Museum Wiesbaden und Alfred-Weigle-Stiftung zeichnen Künstlerin und Naturwissenschaftlerin aus
In einer feierlichen Preisverleihung wurden diese Woche die Südkoreanerin Seongbin Ma und die Brasilianerin Juline Rodrigues da Conceição mit dem Maria Sibylla Merian-Preis 2025 ausgezeichnet. Mit jeweils 7.500 Euro können die beiden Preisträgerinnen ihre eingereichten Projekte verwirklichen: Seongbin Ma ist Künstlerin und studiert an der Städel-Schule in Frankfurt und Juline Rodrigues ist Naturwissenschaftlerin an der Universidade Federal do Espírito Santo und forscht über Mikroalgen. Das Landesmuseum mit seinen beiden Abteilungen Kunst und Natur eignet sich besonders für die Vergabe des Preises, da es die einzigen erhaltenen Tierpräparate aus Südamerika besitzt, die Merian von der ersten Forschungsreise (1699 bis 1701) mitbrachte.

Museumsdirektor Dr. Andreas Henning und Patrick Bruns, Geschäftsführer der Alfred-Weigle-Stiftung, gratulieren den Preisträgerinnen; Foto: Hans-Bernd Heier
Juline Rodrigues da Conceição (*1990, Vitória/Brasilien), Preisträgerin im Bereich Natur, erforscht an der Universidade Federal do Espírito Santo in Brasilien die Taxonomie und Ökologie von Mikroalgen. Ihr Fokus liegt dabei auf der Biodiversität in aquatischen Lebensräumen und deren Bedeutung für den globalen Stoffkreislauf. Im Oktober 2025 konnte sie ihre Masterarbeit erfolgreich abschließen und wird in diesem Bereich ihren PhD beginnen.
Für ihre Forschungen nutzt die Naturwissenschaftlerin auch die Mikrofotografie. Sie erstellt wissenschaftliche Illustrationen und verfolgt den Ansatz von „Data Art“, der versucht ökologische und Umweltdaten so zu visualisieren, dass aus Wissenschaft ästhetische Erzählungen werden. Diese Techniken werden auch Eingang in das ausgezeichnete Buchprojekt haben. Darüber hinaus engagiert sich Juline Rodrigues in sozialen Medien für das Thema Mikroalgen. In ihrem Podcast „Águas Urbanas“ und ihrem Instagram-Auftritt „MicroFlora“ dokumentiert und informiert sie über Gewässer im urbanen Raum und die Bedeutung von Phytoplankton auch im Bereich des Naturschutzes.

