20. November 2025

Matthias Lindner

Ein Denkmal, das der Unabhängigkeit der Ukraine vor dem Hintergrund der größten Flagge der Ukraine gewidmet ist

(Bild: Blik Sergey / Shutterstock.com)

Europa fordert gerechten Frieden statt Kapitulation. Während die Diplomatie stockt, verschärfen russische Angriffe die Lage der Ukraine.

Die europäischen Außenminister haben am Donnerstag in Brüssel deutlich gemacht, dass sie einen Friedensplan für die Ukraine nur mittragen werden, wenn Kiew und Europa einbezogen sind.

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Der französische Außenminister Jean-Noel Barrot erklärte laut Reuters:

„Die Ukrainer wollen Frieden – einen gerechten Frieden, der die Souveränität aller respektiert, einen dauerhaften Frieden, der nicht durch künftige Aggressionen infrage gestellt werden kann. Aber Frieden kann keine Kapitulation sein.“

Das Nein der europäischen Minister richtet sich gegen Berichte über einen US-Rahmenplan, der von der Ukraine territoriale Zugeständnisse und militärische Beschränkungen verlangt.

Europäische Skepsis gegenüber US-Vorschlägen

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betonte, jeder Plan müsse einen „dauerhaften und gerechten Frieden“ anstreben. Man begrüße alle Bemühungen, dies zu erreichen, wird sie von Reuters zitiert. Und das gehe nur, wenn Ukrainer und Europäer mit an Bord seien.

Mehrere Minister erklärten, sie hätten noch keine Details des US-Vorschlags gesehen und benötigten zunächst Klarheit.

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Der polnische Außenminister Radosław Sikorski forderte, dass nicht das Opfer in seiner Fähigkeit, sich zu verteidigen, eingeschränkt wird, sondern Russland. Europa erwarte Konsultationen, da die europäische Sicherheit auf dem Spiel stehe.

Wie unter anderem die Financial Times (FT) berichtet hat, sieht der bislang nicht veröffentlichte US-Entwurf die Abtretung der restlichen Donbas-Gebiete, eine Halbierung der ukrainischen Streitkräfte und den Verzicht auf westliche Langstreckenwaffen vor.

Auch ausländische Truppen auf ukrainischem Boden wären demnach ausgeschlossen. Zudem solle Russisch als Staatssprache anerkannt werden. Beobachter bewerten den Plan als stark russlandfreundlich.

Washington und Moskau senden unterschiedliche Signale

Washington hat Präsident Wolodymyr Selenskyj laut den Berichten signalisiert, einen Rahmen mit territorialen Zugeständnissen zu akzeptieren.

Das Weiße Haus äußerte sich nicht zu den Berichten. US-Außenminister Marco Rubio erklärte laut Reuters lediglich, beide Seiten müssten „schwierigen, aber notwendigen Zugeständnissen“ zustimmen.

Eine US-Armee-Delegation unter Leitung von Armeeminister Dan Driscoll traf am Donnerstag in Kiew ein. Der ukrainische Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyi erklärte demnach, ein „gerechter Frieden“ erfordere Luftverteidigung, tiefreichende Schlagfähigkeit gegen Russland und die Stabilisierung der Front.

Moskau spielte die diplomatischen Initiativen herunter. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, es gebe derzeit „keine Konsultationen“.

Die russische Regierung fordert, die „Grundursachen des Konflikts“ müssten angegangen werden, und sie will weiterkämpfen, bis die Ukraine Gebiete abtritt, Neutralität akzeptiert und ihre Streitkräfte reduziert. Russland kontrolliert derzeit fast ein Fünftel der Ukraine.

Schwere Angriffe und Frontverlauf

Die Lage in der Ukraine bleibt angespannt. In Ternopil im Westen des Landes kamen laut Reuters bei einem Angriff auf ein Wohnhaus mindestens 26 Menschen ums Leben, 22 werden vermisst. Es ist demnach einer der schwersten Angriffe auf Zivilisten seit Monaten. Landesweit bombardiert Russland jede Nacht Städte und Infrastruktur.

An der Front stehen russische Truppen kurz davor, den strategisch wichtigen Knotenpunkt Pokrowsk einzunehmen. Der Krieg bleibt ein Abnutzungskonflikt entlang einer rund 1.000 Kilometer langen Frontlinie.

Ein ukrainischer Gegenangriff war 2023 ins Stocken geraten, seither erzielt Russland langsame Fortschritte. Am Donnerstag erhielt die Ukraine im jüngsten Austausch 1.000 Leichen gefallener Soldaten, Russland 30.

Energiekrise verschärft sich im Winter

Nach einem groß angelegten russischen Angriff waren am Donnerstag mehr als 400.000 Verbraucher ohne Strom. Landesweit galten Beschränkungen, die Ausfälle dauerten teils bis zu 16 Stunden.

Die Stromproduktion in ukrainischen Kernkraftwerken sank, weil Leitungen und Transformatoren beschädigt wurden. Die Internationale Atomenergie-Organisation bestätigte laut Reuters den Rückgang.

Am stärksten betroffen sind die Regionen Tschernihiw, Sumy, Charkiw, Dnipropetrowsk und der Schwarzmeerhafen Odessa. Parallel erschüttert ein Korruptionsskandal das Land. Das Parlament entließ am Mittwoch den Energie- und den Justizminister.

Wenn sich nichts ändert, dann steht die Ukraine vor einem harten Winter. Während die Diplomatie zwischen Washington, Moskau und Brüssel stockt, kämpft das Land an der Front und gegen den Zusammenbruch seiner Infrastruktur.