Die katholische Kirche in Frankreich hat die gleichen Probleme wie in anderen europäischen Ländern: weniger Kindertaufen, weniger Kirchgänger.
Aber bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann sie punkten. In diesem Jahr werden sich laut Kirche 17.800 Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren auf eigenen Wunsch taufen lassen. Das ist ein Anstieg der Erwachsenentaufen um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele haben das traditionell bereits am Osterfest getan.
Der seit 2023 stetig steigende Trend überrascht selbst die Kirche. Ebenso wie die Bedürfnisse vieler Neu-Katholiken, die oft nach strengen Regeln dürsten.
Studenten und junge Berufstätige überwiegen
Das wurde insbesondere in der vorösterlichen Fastenzeit deutlich. Die Priester wurden regelrecht überrannt mit Anfragen von Neu-Katholiken oder denen, die kurz vor ihrer Taufe standen, was genau man zu jeder einzelnen Mahlzeit des Tages essen dürfe.
Bei den erwachsenen Täuflingen überwiegen dieses Jahr erstmals junge Erwachsene, Studenten und junge Arbeitnehmer zwischen 18 und 25 Jahren (42 Prozent). Die Mehrheit in allen Altersgruppen sind Frauen (63 Prozent). Was treibt sie an?
Die 20-jährige Anaë Delion aus Nantes erzählt im Bericht der katholischen Bischofskonferenz, in dem die jüngsten Zahlen veröffentlicht wurden, dass sie aus einer atheistischen Familie komme.
In der Pandemiezeit sei sie nicht mehr aufgestanden, nicht ausgegangen und habe nur schwarzgesehen. „Da habe ich von der Fastenzeit gehört.“ Darüber sei sie dem katholischen Glauben näher gekommen.
Mehrheitlich Frauen treten der katholischen Kirche in Frankreich im Erwachsenenalter bei.
© Getty Images/Maskot
Der 19-jährige Jura-Student Clément in Cergy habe eine „großes Bedürfnis nach Spiritualität gespürt, als er 15 war. Damals sei er täglich in die Kirche gegangen, „das war ein wenig exzessiver Eifer“, sagte er der Zeitung „Le Monde“. Sein Priester habe ihn damals gebremst und seine Taufe um ein Jahr verschoben.
Pandemiezeit als Auslöser
Viele Priester sehen laut Medienberichten einen Zusammenhang mit der Covid-Zeit und den in Frankreich damit einhergehenden extremen Einschränkungen der Mobilität.
Auch die Zahlen deuten darauf hin: Von 2015 bis 2022 hatte die Zahl der Erwachsenentaufen gleichbleibend bei etwa 4000 pro Jahr gelegen. Der Anstieg begann 2023, nach einer obligatorischen zweijährigen Vorbereitungszeit der Täuflinge, die also 2021 begonnen hatte.
Katholische Erwachsenentaufen in Frankreich
- 2025: 10.384 Erwachsene und 7.404 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren; 63 Prozent in allen Altersgruppen sind Frauen, 42 Prozent zwischen 18 und 25 Jahren alt
- 2023: 5423 Erwachsene und 2953 Jugendliche
- 2015 bis 2022: etwa 4000 Erwachsene jährlich
- Etwa 30 Prozent der Franzosen geben an, katholisch zu sein.
Überrascht sind viele Kirchenvertreter auch von der Radikalität des neu entdeckten Glaubens gerade bei Jüngeren. Der Bischof von Nanterre, Matthieu Rougé, beobachtet eine „Intensität“.
An seinen Frühmessen um acht Uhr morgens nähmen mittlerweile mehr junge Leute als ältere Damen teil, die bisher das Stammpublikum ausgemacht hätten. Andere Geistliche berichten, dass die jungen Gläubigen sich bei jedem beliebigen Teil der Messe auf die Knie werfen und komplette Listen für die Gebete zu jeder Tageszeit verlangen. Selbst der Wunsch nach Messen auf Latein werde geäußert.
Verlangen nach Identität und Gemeinschaft
Bischof Rougé sieht in dem Zulauf junger Erwachsener auch in seiner Diozöse vor allem ein „Bedürfnis nach Gemeinschaft“. Auch wollten die Menschen ihren Glauben öffentlich machen.
Bischof Matthieu Rougé verzeichnet in seiner Diözese Nanterre auch einen Anstieg von 50 Prozent bei Taufen von Erwachsenen und Jugendlichen.
© imago/ZUMA Press/IMAGO/Alessisa Giuliani
„Sie wollen sich angesichts der muslimischen und evangelischen Gemeinden, die sehr dynamisch sind, auch ausdrücken“, sagte er „Le Monde“.
Einen Hinweis darauf, dass junge Katholiken vom sehr öffentlich gelebten Islam beeinflusst sind, zeigt sich an einer Frage, die in der Diözese Nanterre gestellt wurde: Ein junger Kirchgänger wollte „den Zeitpunkt des abendlichen Fastenbrechens“ für Christen wissen, erzählt Bischof Rougé.
Die Verwirrung rührte wohl auch daher, dass der muslimische Fastenmonat Ramadan in diesem Jahr in die christliche Fastenzeit fiel. Muslime fasten in dieser Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
Suche nach festen Regeln für den Alltag
Auch die Nachfrage nach genauen Essens-,Gebets- oder Kleidervorschriften lässt darauf schließen, dass die Neu-Katholiken teilweise davon beeinflusst sind, wie Muslime in ihrer Umgebung leben.
Der Bischof von Evraux, Olivier de Cagny, verweist darauf, dass viele der jungen Teilnehmer der Taufkurse genau wissen wollen, „was verboten und was erlaubt ist“.
Darauf gibt auch das katholische Jugendkollektiv Porta Fidei Antworten. Die jungen Betreiber zwischen 18 und 25 Jahren wenden sich mit ihrer Aufklärung über den katholischen Glauben vor allem an ein junges Publikum in sozialen Brennpunktvierteln.
Ihr populärstes Video auf TikTok ist eine Szene in einem McDonalds-Restaurant, wo junge Leute erklären, warum sie am Freitag keinen Burger mit Fleisch, sondern mit Fisch bestellen.
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Vielleicht hat auch der jüngste Film des bekannten Komikers Gad Elmaleh die öffentliche Hinwendung zum katholischen Glauben für viele einfacher gemacht.
Der jüdische Schauspieler hat in dem autobiografischen Film „Reste un peu“ 2022 seine „Liebe“ zu Maria und dem katholischen Glauben thematisiert – in Form einer Familienkomödie.
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Allerdings kann diese Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die katholische Kirche auch in Frankreich generell an Anziehungskraft verliert. Auch wenn das Hemmnis der Kirchensteuer hier keine Rolle spielt. Anders als in Deutschland sind im Nachbarland Staat und Kirche streng getrennt und die Kirche finanziert sich durch Spenden.
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Wurde im Jahr 2000 noch jedes zweite Baby in Frankreich getauft, war es 2024 nur noch jedes Dritte.
Und: Nur zwei bis vier Prozent der Franzosen gehen sonntags in die Messe. Wobei 33 Prozent der Kirchgänger älter als 75 Jahre sind.