Juline Rodrigues da Conceição, die im Bereich Natur ausgezeichnete Preisträgerin (links), und Seongbin Ma, Preisträgerin im Bereich Kunst, Landesmuseum Wiesbaden
“Wir gratulieren Juline Rodrigues da Conceição herzlich zu dieser Auszeichnung und freuen uns auf die Umsetzung ihres Projekts, das einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung biologischer Forschung und zur Sichtbarkeit der Vielfalt der Mikroalgen leisten wird“, sagt Jurymitglied Prof. Foitzik von der Universität Mainz. Und Dr. Hannes Lerp, Leiter der Naturhistorischen Abteilung im Landesmuseum Wiesbaden, ergänzt: „Wir freuen uns darüber, nicht nur eine herausragende wissenschaftliche Arbeit auszuzeichnen, sondern auch ein Buchprojekt, das den Wissenstransfer in die Gesellschaft durch allgemein verständliche Texte und Illustrationen versucht. Dies war auch Maria Sibylla Merian sehr wichtig und ist maßgeblich für Merians heutige Bedeutung.“
In ihrem Dank betont Rodrigues da Conceição: „Ich bin sehr glücklich, dass mein Buchprojekt von der Jury für den Preis ausgewählt wurde, und freue mich schon, die Originalstücke von Merian zu sehen, um ihre Arbeitsweise noch besser zu verstehen“.
Die in 1996 Südkorea geborene Künstlerin Seongbin Ma, Studentin der Frankfurter Hochschule der Bildende Künste – Städelschule, beschäftigt sich mit Räumen urbaner Zivilisation im Spannungsfeld zwischen Natur und urbaner Struktur und in diesem Kontext auch mit Transformationen von ehemaligen Industriegebieten. 2024 thematisierte sie in Lithografien und in einer Installation mit Naturmaterialien, wie in Wolfen-Bitterfeld, einem einst bedeutenden Industriezentrum Deutschlands, verlassene und belastete Flächen langsam von der Natur zurückerobert werden. Im selben Jahr begann sie auch mit der Beobachtung von städtischen Räumen und insbesondere von Stadtmoos, dem Ritzen im Straßenbelag als Untergrund zum Wachstum reichen.
Die in verschiedenen Medien – von Zeichnungen über digitalen 3D-Rekonstruktionen bis zu Installationen mit Alltagsgegenständen – tätige Künstlerin Seongbin Ma fokussierte nun Moos als Miniaturwelt, um zu zeigen, dass „man sich so klein wie möglich machen und die Augen ganz nah heranbringen“ muss, um die ansonsten verborgene Lebewesen sehen zu können.
„Mit dem Maria Sibylla Merian-Preis möchte Seongbin Ma ein städtisches Beobachtungstagebuch mit Zeichnungen und illustrativen Elementen als Publikation realisieren“, erläutert Jurymitglied Dr. Beate Kemfert, Direktorin der Opelvillen. „Tagebuchartig plant sie das urbane Ökosystem als Verflechtung von menschlichen und nicht-menschlichen Existenzen, Materialien und Umwelten zu erforschen“. Und Dr. Jörg Daur, Kustos für moderne und zeitgenössische Kunst, Museum Wiesbaden, weiter: „Beobachten und Zeichnen als Methode des Verstehens eint Seongbin Ma mit Maria Sibylla Merian. Das Gespür und Interesse für das „Nicht-Gesehene“, oder das Noch-nicht-so-Gesehene ebenfalls“.

Bildnis der Maria Sibylla Merian von Jacob Marrel, 1679, Kunstmuseum Basel
Das Hessische Landesmuseum für Kunst und Natur in Wiesbaden verfügt über die einzig bekannten Tierpräparate aus den Händen von Maria Sibylla Merian (1647–1717). Die in Frankfurt aufgewachsene emanzipierte Frau war ein geniales Doppeltalent: exzellente Künstlerin und als Naturforscherin Pionierin. „Sie gehört zum Kreis derjenigen, die im Zuge der Aufklärung unser heutiges Weltbild in den westlichen Gesellschaften deutlich geprägt haben. Sie verkörpert mit ihren Talenten und Interessen eine Einheit von Kunst und Wissenschaft, wie sie kaum ein zweites Mal anzutreffen ist. Im Fokus steht der Erkenntniserwerb auf Basis eigener Beobachtung, eigener Beschreibung und Interpretation. Noch heute sind dies Grundvoraussetzungen für wissenschaftliches Handeln“, erklärt Henning.

Aquarell und Kolorit auf Pergament von Maria Sibylla Merian, um 1670–1679, British Museum
Bekannter in der breiten Öffentlichkeit ist Maria Sibylla Merian allerdings durch ihre herausragenden Kunstwerke. Darüber hat sie drei herausragende Druckwerke zu Blumen, Raupen und der Metamorphose südamerikanischer Insekten geschaffen. Das Museum Wiesbaden widmet ihr neuerdings eine dauerhafte Präsentation ihrer Arbeit im Eingangssaal zu den Naturhistorischen Sammlungen.
Maria Sibylla Merian steht wie keine Zweite für die naturwissenschaftliche und künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, verbunden mit einem tieferen Erkenntnisgewinn. Sie ist daher die ideale Patin für den ausgelobten Preis. Dieser soll dazu beitragen das Wissen und die Kreativität zu fördern und die drängenden Themen der heutigen Zeit in das Bewusstsein der Menschen zu bringen.
Dieser Eintrag wurde verfasst
am 22. November 2025 um 13:25 und befindet sich in der Kategorie Bildende Künste, Bildung · Pisa von innen, Kultur regional / Rhein Main, Kultur und Gesellschaft, Kunstorte, Kunstszene überregional, Wiesbaden, Zeichnung · Druckgrafik.
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