Auffällige Bezeichnungen, wie der Adolf-Hitler-Platz für den Königsplatz, verschwanden schnell nach dem Einmarsch der Alliierten in Augsburg am 28. April 1945. Was blieb, waren 169 weitere Straßennamen aus der zwölfjährigen nationalsozialistischen Zeit. Etliche verfolgten eindeutig propagandistische Ziele. Nach dem Krieg kamen weitere Straßenbenennungen hinzu, die nach dem heutigen Kenntnisstand als problematisch gelten. Man spricht seit den 1990er-Jahren von historisch belasteten, kritischen oder umstrittenen Straßennamen. Dieses Thema ist in den vergangenen Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auch in Augsburg wurden inzwischen Straßen umbenannt oder mit Hinweisen versehen.

Bereits im Jahr 2017 entschied man sich in Augsburg für einen Weg zur Aufarbeitung der umstrittenen Straßennamen, nämlich den Einsatz einer Expertenkommission. Die ersten Empfehlungen der 18-köpfigen ehrenamtlichen „Kommission für Erinnerungskultur“ wurden vor fünf Jahren vom Stadtrat übernommen. Deshalb erfolgten zwei Straßenumbenennungen und fünf sogenannte Kontextualisierungen – also Erläuterungen auf Zusatztafeln an den Straßenschildern. Neue Bezeichnungen erhielten zwei Straßen im Augsburger Nordwesten: die Dr.-Mack-Straße und die Langemarckstraße. Aus der Dr.-Mack-Straße beim Bezirkskrankenhaus (BKH) machte man die Geschwister-Schönert-Straße.

Umstrittener Straßenname: Die Dr.-Mack-Straße in Augsburg wurde umbenannt

Der Augsburger Mediziner Dr. Max Ludwig Mack war während des Nationalsozialismus an der Zwangssterilisation von als erbkrank diffamierten Personen beteiligt. Der neue Name erinnert an ein Augsburger Geschwisterpaar, welches durch die nationalsozialistische „Euthanasie“ (Krankenmorde) in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren sterben musste. Aus der Langemarckstraße im Stadtteil Kriegshaber wurde die Familie-Einstein-Straße. „Dieser neue Straßenname nach einer jüdischen Familie aus Kriegshaber soll einen Kontrapunkt zur bisherigen Bezeichnung setzen“, wird der Stadtratsbeschluss begründet. Die Nationalsozialisten hatten den Mythos der Schlacht von Langemarck im Ersten Weltkrieg intensiv für ihre Propaganda genutzt.

Aus der Dr.-Mack-Straße wurde die Geschwister-Schönert-Straße. Dies war 2021 eine von zwei Umbenennungen historisch belasteter Straßenbezeichnungen.

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Aus der Dr.-Mack-Straße wurde die Geschwister-Schönert-Straße. Dies war 2021 eine von zwei Umbenennungen historisch belasteter Straßenbezeichnungen.
Foto: Wilfried Matzke

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Aus der Dr.-Mack-Straße wurde die Geschwister-Schönert-Straße. Dies war 2021 eine von zwei Umbenennungen historisch belasteter Straßenbezeichnungen.
Foto: Wilfried Matzke

Erläuterungen auf Zusatztafeln erhielten die Straßennamen nach dem Haunstetter Bürgermeister Xaver Widmeier, dem Schriftsteller Hans Watzlik, dem Bildhauer Fritz Koelle, dem Kunsthändler Karl Haberstock und dem Flugzeugkonstrukteur Willy Messerschmitt. Das Beispiel von Messerschmitt zeigt, wie die Straßenbenennungen dem Zeitgeist unterworfen sind. Ursprünglich erhielt die Zufahrt zum Messerschmitt-Flugzeugwerk Nr. 3 vom nationalsozialistischen Haunstetter Gemeinderat die Bezeichnung „Messerschmittstraße“ zur Würdigung des Firmengründers Willy Messerschmitt. Nach dem „Dritten Reich“ erfolgte durch den neuen Gemeinderat die Umbenennung der Messerschmittstraße in Eichenstraße. Die Stadt Augsburg rehabilitierte nach der Haunstetter Eingemeindung 1972 den Flugzeugkonstrukteur mit der Professor-Messerschmitt-Straße im Univiertel.

