Hinter Aljoscha Kemlein liegen ereignisreiche Wochen. Für die deutsche U-21-Nationalmannschaft stand der Berliner zuletzt zweimal in der Startelf und trug mit je einer Vorlage zum 6:0 gegen Malta und dem 2:0 in Georgien bei. Davor war ihm mit dem 1. FC Union Berlin als erster Mannschaft in dieser Saison gelungen, woran selbst PSG und Chelsea gescheitert waren: dem FC Bayern München einen Punkt abzunehmen.

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Nachdem er monatelang mit den Nachwirkungen einer Fußverletzung zu kämpfen gehabt hatte, ist die Laune wieder gut beim 21 Jahre alten Mittelfeldspieler – und das merkt man auch bei einer Medienrunde im Stadion An der Alten Försterei am Donnerstag. „Die ewige Bundesligatabelle ist natürlich ein riesiger Ansporn für uns in der Kabine“, sagt Kemlein lachend auf den Hinweis eines Journalisten, dass Union dort nur zwei Punkte vor dem kommenden Gegner liegt, dem FC St. Pauli.

Extramotivation braucht er nicht, erst recht nicht in diesem Duell. „Ich hatte bei St. Pauli eine super Zeit, habe mit dem Aufstieg schöne Dinge erlebt und freue mich, dort zu spielen“, sagt Kemlein, der in der Rückrunde der Saison 2023/24 nach Hamburg ausgeliehen war. Der Kontakt sei mittlerweile aber deutlich seltener geworden. Die Mannschaft habe sich stark verändert und „da verläuft sich das mit der Zeit“.

Im vergangenen Ligaspiel ärgerte Aljoscha Kemlein (rot-weißes Trikot) mit Union den großen FC Bayern um Stürmerstar Harry Kane (rechts).

© imago/Michael Taeger

Dennoch bleibt das halbe Jahr am Millerntor prägend für Kemleins Karriere. Dort kam er richtig im Profifußball an und St. Pauli hätte ihn gerne behalten. Unions Präsident Dirk Zingler, der sich selten zu einzelnen Spielern äußert, sprach schließlich ein Machtwort für den Verbleib des Eigengewächses: „Es ist klarer Wunsch des Präsidiums, ihn in die erste Mannschaft zu integrieren.“

Mit etwas Geduld gelang dies in der vergangenen Saison sehr erfolgreich – bis ihn eine Fußverletzung samt anschließender Operation im Februar außer Gefecht setzte. Der Weg zurück war beschwerlich und benötigte viel Geduld. In der Sommervorbereitung trainierte er immer noch teilweise individuell, bis Mitte Oktober kam er im Profiteam nur auf wenige Minuten als Einwechselspieler.

In Unions Perspektivmannschaft und im September auch bei der U 21 arbeitete er sich langsam wieder in den Spielrhythmus – und das zahlte sich aus. Beim 3:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach stand er erstmals wieder in der Startelf und zeigte eine erstaunlich abgeklärte Leistung für einen jungen Spieler, der aus einer langen Pause kommt. „Nach dem ersten Spiel über 90 Minuten habe ich schon gemerkt, dass die Regeneration länger dauert“, sagt Kemlein. „Aber ich merke, dass mir jede Minute guttut.“

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Mal in Folge stand Kemlein zuletzt in der Startelf für Union und die U 21.

Steffen Baumgart hält viel von Kemlein und hat ihn vor einigen Wochen als einen der „fleißigsten Spieler“ bezeichnet, mit denen er je gearbeitet hat. Allerdings wies Unions Trainer auch darauf hin, dass der Weg zur alten Form lang ist. „Bei Joschi sieht man, dass er ein sehr gutes Spiel macht, auf sehr gutem Niveau ist. Dann merkt man, dass er im zweiten Spiel noch nicht den gleichen Rhythmus hat. Da geht es auch um Anpassung nach seiner Verletzung“, sagte Baumgart vor dem Spiel gegen die Bayern.

Auch Kemlein selbst sieht sich trotz sechs Startelfeinsätzen in Folge für Union und die U 21 noch nicht ganz auf dem Niveau, das ihn vor der Verletzung zum Stammspieler gemacht hatte. „Ich habe Themen, wo ich besser werden muss, besser werden will“, sagt er. Etwa die Gefährlichkeit im Angriffsdrittel. „Es wird Zeit“, sagt Kemlein mit Blick auf seine Statistik, die in dieser Saison für Union noch keine Tore oder Vorlagen aufweist.

Ich habe gerne den Ball am Fuß und bringe spielerische Akzente.

Aljoscha Kemlein

Dabei ist schon jetzt deutlich, wie wichtig Kemlein für Union werden kann. In einer Mannschaft, die sich vorwiegend über die Arbeit gegen den Ball definiert, ist er ein Impulsgeber. „Ich habe gerne den Ball am Fuß und bringe spielerische Akzente“, sagt Kemlein.

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Bei Union wissen sie, was sie an ihm haben, er spielt seit der D-Jugend in Köpenick. Gelegentlich zieht es ihn aber auch noch zu seinem Kindheitsverein. Sein älterer Bruder Nikolai, der im Nachwuchsbereich auch bei Union aktiv war, spielt inzwischen wieder bei den Berliner Amateuren in Kreuzberg.

„Wenn ich es schaffe, bin ich gerne dort. Da gibt es immer noch 20, 30 Leute, die ich kenne und mit denen ich mich hinsetze und entspannt das Spiel schaue“, sagt Kemlein. An diesem Wochenende werden die alten Freunde allerdings ohne ihn auskommen müssen. Am Sonntag (17.30 Uhr, Dazn) hat die Rückkehr nach St. Pauli Priorität.