Seit der „Haftbefehl“-Doku wird viel über Kokainkonsum gesprochen. Im Stuttgarter Abwasser schwimmen tatsächlich viele Rückstände der Droge.
Wie viel wird in Stuttgart gekokst? Was ist mit anderen Drogen? Die Frage tauchte zuletzt im Rahmen der auf Netflix ausgestrahlten „Haftbefehl“-Doku wieder auf. Der zeitweise in der Nähe von Stuttgart lebende Rapper thematisiert dort seinen exzessiven Kokainkonsum.
Stuttgart im deutschen Koks-Ranking
Mutmaßlich für das Ranking relevante Großstädte wie Berlin und Frankfurt am Main fehlen in der Erhebung. Für die Bundeshauptstadt liegen zumindest aus dem Jahr 2022 Werte vor. Sie liegen deutlich über denen von Stuttgart und würden im 2024er-Ranking für Platz zwei bundesweit reichen.
Auch wenn nicht alle deutschen Großstädte in der Untersuchung auftauchen: Stuttgart hat ein vergleichsweise großes Kokain-Problem. Die Droge werde nicht nur durch die Nase, sondern auch in rauchbarer Form konsumiert, sagt die Suchtberaterin Nina Fletschinger von Initiative Release. Außerdem werde die Droge nicht nur von Managern für eine vermeintliche Leistungssteigerung oder von Künstlern wie Haftbefehl genutzt, sondern auch beispielsweise von Wohnsitzlosen – oder eben als Partydroge.
Samstag ist Kokstag
Darauf deutet der Vergleich der Tageswerte hin, der ebenfalls in den EU-Daten enthalten ist. Die Kokainkonzentration im Abwasser nimmt, beginnend mit den freitags gemessenen Werten, am Wochenende deutlich zu:
Auffällig ist auch der starke Anstieg der Konzentration über die Jahre. Im Schaubild gelb gestrichelt ist der mittlere Wert von Kokainrückständen im Stuttgarter Abwasser bei den Messungen von 2017. Sieben Jahre später lag der Wert an jedem einzelnen Wochentag um mindestens die Hälfte darüber. In Stuttgart wird also mehr gekokst als noch vor wenigen Jahren. Bei Amphetamin (auch bekannt als Speed oder Pep) ist ebenfalls ein Anstieg zu erkennen, wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau und mit weniger klarem Verlauf während der Woche.
Wegen der hohen Nachfrage „muss mit langen Wartezeiten für einen Beratungstermin gerechnet werden“, heißt es auf der Website der Suchtberatung Release. Tatsächlich kämen viele Klientinnen und Klienten wegen ihrer Kokainsucht zu Release, bestätigt die Beraterin Nina Fletschinger. Neben der Abhängigkeit von Koks sei die Cannabissucht für viele der Grund, zur Suchtberatung zu gehen.
Was ist mit Kiffen?
Zum Cannabiskonsum in Stuttgart sagen die EU-Daten nichts, dafür aber eine Erhebung der Stadtverwaltung. Im April 2025 stellte sie die Ergebnisse eigener Abwasseranalysen vor. Ein Jahr nach der Legalisierung von Cannabiskonsum liege die Menge die gemessenen Rückstände im Mittel 13 Prozent höher als noch im April 2024, so eine Mitteilung. Es zeigten sich „an allen Wochentagen vergleichbar hohe Werte im Abwasser“.
Koksen eher am Wochenende, Kiffen jeden Tag – das ist, in Kurzform, das Muster der Drogennutzung in Stuttgart. Die EU-Daten helfen bei der Einordnung: In den Niederlanden werden fast alle untersuchten Drogen häufiger konsumiert als in deutschen Großstädten. Einzige Ausnahme: Crystal Meth, das insbesondere in Tschechien und den an Tschechien angrenzenden deutschen Großstädten am häufigsten nachgewiesen wird. Die Cannabis-Rückstände sind fast überall ähnlich hoch und Speed in Skandinavien besonders verbreitet.
Im europaweiten Vergleich, der allerdings nicht alle Länder einschließt, liegt Stuttgart im vorderen Mittelfeld. In den niederländischen Großstädten beispielsweise ist doppelt so viel Koks im Abwasser wie in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Das hat stets auch mit der Verfügbarkeit zu tun: Tschechien gilt als Zentrum der Chrystal-Meth-Produktion und die ausweislich der EUDA-Daten beim Kokainkonsum weltweit führende brasilianische Hafenstadt Natal ist ein wesentlicher Umschlagplatz für den Kokaintransport nach Europa.