Reiche Touristen reisen in Kriegsgebiete. Sie bezahlen Zehntausende Euro, um als Scharfschützen Zivilisten erschießen zu dürfen. Genau das soll im belagerten Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) in den 1990er-Jahren passiert sein. Und der heutige Präsident der Balkanrepublik soll an diesen „Menschen­-Safaris“ teilgenommen haben.

Der kroatische Investigativjournalist Domagoj Margetic (51) erstattete bei der Mailänder Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Serbiens Staatsoberhaupt Aleksandar Vucic (55, seit 2017 im Amt). Darüber berichten italienische Medien am Donnerstag übereinstimmend. Der Journalist wirft dem Präsidenten eine Beteiligung an den sogenannten „Sarajevo-Safaris“ vor.

Präsident Vucic als Freiwilliger im Bosnien-Krieg

Als junger „Freiwilliger im Bosnien-Krieg“ soll Vucic mit „angeblichen Expeditionen von Ausländern, die gegen hohe Geldsummen angeblich Zivilisten in der belagerten Stadt zum ,Vergnügen‘ erschossen haben, in Verbindung stehen“, berichtet das italienische Onlineportal Today.

Die Belagerung von Sarajevo (hier ein Foto aus dem Jahr 1993) dauerte von 1992 bis 1996 und kostete unzähligen Zivilisten das lLeben

Die Belagerung von Sarajevo (hier ein Foto aus dem Jahr 1992) dauerte von 1992 bis 1996 und kostete unzählige Zivilisten das Leben

Foto: AFP via Getty Images

Vornehmlich Hobby-Scharfschützen aus Italien, aber auch aus anderen westeuropäischen Ländern und den USA, sollen zwischen 80.000 und 100.000 Euro für eine „Sarajevo-Safari“ ins belagerte Sarajevo bezahlt haben. Dort feuerten sie angeblich als Scharfschützen auf Zivilisten.

Mehr zum Thema

Im Dokumentarfilm des slowenischen Regisseurs Miran Zupanic aus dem Jahr 2022 sagen ehemalige Soldaten und Geheimdienstler aus, wie die Menschenjäger zu bosnisch-serbischen Stellungen auf den Hügeln Sarajevos eskortiert wurden, um Frauen, Kinder und Alte zu erschießen.

Mehr als 10 000 Tote bei Belagerung Sarajevos

Nach einer Anzeige des italienischen Schriftstellers und Journalisten Ezio Gavazzeni hatte die Mailänder Staatsanwaltschaft vor einer Woche die Ermittlungen aufgenommen. Jetzt legte Investigativjournalist Margetic angebliche Beweise vor, die belegen sollen, dass Präsident Vucic „an einem der militärischen Stützpunkte in Sarajevo anwesend war“, heißt es bei Today weiter.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (li, 62, CDU) traf im Rahmen seiner Balkanreise erst am Montag in Sarajevo mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zusammen

Bundesaußenminister Johann Wadephul (l., 62, CDU) traf im Rahmen seiner Balkanreise erst am Montag in Belgrad mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic zusammen

Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Belagerung Sarajevos

Bosnisch-serbische Truppen und Teile der Jugoslawischen Volksarmee zogen im Frühjahr 1992 einen Belagerungsring um Sarajevo. Was folgte, war eine grausame, jahrelang anhaltende Tortur für die Bevölkerung – bis 1996. Die Bewohner der Stadt hatten keinen Strom, keine Heizung und nicht genug zu essen. Jeder Gang auf die Straße war lebensgefährlich. In Hügeln und Hochhäusern rund um die Stadt hatten sich Scharfschützen positioniert, die auf die Bewohner der Stadt schossen. Zwei Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben. Fast 100.000 Menschen starben in dem Krieg oder gelten bis heute als verschollen. Allein die Belagerung der Stadt soll mehr als 10.000 Menschenleben gekostet haben.