RFE RL Logo2 fbDie Zukunft des traditionsreichen Senders Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) steht erneut auf der Kippe. Während die USA ihre Finanzierung drastisch zurückfahren und personelle Einschnitte bereits Realität sind, haben mehrere große europäische Auslandsmedien – Deutsche Welle (DW), France Médias Monde (FMM) und TVP World – der EU-Kommission ihre Bereitschaft signalisiert, das entstehende Informationsvakuum zu füllen. Der Schritt könnte die europäische Medienlandschaft nachhaltig verändern – und wirft Fragen nach staatlicher Einflussnahme, Medienresilienz und geopolitischer Verantwortung auf.

Europäische Medienhäuser stellen sich als Ersatz bereit

In einem Schreiben an Ursula von der Leyen und EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklären die drei öffentlich finanzierten Medien ihre „Bereitschaft im Kampf gegen Desinformation“. Europa sei in einer „starken Position“, die Lücke zu schließen, die durch die Schwächung der US-finanzierten internationalen Sender entstanden sei, zitiert die polnische Presseagentur PAP.

Der Hintergrund: Die USA, unter Präsident Donald J. Trump, hatten im Frühjahr 2025 die Finanzierung für RFE/RL massiv gekappt (RADIOSZENE berichtete). Ein Kurswechsel gilt nach Einschätzung der beteiligten europäischen Medienhäuser als unwahrscheinlich.

Europäischer Demokratieschild: Brüssel plant milliardenschwere Medienstütze

Die Initiative fällt in eine Phase medialer Neuordnung innerhalb der EU. Am 12. November 2025 stellte die Kommission den „Europäischen Demokratieschild“ vor – ein umfassendes Programm gegen Desinformation, Autokratisierung und mediale Einflussnahme.
Kernpunkte:

  • Stärkung unabhängiger Medien
  • Mehr Unterstützung für lokalen und investigativen Journalismus
  • Transparente Finanzierung von NGOs
  • Förderung der zivilgesellschaftlichen Infrastruktur

Mit dem geplanten Programm AgoraEU sollen allein 9 Milliarden Euro in die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen fließen. Die Finanzierungslücke bis zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) soll durch Übergangsprogramme geschlossen werden.

RÜCKBLICK: US-Streit eskaliert: Gericht zwingt US-Behörde zur Auszahlung

Der Konflikt um RFE/RL spitzte sich im Sommer juristisch zu. Der Bundesrichter Royce C. Lamberth, erteilte der US-Behörde für globale Medien (USAGM) eine scharfe Rüge. Er stellte fest, dass die Behörde ihre gesetzliche Pflicht zur Finanzierung verletze und „unzulässige neue Förderbedingungen“ aufzwingen wolle. Das Gericht ordnete die Auszahlung der bewilligten Mittel für das Haushaltsjahr 2025 an. Der Streit hatte bereits drastische Folgen:

  • hundertfache Beurlaubungen,
  • abgesetzte Programme,
  • und ein massiver Reputationsschaden für einen Sender, der jahrzehntelang eine Schlüsselrolle im internationalen Informationskampf innehatte.

Medien in Mitteleuropa berichten, dass weitere 20 Prozent der Mitarbeitenden RFE/RL bis Jahresende verlassen sollen.

Politischer Druck aus Washington – Ungarn im Fokus

Die Entscheidung der USA war nicht rein finanzieller Natur. Die Regierung Trump warf RFE/RL vor, „radikale Propaganda“ zu verbreiten und insbesondere den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, einen der engsten europäischen Verbündeten Trumps, kritisch zu beleuchten.

Kurz vor Orbáns Besuch im Weißen Haus kündigte USAGM-Chefin Kari Lake an, die Finanzierung der ungarischen RFE/RL-Redaktion einzustellen. Ihre Begründung: „Amerikanische Steuergelder sollten nicht für globalistische Programme verwendet werden, die einen NATO-Partner diskreditieren.“ Ein politischer Eingriff von bemerkenswerter Deutlichkeit.

Deutsche Welle selbst unter massivem Spardruck

Ironischerweise sucht die DW, die sich nun als möglicher Ersatz für RFE/RL positioniert, selbst händeringend nach zusätzlicher Finanzierung. Der Bundeshaushalt sieht für 2026 eine Kürzung um über 10 Millionen Euro vor – trotz steigender tariflicher Personalkosten. DW-Führungskräfte warnen, die Kürzungen träfen den Sender „im Kern“. Bereits 2024 hatte die DW 20 Millionen Euro einsparen müssen, besonders in den Bereichen Kultur und Sport.

Mit wöchentlich 337 Millionen Nutzerinnen und Nutzern weltweit gilt die DW als eines der wichtigsten Medieninstrumente Deutschlands im Ausland – jedoch ohne Beitragseinnahmen, vollständig abhängig vom Bundesetat.

France Médias Monde und TVP World: Europas weitere Säulen im Auslandsrundfunk

Auch die anderen potenziellen Ersatzsender arbeiten auf Basis staatlicher oder staatlich vermittelter Finanzierung:

  • France Médias Monde (FMM) erhält 95 Prozent seines Budgets über einen festen Anteil der Mehrwertsteuer. Für 2025 sind es rund 273 Millionen Euro.
  • TVP World, Polens englischsprachiger Auslandsdienst, baut stark auf Regierungszuschüsse, positioniert sich jedoch als alternative Stimme im osteuropäischen Medienraum.

Beide könnten im Verbund mit der DW einen europäischen Nachrichtenverbund bilden, der die Rolle von RFE/RL teilweise auffängt.

Ein Sender zwischen den Fronten

RFE/RL bleibt eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen in autoritär regierten Staaten wie Russland, Belarus, Iran oder Zentralasien. Wöchentlich erreicht der Sender rund 47 Millionen Menschen in 23 Ländern. Mit dem schwindenden US-Rückhalt könnte Europa nun gezwungen sein, eine Führungsrolle im globalen Informationskrieg einzunehmen – finanziell, politisch und strategisch.

Die Frage ist jedoch: Kann ein Netzwerk europäischer, staatsfinanzierter Medien die Unabhängigkeit aufrechterhalten, für die RFE/RL seit Jahrzehnten steht? Die geopolitische Lage, die Abkehr der USA und der wachsende internationale Kampf um Informationshoheit machen eines klar: Europa wird sich entscheiden müssen, ob es das entstehende Vakuum selbst füllt – oder ob unabhängige Stimmen in einigen der sensibelsten Regionen der Welt verstummen. Die kommenden Monate könnten entscheidend sein, ob RFE/RL weiterexistiert – und ob Europa bereit ist, sich im globalen Kampf gegen Desinformation neu zu definieren.

Weiterführende Informationen

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