Liebe Leserin,
lieber Leser,

vieles orientiert sich in Hamburg an den Bedürfnissen derer, die schon
lange hier leben – seit Jahren, Jahrzehnten, Generationen. Dafür gibt es gute
Gründe. Aber was ist mit denen, die nur ein paar Stunden hier sind?

„Wäre heute von 20.27 Uhr bis 22.08 Uhr am Hauptbahnhof“, schrieb mir am
Freitagnachmittag eine gute Freundin; „bist Du spontan?“ Ein beruflicher Termin
hatte sie in den Norden geführt, nun ging es mit dem Nachtzug zurück nach
Zürich.

Wir hatten uns ewig nicht gesehen, außerdem wusste ich, was für ein
barbarischer Ort der Hauptbahnhof um diese Zeit ist, also war ich pünktlich an
Gleis 13. Sie auch. Hallo, na, willkommen in Hamburg, haha, ja wie schön, wir
sagten, was man halt so sagt, dann beschlossen wir: Raus hier. Nur: Wohin? Was
tun?

Hungrig waren wir beide nicht, die Geschäfte hatten längst geschlossen, die
Vorstellung im Ohnsorg Theater lief schon, für einen Spaziergang an der Alster
war es deutlich zu frisch. Mir fiel ein, dass ich unlängst in einem der
umliegenden Hotels hervorragenden Pfefferminztee getrunken hatte, das schien
jetzt passend, es war wirklich affenkalt. Wir setzten uns also an der Bar, plauderten,
aßen doch noch was, dann war es 22 Uhr. Wir zahlten und brachen auf, aber am
Gleis stand kein Nachtzug nach Zürich, technische Störung, neue Abfahrtszeit:
in einer Stunde. Toll, und jetzt?

Ich hatte in der Nähe geparkt, wir fuhren
einmal um die Alster, zufällig war gerade Dom-Feuerwerk, es knallte und
glitzerte in der Ferne, wie schön. Wir kurvten durch die besseren Viertel,
parkten wieder, nur leider war auch um 23 Uhr noch immer kein Zug in Sicht. Neue
Abfahrtszeit: 23.38 Uhr. Oh, Mann. Wir gingen noch mal in die Hotelbar, der
sichtlich irritierte Kellner brachte eine neue Runde Pfefferminztee, dann
eilten wir zurück auf den Bahnsteig – neue Abfahrtszeit 0.08 Uhr. Ächz, na gut,
nächste Hotelbar. Dann zurück: neue Abfahrtszeit 0.38 Uhr. Wohin jetzt?
McDonald’s? Bahnhofsmission? Ein Info-Schalter war noch besetzt, während wir in
der Schlange standen, sprang die Abfahrtszeit auf 1.08 Uhr.

© ZON

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Wie ist das eigentlich, fragten wir uns bald: Gibt die Bahn in solchen
Fällen irgendwann auf? Und wie kommt es, dass der Hamburger Hauptbahnhof
Passagieren, die hier ankommen oder abfahren oder beides, so zielgenau das
Gefühl vermittelt, sie seien wirklich selbst schuld, ausgerechnet hierher zu
kommen? Für einen Ort, für den Ankommen und Abfahren (und damit auch Warten)
zum Kerngeschäft gehört, eine glatte Themaverfehlung.

Am Montag vermeldete das Statistikamt Nord die
neuen Tourismuszahlen für den Herbst 2025. Werden Übernachtungen, die wegen
stark verspäteter Nachtzüge unvermeidbar sind, eigentlich gesondert
ausgewiesen? Frage für eine Freundin.

Ich wünsche Ihnen einen
schönen Tag!

Ihr Florian Zinnecker

Wollen Sie uns Ihre Meinung
sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine
E-Mail an hamburg@zeit.de.

