Kiel. Der Kieler Ratsherr Ove Schröter (Die Partei) hat einen Verdacht: „In meinen Augen trauen sich Grüne und CDU nicht, noch vor der Oberbürgermeister-Stichwahl zuzugeben, dass sie sich selbst mehr Geld bewilligen wollen.“ Der Grund für seinen Argwohn: Die Ratsversammlung hat am Donnerstag erneut die Entscheidung darüber verschoben, ob die Aufwandsentschädigungen der 49 Ratsleute ab Januar wirklich um historisch hohe 75 Prozent erhöht werden sollen.
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Ausschlaggebend für den Beschluss war, dass die Grünen nicht mit ihrem Kooperationspartner SPD stimmten, sondern in dieser Frage gemeinsam mit den Christdemokraten eine Mehrheit bildeten. Außerdem stimmten noch die SSW- und FDP-Ratsleute mit der ungewöhnlichen Konstellation in Grün-Schwarz dagegen, das Thema nun dringlich auf die Tagesordnung zu setzen.
Aufwandsentschädigungen: Ein Plus von 75 Prozent steht an
Damit wurde verhindert, dass die Ratsversammlung überhaupt darüber beraten und beschließen konnte, wie sie mit dem kürzlich erschienenen Erlass des Innenministeriums umgehen will. Der erlaubt es ihnen, ihre Aufwandsentschädigungen ab Januar um 75 Prozent anzuheben. Mehr noch: Da in Kiel immer automatisch die vom Innenministerium festgelegten Höchstsätze gelten, käme es ohne weiteres Zutun zu der satten Anhebung.
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Deshalb drängt die Zeit, meint Ove Schröter, dessen Fraktion die Erhöhung per Antrag verhindern wollte. Auch die SPD-Fraktion stellte einen Antrag, die Entschädigungssatzung zu ändern, damit es bei der derzeitigen Höhe der Geldleistungen bleibt. Doch sie waren auf die Feststellung der Dringlichkeit angewiesen, da sie nicht fristgerecht eingereicht werden konnten – der Landeserlass war erst kurz vorher erschienen. Dafür hatten die Ratsleute von SPD, Die Linke/Die Partei, AfD und Die Basis aber keine Mehrheit.
Wenn wir die Erhöhung verhindern wollen, muss es im Dezember auf Anhieb eine Einigung geben.
Christina Schubert (SPD)
Fraktionsvorsitzende
Die Ablehnung wertet Schröter als „Verzögerungstaktik von Grünen und CDU mit dem Kalkül, dass eine Satzungsänderung nicht mehr rechtzeitig erfolgt“. Über die Anträge kann nun erst während der nächsten Ratsversammlung am 11. Dezember beraten werden – also kurz nach der Stichwahl um das Oberbürgermeister-Amt am 7. Dezember. An dem Tag treten der CDU/FDP-Kandidat Gerrit Derkowski und der Grünen-Kandidat Samet Yilmaz gegeneinander an. Schröter meint, dass ihnen eine Debatte über mehr Geld für Kommunalpolitiker nicht in den Wahlkampf passt.
Mehr Geld für Kommunalpolitiker in Kiel
So weit geht SPD-Fraktionsvorsitzende Christina Schubert nicht. Sie möchte aber sicherstellen, dass die Anhebung um 75 Prozent nicht automatisch erfolgt. „Wenn wir die Erhöhung verhindern wollen, muss es im Dezember auf Anhieb eine Einigung geben“, warnt sie. Nach der Abstimmung am Donnerstag sei sie nicht mehr so sicher, ob Grüne und CDU das wirklich wollen. Sie halte eine Erhöhung der Entschädigungen für das falsche Signal. „Wir sparen in Kiel an allen Enden, da können wir nicht bei uns selbst draufsatteln.“ Zudem wolle sie der Verwaltung ersparen, die Satzungsänderung unter Zeitdruck kurz vor Jahresende vorzunehmen.
Grünen-Fraktionschefin Anke Oetken sieht keinen Grund zur Eile. Sie habe sich von der Verwaltung versichern lassen, dass eine Entscheidung im Dezember ausreiche. Ihre Fraktion habe nicht genug Zeit gehabt, sich eine Meinung über das Thema zu bilden. CDU-Fraktionsvorsitzender Carsten Rockstein sieht es ähnlich: „Das wird eine lange Diskussion. Dafür haben wir im Dezember noch Zeit.“ Offenbar sind beide für eine Erhöhung offen, wenn auch nicht in voller Höhe. Carsten Rockstein kann sich etwa ein Stufenmodell vorstellen.
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Derzeit werden die 49 ehrenamtlichen Ratsleute in Kiel mit 412 Euro monatlich entschädigt. Der Betrag würde bei voller Erhöhung auf 721 Euro steigen. Bei besonderen Funktionen, etwa dem Fraktionsvorsitz, liegen die Sätze höher. Jährlich gibt die Stadt Kiel 530.000 Euro für Entschädigungen aus. Die Summe würde bei einem Plus von 75 Prozent auf mehr als 900.000 Euro steigen.
KN