Strommasten stehen im Morgenlicht vor einem Zementwerk.

Stand: 24.11.2025 17:13 Uhr

Die Weltklimakonferenz in Brasilien hat gemessen am eigenen Anspruch kaum etwas erreicht. Die deutsche Delegation reist müde und ernüchtert zurück. Auch in Deutschland steht die Klimapolitik unter Druck.


Dominic Hebestreit

„Ich will meinen Beitrag leisten zum Schutz unseres Planeten“, sagt Carsten Schneider, während er im Regenwald steht und den eindringlichen Appell eines ehemaligen Holzfällers hört, den Amazonas, die Lunge der Welt, besser zu schützen. Heute lebt der Mann umgeben von atemberaubender Natur von den Dingen, die ihm der Wald bietet: Acaibeeren, Kautschuk, Honig und auch Tourismus.

Während der Umweltminister bei der UN-Klimakonferenz COP30 in Brasilien das deutsche Image als Klimaschutz-Vorreiter hochhielt, hatte die schwarz-rote Koalition kurz zuvor angekündigt, die Ticketsteuer für den Luftverkehr ab dem kommenden Sommer zu senken. Gerade beim Fliegen entsteht viel klimaschädliches Treibhausgas.

Widersprüchlicher könnten die Eindrücke nicht sein. Und es fragt sich: Wohin steuert die schwarz-rote Koalition in der Klimapolitik?

„Der Situation absolut nicht angemessen“

Die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum hat ein klares Urteil: „Ich habe nicht erwartet, dass wir die ganz großen Klima-Champions sind. Aber meine Erwartungen sind wirklich noch weit unterboten worden.“ Badum war als klimapolitische Sprecherin selbst in Belém und beobachtete den Kurs der Bundesregierung.

Dort hatte Schwarz-Rot unter anderem angekündigt, einen neuen Fonds zum Schutz des Regenwalds mit einer Milliarde Euro zu unterstützen. Das deutsche Vorgehen hält Badum dennoch für „nicht glaubwürdig und der Situation absolut nicht angemessen“. Sie kritisiert neben der Senkung der Ticketsteuer auch die erneute Debatte über das Heizungsgesetz zwischen Union und SPD.

Obwohl sich die anfangs öffentlich so umstrittenen Wärmepumpen besser verkaufen denn je, auch dank der Förderung durch den Bund, wird wieder darum gerungen. Teile der Union wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder würden es am liebsten abschaffen. SPD-Umweltminister Schneider ist für eine Novelle und sozial stärker gestaffelte Fördersummen.

Wirtschaft stärker im Fokus

Wen immer man in Union und SPD fragt, wird gesagt: Wir stehen zu den Klimazielen. Aber anders als noch zu Zeiten der Ampelkoalition nimmt Schwarz-Rot die Wünsche und Bedenken der Wirtschaft stärker in den Fokus, beispielsweise bei der Versorgung mit günstiger Energie auch aus fossilen Brennstoffen. Dazu sollen neue Gaskraftwerke gebaut werden. Nur zum Übergang, bis der Ausbau der Erneuerbaren vorangeht.

Auf der COP30 war Deutschland derweil prominenter Unterstützer für den Ausstieg aus fossiler Energie und Teil einer Allianz von mehr als 80 Staaten quer über den Globus, darunter auch mehrere europäische Länder.

In Belém wollte die EU gern Taktgeber sein, hatte sich aber selbst in eine schlechte Ausgangsposition gebracht. Die Umweltminister haben bis auf den sprichwörtlich letzten Drücker über die EU-Klimaziele verhandelt.

Europa müht sich zur Einheit

Einen Durchbruch gab es erst in einer mehrstündigen Nachtsitzung, da war die Abgabefrist für die nationalen beziehungsweise EU-weiten Klimaziele längst verstrichen. Diese müssen die Länder einreichen und damit nachweisen, welche Anstrengungen sie unternehmen, um das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen.

Widerstand kam vor allem aus Osteuropa. Umweltminister Schneider war und ist deswegen eine enge Abstimmung mit den Osteuropäern wichtig.

Nach Ende der COP30 betont Anna Aeikens, Umweltpolitikerin in der Union: „Deutschland und Europa bleiben weiterhin Taktgeber beim Klimaschutz. Dass wir dabei Rücksicht nehmen auf die Bevölkerung und unsere osteuropäischen Verbündeten, indem wir versuchen, den Übergang möglichst gerecht zu gestalten, ist keine Abschwächung dieser Arbeit, sondern hilft gemeinsam ans Ziel zu kommen.“

Wie sie unterstreichen viele, dass es in Belém immerhin gelungen ist, die internationale Zusammenarbeit hochzuhalten. Auch wenn erdölfördernde Länder wie Saudi-Arabien und Russland die Verhandlungen blockiert hätten.

„Der Anspruch muss noch wachsen“

Jakob Blankenburg von der SPD, der ebenso die COP30 beobachtet hat, meint, dass die Lücke zwischen dem was nötig und dem was möglich war, spürbar ist. Einen europäischen Sonderweg sieht er deswegen allerdings nicht. „Wir bewegen uns in einer weltweiten Dynamik, die Klimaschutz und wirtschaftliche Stabilität zusammendenkt, auch wenn der gemeinsame Anspruch noch wachsen muss.“

Gerade diese Kombination – Klimaschutz ja, aber stärker als bisher im Einklang mit der Wirtschaft – hinterfragen viele Beobachter. Damit verbunden ist die Sorge, dass die Pariser Klimaschutzziele aufgeweicht werden könnten. Die angestrebten höchstens 1,5 Grad Erderwärmung sind verschiedenen Berechnungen zufolge schon jetzt nicht mehr oder nur mit sehr viel mehr Anstrengung erreichbar.

Nadelöhr Energiepolitik

Gerade das Thema Energie ist entscheidend für die deutsche Klimapolitik. Hauptverantwortlich dafür ist das Wirtschaftsministerium unter Führung von Katherina Reiche. Gerade ihre Forderung, mehr Gaskraftwerke zu bauen, hatte Zweifel am deutschen Klimakurs geweckt.

Immerhin hat sich die Koalition jetzt darauf verständigt, dass die neu zu bauenden Kraftwerke H2-ready sein sollen, also in Zukunft auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Dieser ist derzeit aber nicht in ausreichender Menge verfügbar.

Und noch eine Baustelle hat die Bundesregierung: den Netzausbau. Derzeit werden Netzbetreiber überschüttet mit Anträgen, neue Wind- und Solarparks sowie riesige Batteriespeicher ans Netz anzuschließen. Dafür fehlen vielfach die Planungskapazitäten aber auch Fachkräfte für die technischen Arbeiten. Die Unternehmen kommen gar nicht hinterher und plädieren für einen stärker staatlich gesteuerten Prozess.

Schwarz-Rot hat also alle Hände voll zu tun. Und es zeigt sich mehr denn je, dass Klimaschutz immer stärker auch Wirtschaftspolitik ist. Die Interessen von Umweltminister Schneider und Wirtschaftsministerin Reiche liegen da nicht immer auf einer Linie.