Berlin – Am vergangenen Sonnabend wählte der SPD-Parteitag (250 Delegierte) den früheren Staatssekretär Steffen Krach einstimmig zum Spitzenkandidaten für die Berliner Wahl 2026.
Der gekürte Sieger schritt in Begleitung der Altbürgermeister Momper, Wowereit und Giffey durch den Saal im „nhow-Hotel“ (Stralauer Allee) zur Bühne. Dabei wurde das Kampflied der italienischen Partisanen von 1943 eingespielt, Titel: „Tschüß, meine Schöne!“ („Bella, ciao“).
„Bella, ciao“ war kein Versehen – sondern Absicht
Wir fragten Steffen Krach, warum seine Wahl ausgerechnet mit diesem Lied gefeiert wurde. War es ein Versehen? Nein, es war Absicht. „Die SPD kämpft seit jeher gegen den Faschismus und für eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft“, ließ uns Krach durch seinen Sprecher ausrichten.
Der Faschismus allerdings wurde glücklicherweise schon 1945 besiegt. Wogegen kämpft die SPD also dann jetzt, Herr Krach? Gegen die AfD, ist die Antwort. Diese Partei sei „die größte Gefahr für unsere Demokratie“, sagt er.
Schön. Aber ist das Lied nicht doch etwas unpassend? Im Text kommt ein Widerstandskämpfer zu Wort: „Partisanen, kommt, nehmt mich mit euch, denn ich fühl‘ der Tod ist nah.“ (O partigiano, portami via, ché mi sento di morir). Und weiter: „Wenn ich sterbe, ihr Partisanen…“ Dann möchte der Widerstandskämpfer im „Schatten einer kleinen Blume“ begraben sein (sotto l’ombra di un bel fior).
Der Text stammt aus einer Zeit, in der es um Leben und Tod ging. Hunderttausende Italiener kämpften bewaffnet gegen die Diktatur Mussolinis, der von den deutschen Nationalsozialisten unterstützt wurde.
Das ist nicht die Lage, in der sich die Berliner SPD 2025 befindet. Steffen Krach denkt sicherlich auch nicht, dass „der Tod nah“ ist und er unter einer kleinen Blume begraben werden möchte. Er will die Wahl in Berlin gewinnen, mehr nicht.
Peinlich, dass die SPD das Partisanenlied spielt
Es ist sehr peinlich, dass die Sozialdemokraten das Partisanenlied einspielen. Sie sind in Berlin seit 36 (!) Jahren an der Macht. Seit 1998 sitzen sie in der Bundesregierung (mit einer Unterbrechung 2009-2013) und stellten zwei Bundeskanzler.
Und diese Partei also, die ununterbrochen regiert, wähnt sich im Widerstand? Das ist lächerlich und nicht ganz normal. Steffen Krach sagte auf dem Parteitag, die SPD würde jetzt als „Underdog“ starten, das sporne ihn an.
Offenbar haben sich die Sozialdemokraten in einen Wahn hineingesteigert: Sie kämpfen gegen einen Faschismus, den es in Deutschland nicht gibt und auch nicht geben wird. Sie regieren und sehen sich gleichzeitig im Widerstand.
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Ist das alles, oder haben sie noch eigene Ideen, ein Programm? In der aktuellen Sonntagsfrage von Infratest Dimap für den RBB erreicht die Berliner SPD nur noch 13 Prozent und landet auf dem fünften Platz hinter CDU, Linken, Grünen und AfD. Schade!
Wie könnten die Sozialdemokraten wieder nach vorn kommen? Vielleicht mit anderen Liedern. Mein Vorschlag: „Drum links, zwei, drei! Drum links, zwei, drei! Wo dein Platz, Genosse, ist!“ (Brecht/Eisler 1934). Oder: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!“ (SED 1950). Eins davon wird sicherlich helfen.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de