WAS HEUTE WICHTIG IST

Bei einem Hochhausbrand
in Mümmelmannsberg
ist eine 44-jährige Frau am Montag lebensgefährlich
verletzt worden. Der Brand ist den Angaben zufolge in einer Wohnung im vierten
Stock ausgebrochen. Der Notruf sei um die Mittagszeit eingegangen; wie ein
Sprecher mitteilte, wurden kurz nach 14 Uhr alle Bewohner des Hauses in
Sicherheit gebracht. Die Brandursache ist der Polizei nicht bekannt. Wenige
Stunden zuvor war in einer Dachgeschosswohnung in Schenefeld ein Feuer
ausgebrochen. Auch hier ist die Brandursache noch unklar, verletzt wurde
niemand.

© Christian Charisius/​dpa

Zum ersten Mal in seiner
Bundesliga-Geschichte hat der FC St. Pauli acht Spiele in Serie verloren.
„Das nächste Spiel ist gegen die Bayern. Das werden wir nicht hoch gewinnen“,
sagte Präsident Oke Göttlich nach dem 0:1 gegen den 1. FC Union Berlin am
Sonntag bei DAZN. Dem Trainer Alexander Blessin stärkte Göttlich demonstrativ
den Rücken. Dieser versuchte den Optimismus nicht zu verlieren: „Wir müssen
zusammen versuchen, den Karren aus dem Dreck zu hauen.“ Anpfiff gegen den FC
Bayern ist am Samstag um 15.30 Uhr.

Beim Neubau der
Berlinertordammbrücke im Osten Hamburgs
ist eine wichtige Etappe erreicht.
Der erste Teil der Querung soll am Donnerstag für den Autoverkehr freigegeben
werden. „Der Neubau liegt voll im Zeitplan“, teilte die Verkehrsbehörde mit.
Fußgänger und Radfahrer können ihn bereits seit Mitte des Monats nutzen. Die
Brücke verbindet die Innenstadt mit Hamburgs Osten. Sie führt über die
Bahngleise und die sechsspurige Straße Bürgerweide, die die B5 vom Horner
Kreisel mit der B75 zu den Elbbrücken verbindet. 

In aller Kürze

Der Weihnachtsmarkt
vor dem Hamburger Rathaus
ist eröffnet. Nach Angaben der Stadt besteht der
Weihnachtsmarkt aus rund 80 Buden und zieht Jahr für Jahr annähernd drei
Millionen Besucher an Der Mann, den zwei Kanufahrer am Sonntag tot
in der Alster gefunden
haben, war ein seit Tagen vermisster dementer
85-Jähriger, der in der vorigen Woche aus einem Pflegeheim verschwunden war

AUS DER HAMBURG-AUSGABE

© Philipp Meuser/​DIE ZEIT

„Wir schaffen das nicht allein“

Welche Folgen hat der Zukunftsentscheid für Airbus
in Hamburg? Deutschland-Chef André  Walter spricht im Interview über das Fliegen
mit Wasserstoff, künstliche Intelligenz und die Grenzen von Robotern. Die
Fragen stellte ZEIT-Autorin Kristina Läsker; lesen Sie hier einen Auszug aus
dem Interview.

DIE ZEIT: Hamburg pflegt sein Image als Hafenstadt. Dabei
ist die Luftfahrt hier ökonomisch viel wichtiger. Der Bau und die Wartung von
Flugzeugen und der Flugbetrieb bescheren der Region pro Jahr etwa 6,9
Milliarden Euro Wertschöpfung. Ärgert es Sie, dass trotzdem alle über den Hafen
sprechen und Ihre Branche viel weniger Aufmerksamkeit bekommt?

André Walter: Hamburg ist traditionell eine Hafenstadt. Darauf
sind wir nicht neidisch. Aber am Luftfahrtstandort hängen heute 48.000
Arbeitsplätze, mehr als ein Drittel stellt Airbus. Wir sind ein wichtiger Teil
der Hamburger Gesellschaft geworden, und wir wachsen weiter. Man kann froh sein
als Region, dass man an diesem Sektor beteiligt ist. Wir sind sogar ein
Tourismusmagnet.

