Die Landeshauptstadt bereite in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart eine Allgemeinverfügung für das Naturschutzgebiet vor. „Die rechtliche Einordnung des Eichenhains als ,freie Landschaft’ führt dazu, dass abseits offizieller Wege keine Verkehrssicherung mehr notwendig ist“, teilt die Verwaltung mit. Will heißen: Die Stadt als Eigentümerin der Fläche haftet nicht, wenn beispielsweise jemandem ein Ast auf den Kopf fällt. Zur Erklärung heißt es, dass von der Natur ausgehende Gefahren in der freien Landschaft dem allgemeinen Lebensrisiko unterlägen.
Um den beliebten Eichenhain in Stuttgart gab es monatelang Streit
Das ist deswegen wichtig zu wissen, weil ein Team des städtischen Garten-, Friedhofs- und Forstamts vor ziemlich genau einem Jahr Schäden an den jahrhundertealten Eichen festgestellt hat. Äste seien unsicher und drohten abzubrechen, manche Bäume seien sogar komplett sturzgefährdet. Die Absperrungen waren daher als Vorsichtsmaßnahmen aufgebaut worden.
Astbruch stellt eine Gefahr für Spaziergänger dar. (Symbolbild) Foto: imago/Steffen Unger
Monatelang hatte es deswegen Zoff gegeben. Viele, die die Stadt schützen wollte, wollten nämlich gar nicht geschützt werden. Die Zäune wurden vielmehr regelmäßig mutwillig zerstört. Manche Person störte sich an der neuen Ästhetik in der Idylle, manche fühlte sich gegängelt. „Eiskalte Freiheitsbeschränkung“ oder „extrem besucherfeindlich“ hieß es in den zahlreichen Mails an unsere Redaktion.
Künftig gilt also offiziell: Betreten des Eichenhains auf eigene Gefahr. „Dieses Recht schafft einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach Naturerlebnis und dem Schutz von Landschaft und biologischer Vielfalt“, die aufwendige technische Sicherung einzelner Bäume oder größerer Gehölzbereiche sei nicht mehr erforderlich. Man werde im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht weiterhin dafür sorgen, dass von erkennbaren Gefahren entlang der Hauptwege, Bankplätze sowie am Elly-Heuss-Knapp-Denkmal keine unverhältnismäßigen Risiken ausgingen. „Eine vollständige Sicherheit kann jedoch nicht gewährleistet werden.“
Die gelben Schilder im Eichenhain bleiben – fehlende Exemplare will die Stadt Stuttgart sogar ersetzen
Die neue Regelung soll Anfang 2026 in Kraft treten, wann genau die Zäune entfernt werden, ist aber noch unklar. Was allerdings auf jeden Fall bleiben wird, sind die gelben Piktogramme und Schilder, die das Regierungspräsidium im Sommer zur Besucherlenkung aufgestellt hat. „Soweit Schilder oder ähnliches entwendet oder beschädigt wurden, werden diese ersetzt“, heißt es von dort.
Die Schutzgebietsverordnung gilt weiterhin. Dazu gehört, dass nicht erlaubt ist, die Bereiche abseits zugelassener Wege zu betreten. Hunde dürfen nicht ohne Leine laufen, ebenso sind Kinderspiele, Picknicks oder Fahrräder auf Trampelpfaden untersagt. Schilder weisen vor Ort darauf hin.
Stadt Stuttgart appelliert an Besucher des Eichenhains in Sillenbuch – und hält sich eine Hintertür offen
„Das Gebiet dient primär dem Erhalt einer hohen Artenvielfalt. Besonders prägend sind die alten Eichenbestände, Hainbuchenhecken, Ufergehölze sowie die empfindlichen Magerrasen- und Wiesenflächen, die dem Eichenhain seinen einzigartigen Charakter verleihen“, teilt die Stadt mit. Auch nach Erlass der Allgemeinverfügung werde das Gebiet daher regelmäßig überwacht. Kontrollen seien ein wichtiges Element zur Durchsetzung der Allgemeinverfügung.
Und eine Tür hält sich die Stadt entsprechend offen: Bei Bedarf könnten wieder Zäune errichtet werden, falls es für den Schutz von naturschutzfachlich besonders hochwertigen Teilflächen erforderlich sei. „Wenn sich die Besucherinnen und Besucher an die Betretungsverbote und die Leinenpflicht halten, werden – mit Ausnahme von Weidezäunen – Zäune dauerhaft entbehrlich.“