Bielefeld. Die Ermittler der Cold-Case-Gruppe der Bielefelder Kripo waren bereits mächtig stolz. In einem Mordfall von 1994 hatten sie nach 30 Jahren den vermeintlichen Durchbruch geschafft. Eine DNA-Spur von damals hatte durch moderne Labortechnik und akribische Ermittlungsarbeit die Identität eines dringend Tatverdächtigen zu Tage gefördert. Doch seit Freitag, 21. November, ist klar: Der 45-jährige Familienvater war zwar damals am Tatort, aber den Mord konnten ihm die Ermittlungsbehörden nicht nachweisen.

Wie Guiskard Eisenberg, Sprecher des Bielefelder Landgerichts, mitteilte, hat die III. Große Strafkammer den Angeklagten in der nicht-öffentlichen Sitzung nun abschließend freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem damals 15-jährigen Bielefelder vorgeworfen, am 13. Juli 1994 den Kioskbetreiber Heinz-Georg Strohmidel ermordet zu haben.

Die Ermittler hielten ihn für überführt, weil in einem Arbeitshandschuh vom Tatort durch verfeinerte Labortechnik Jahrzehnte nach der Tat eine vollständige DNA gesichert werden konnte. 31 Jahre nach der Tat hatten die Kripobeamten endlich einen neuen Ermittlungsansatz und hatten durch kriminalistische Feinarbeit sowie eine Reihenuntersuchung tatsächlich den nun beschuldigten zweifachen Familienvater identifiziert. Er ist der DNA-Spurenleger. Das ist unzweifelhaft.

Angriff auf Bielefelder führte zu tödlichen Kopfverletzungen


Unter dem Kiosktresen lag damals das Corpus Delicti. Ein Arbeitshandschuh, der eindeutig zu dem Bielefelder Familienvater führte. Doch für eine eindeutige Verurteilung reichte es nicht. - © Polizei

Unter dem Kiosktresen lag damals das Corpus Delicti. Ein Arbeitshandschuh, der eindeutig zu dem Bielefelder Familienvater führte. Doch für eine eindeutige Verurteilung reichte es nicht.
| © Polizei

Doch der 45-Jährige überraschte das Gericht beim Auftakt des Mordprozesses nun mit seiner Aussage. Ihm zufolge habe er den Kiosk Am Recksiek damals nicht allein überfallen. Der Bielefelder habe einen Komplizen dabei gehabt. Er selbst habe die Flucht bereits ergriffen, als jener Komplize offenbar den 67-jährigen Oldentruper angriff und tödlich am Kopf verletzte.

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Weil der damals sichergestellte Handschuh des Angeklagten nach Angaben eines LKA-Gutachters nicht die für eine solche Bluttat erforderlichen Blutspritzer auf der Oberfläche aufwies, „konnte die Kammer nicht feststellen, dass der Angeklagte die vorgeworfene Tat begangen hat“, berichtet Eisenberg. Kurz gesagt: Der Handschuh gehört zum Angeklagten. Er beweist seine Beteiligung an dem Raubüberfall. Aber der Täter hat beim Angriff auf den Kioskbetreiber diesen Handschuh nicht getragen.

Wenn der Angeklagte den Handschuh trug, ist er nicht der Täter

Bleiben zwei Möglichkeiten: Der Angeklagte trug diesen Handschuh. Dann kann er nicht der Mörder sein. Oder er trug ihn nicht mehr (schließlich blieb er unterm Tisch liegen). Dann ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu klären, wer von den jugendlichen Räubern den Mord verübte. Der Angeklagte bestreitet von Beginn an die Tat. Im Zweifel für den Angeklagten musste das Gericht diesen also freisprechen.

Ob nun versucht wird, den Komplizen zu finden und des Mordes zu überführen, ist unklar. Weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alt war und damit als Jugendlicher unter besonderem Schutz stand, musste nun 31 Jahre später auch das Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

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Dem Vernehmen nach soll es sich bei dem Komplizen um einen Türken handeln, der Deutschland vor Jahren schon den Rücken gekehrt haben soll und nun wieder in der Türkei lebt. Weil die Türkei in der Regel keine eigenen Staatsbürger ausweist, dürften die Ermittlungen in dem „Cold Case Kioskmord“ schnell wieder gestoppt werden.

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