ZEIT: Ach ja?

Walter: Bis zu 80.000 Menschen besichtigen unser Werk im
Jahr, und es werden immer mehr. Im Mai haben wir am Werkstor in Finkenwerder
das „Elbair“ eröffnet – ein Besucherzentrum mit einem Hotel, einem Restaurant
und einem Supermarkt. Das hilft auch den mehr als 20.000 Menschen, die auf dem
Firmengelände arbeiten.

ZEIT: Hamburg ist der drittgrößte Luftfahrtstandort der
Welt, wie konnte das gelingen?

Walter: Es gibt in der Region schon seit Langem Menschen,
die sich mit Flugzeugbau auskennen. Bereits in den Dreißigerjahren wurden auf
der Werft Blohm & Voss Flugboote entwickelt. Ende der Fünfzigerjahre baute
Hamburg seine Luftfahrtindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf. 1969
siedelte sich Airbus an. Heute ist das Werk in Finkenwerder der größte deutsche
Airbus-Standort mit mehr als 30 Hallen.

ZEIT: Airbus hat
Werke in Augsburg, Stade, Buxtehude, Varel, Nordenham und Bremen sowie in
vielen Städten in Frankreich, Großbritannien und Spanien. Was geschieht in
Finkenwerder?

Walter: In Hamburg
holen die Kunden ihre Flugzeuge ab. Wir machen hier die Endmontage für die
Maschinen der A320-Familie. Die hinteren Rümpfe fertigen wir selbst, der Rest
wird geliefert. Die Cockpits und vorderen Rümpfe etwa baut Airbus in
Frankreich, die Flügel kommen aus Wales, die Seitenleitwerke aus Stade.

Wie sich die vorgezogenen Klimaziele auf die Arbeit von
Airbus auswirken, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.

DER SATZ

© [M] Olaf Krostitz/​Die Linke

„Wir wurden ja wirklich schon totgesagt“

Seit einem
Jahr führt Ines Schwerdtner die Linkspartei. Im Arbeitspodcast „Frisch an die
Arbeit“ erzählt die in Hamburg aufgewachsene Politikerin, wie sie ihre Partei
populär machen will – und wie sie den Stress los wird.  

DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN

Eine Königin auf der
Suche nach neuen Kleidern: Alle Besucher des Mitmach-Märchens Fashion-Liesel im Fundus Theater sind
eingeladen, für die riesige Strickliesel-Königin neue Klamotten zu kreieren.
Jeder Besucher bekommt eine Strickliesel und kann gemeinsam mit den anderen an
etwas Neuem arbeiten. Nebenbei stellen sich Fragen nach Nachhaltigkeit, Spaß an
der Arbeit – und muss man überhaupt alle Wünsche der Königin erfüllen?

„Fashion-Liesel“, 27. bis 30. November, Fundus Theater,
Platz der Kinderrechte, Sievekingdamm 3; weitere Infos
und Tickets hier

MEINE STADT

Deichtorhalle, aus dem Dunklen ins Lichte © Heike Schröder

HAMBURGER SCHNACK

Im Stopp-and-Go-Verkehr abends auf der
Amsinckstraße stadtauswärts. Es regnet in Strömen. Plötzlich hupt es mehrfach
schräg hinter mir. Ich lasse mein Fenster runter und sehe ein Fahrzeug mit
geöffnetem Beifahrer-Fenster. Der Fahrer ruft aufgeregt und verzweifelt:
„Bratwurst-Schorsch! Hamburger Dom! Wo geht’s lang!?“ – „Oh“, antworte ich, „da
müssen Sie wieder zurück in die Stadt rein“, und zeige ihm grob die Richtung
an. Die Beifahrerin sagt ganz entspannt: „Na, dann dauert’s ja wohl noch ein
bisschen bis zum Abendbrot!“

Erlebt von Katja Fülscher

Das war die Elbvertiefung, der tägliche
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