Werk denn auch geradezu tumultartig.
Fieberwahnatmosphäre bei Strauss
Eine Klang-Dramaturgie, bei Philharmoniker-Konzert im Kongress-Saal oft gehört, oft beschrieben, die sich nach der Pause bei „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss wiederholt. Glänzend gestaltet der erste Abschnitt der Tondichtung, die Zustandsschilderung des Moribunden – unruhig der Streicher-Puls, lastend die liegenden Bläser-Akkorde, die Seufzergesten, die ganze Fieberwahnatmosphäre. Dann, einem Schmerzensstich gleich, bricht das Orchester aus, wühlt sich ein dunkles Thema empor, und in der Folge, wenn Héja stärkstes Fortissimo entfesselt, einmal mehr der Eindruck, dass das klingende Ergebnis undeutlich wird, Instrumentallinien verfließen, brachialer Donnerschall dominiert. Domonkos Héja wird in diesen Momenten zum Samson, der mit dem fast 80 Mann/Frau starken Orchester die akustischen Begrenzungen der Kongress-Bühnenschuhschachtel sprengt – letztlich zum Nachteil der Musik. Bedauerlich, denn Héja versteht sich eigentlich bestens auf das Disponieren weiter Steigerungsräume, wie ja auch der letzte Abschnitt des Werks, die „Verklärung“, zeigt mit seinem mehrmaligen Ansetzen, Mal für Mal gesteigert um ein gekonnt berechnetes Quantum an Intensität.
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Stefan Dosch
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Max Reger
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Sinfoniekonzert
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