Vor fünf Jahren erfolgte dann die Kontextualisierung dieses Straßennamens. Gründe waren die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in den Messerschmitt-Fabriken sowie die führende Rolle von Willy Messerschmitt in der nationalsozialistischen Rüstungsindustrie. Die Stadtwerke haben im Vorjahr ihre Haunstetter Straßenbahn-Haltestelle „Messerschmitt“ in „Hötzelstraße“ umbenannt. Ausschlaggebend war jedoch, dass die alte Haltestellenbezeichnung nicht mehr als Orientierungshilfe dienen konnte, weil die Messerschmitt AG dort nicht mehr existiert.

Weitere Straßennamen in Augsburg sollen noch überprüft werden

Die „Kommission für Erinnerungskultur“ hatte sich anfangs nur mit den Straßennamen beschäftigt, zu denen Kritik von Stadtratsfraktionen, Organisationen oder Einzelpersonen aktenkundig geworden war. Hinten angestellt wurden andere potenziell strittige Bezeichnungen, auch aus früheren Epochen. Die Kommissionsarbeit kam heuer wegen der Beteiligung der städtischen „Fachstelle für Erinnerungskultur“ am umfangreichen Friedensfest-Jubiläumsprogramm nur langsam voran. „Der Auftrag der Kommission bleibt jedoch die systematische Überprüfung aller Straßennamen mit nationalsozialistischem Bezug“, erklärt Felix Bellaire, Historiker und Leiter der städtischen Fachstelle.

Die wohl jüngste kritische Straßenbenennung geschah im Jahr 2007 mit dem Werner-Egk-Weg. Der dort in Oberhausen aufgewachsene Komponist Werner Egk ist mittlerweile wegen seiner Rolle im Nationalsozialismus umstritten. Während die benachbarte Werner-Egk-Schule im Vorjahr in „Grundschule Oberhausen-Mitte“ umbenannt worden ist, existiert der Werner-Egk-Weg bislang weiter. Dieser Wegname erscheint auch in einer Aufstellung von 38 problematischen Bezeichnungen unter den derzeit 1971 Augsburger Straßennamen. Eingesehen werden kann diese Liste der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)“ auf der VVN-Homepage unter „Spuren der Nazi-Vergangenheit in der Friedensstadt Augsburg“.

Ein Weg wurde im Jahr 2007 dem in Oberhausen aufgewachsenen Komponisten Werner Egk gewidmet. Mittlerweile gilt dieser Straßenname als problematisch.

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Ein Weg wurde im Jahr 2007 dem in Oberhausen aufgewachsenen Komponisten Werner Egk gewidmet. Mittlerweile gilt dieser Straßenname als problematisch.
Foto: Wilfried Matzke

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Ein Weg wurde im Jahr 2007 dem in Oberhausen aufgewachsenen Komponisten Werner Egk gewidmet. Mittlerweile gilt dieser Straßenname als problematisch.
Foto: Wilfried Matzke

Hier findet man unter anderem von den Nationalsozialisten benannte Straßen nach Schlachtorten der Befreiungskriege und des Ersten Weltkriegs sowie nach Personen aus diesen Epochen, die im „Dritten Reich“ verehrt wurden. Mittlerweile werden auch Straßennamensgeber hinterfragt, die vor fünf Jahrhunderten wirkten. So erinnert die Schertlinstraße im Stadtteil Hochfeld an den Stadthauptmann Sebastian Schertlin (1496-1577). Seine Rolle als äußerst grausamer Söldnerführer hatte man bei der Straßenbenennung im Jahr 1901 ausgeblendet. Eines, was etliche andere Städte beschäftigt, ist Augsburg erspart geblieben, nämlich Straßennamen, welche auf den deutschen Kolonialismus verweisen.

  • Wilfried Matzke

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