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Die Koalition streitet über die Rente. Gibt es das perfekte System? In anderen europäischen Ländern fallen die Renten höher aus. Eine Analyse.
Die Bundesregierung streitet heftig über die Rente. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steht hinter dem Gesetzentwurf „zur Stabilisierung des Rentenniveaus“. Der sieht vor, das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 zu halten. Dafür bräuchte es zusätzliche Bundeszuschüsse und eine Anpassung des Beitragssatzes: Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent, würde aber bis 2031 auf 20,3 Prozent steigen. Kritik gibt es aus allen Altersgruppen. Manche fordern, dass Deutschland sich an anderen europäischen Rentensystemen orientieren sollte. Aber was machen unsere Nachbarn anders? Und was könnte Deutschland realistisch übernehmen?
Was machen Deutschlands Nachbarländer anders bei der Rente? © IMAGO/Wolfilser
Johannes Geyer beschäftigt sich am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung unter anderem mit dem Thema Rente und Vorsorge. Auf die Frage, ob die Bundesregierung einzelne Teile der Rentensysteme wie Bausteine verwenden könnte, sagt der Experte der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media: „Der Teufel liegt im Detail. Wenn man sich die meisten Rentensysteme anschaut, merkt man recht schnell, dass diese auch an andere Faktoren gebunden sind. Dennoch lohnt es sich anzuschauen, was vielleicht auf Deutschland übertragbar ist.“
Dänemark als positives Rentenbeispiel – aber das Eintrittsalter steigt
In Dänemark liegt die durchschnittliche Rente bei drei Viertel des letzten Nettoeinkommens: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) taxiert sie auf rund 77 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt sie bei 55 Prozent. Das dänische System ruht auf drei Säulen. Der Grundrente „Folkepension“, die nicht an die Arbeit, sondern an den Wohnort gebunden ist. Wer ab dem 15. Lebensjahr 40 Jahre lang in Dänemark gelebt hat, dem steht diese Grundrente von knapp 2000 Euro zu. Abschläge gibt es, wenn es weniger Jahre waren. Dazu kommt die Kapitalpension, in die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtend einzahlen.
Welcher Jahrgang kann wann in Rente gehen?
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Schon 2006 hat Dänemark entschieden, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anzupassen. Aktuell liegt das Eintrittsalter bei 67 Jahren, es soll aber schrittweise auf 70 angehoben werden. Ein Vorschlag, den in Deutschland etwa Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ins Spiel gebracht hat, der aber so umstritten ist wie das Rentenpaket an sich.
Ähnlich wie Dänemark handhaben es die Niederlande. Das Existenzminimum sichert die staatliche Grundrente. Bedingung: Man muss vom 15. bis zum 65. Lebensjahr in den Niederlanden gelebt haben. Alleinstehende erhalten so 70 Prozent des Mindestlohns, rund 1200 Euro. Weniger bekommt man, wenn man verheiratet ist. Die zweite Säule in den Niederlanden ist die betriebliche Altersvorsorge. Aus Sicht von Johannes Geyer liegt darin ein Erfolgsrezept: „In den Niederlanden zahlt fast jeder Berufstätige in die betriebliche Rentenkasse. Die Grundrente dort reicht für das Nötigste, aber das System funktioniert so gut aufgrund der betrieblichen Versicherung.“
In Deutschland zahlen nur rund 50 Prozent in die Betriebsrente rein: „Je kleiner ein Betrieb ist, etwa im Handel oder ein kleiner Friseursalon, desto schlechter ist da die Abdeckung. Es ist nicht so richtig attraktiv, individuelle Betriebsrenten abzuschließen und dazu noch schwierig, das zu organisieren.“
Rente in Österreich: Beitragsleistungen gibt es nicht zurück
In Österreich – Rentnerinnen und Rentner erhalten dort etwa 87 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens – zahlen auch Beamte in die Rentenkasse. „Auf Dauer würde man sicherlich davon profitieren, Beamte in das deutsche Rentensystem einzugliedern“, sagt Geyer. „Aber die Länder würde es erst einmal mehr Geld kosten, wenn sie etwa für ihre Lehrerinnen und Lehrer in den Vorsorgeleistungen in Vorkasse gehen müssten“, erklärt er.
„Allerdings gibt es ja noch eine Gruppe, die aktuell außen vor ist: die Selbstständigen. Über die ersten Jahrzehnte, vermutlich mehr als 40 Jahre, hätte man so Anfangsgewinne, weil es vorerst nicht zu Auszahlungen kommt und es nur zusätzlich Einzahlungen gibt. Der Effekt hält nicht ewig, aber in der Zeit kann sich wieder viel verändern.“
Der Bund der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erklärt die höhere Durchschnittsrente in Österreich zudem mit einem höheren Beitragssatz von 22,8 Prozent. Auch der finanzielle Aufwand aus dem Bundeshaushalt ist höher. Der DRV geht davon aus, dass Österreich im Jahr 2024 rund 159 Euro mehr pro Rente zugesteuert hat. Rentenanspruch hat man in Österreich allerdings erst nach 15 Jahren Beitragszahlungen. In Deutschland bereits nach fünf. Wer in Österreich diese Mindestzeit nicht erfüllt, bekommt die bereits gezahlten Beiträge nicht zurückerstattet – stattdessen bleiben sie der Versichertengemeinschaft erhalten. (Quellen: Eigene Recherche, Gespräch mit Johannes Geyer, OECD, Deutsche Rentenversicherung) (ligi)