Kirill Dmitrijew (Archivbild: 20. Juni 2025)

Stand: 26.11.2025 05:08 Uhr

Bei den Verhandlungen über ein Abkommen zum Kriegsende in der Ukraine spielt der russische Gesandte Dmitrijew eine zentrale Rolle. Er soll die erste Version des Vertrags trickreich durchgestochen haben. Wer ist dieser Mann?


Björn Blaschke

Die hohe Stirn glatt, das weiße Haar gescheitelt, die Brille schlicht; dunkler Anzug, Hemd, bei halboffiziellen Anlässen auch ohne Krawatte – so ist Kirill Dmitrijew in Russland bekannt. Auf internationalem Parkett tritt er ebenfalls selbstsicher auf; je nach Anlass formal oder leger, jedenfalls weltgewandt.

Als der 50-Jährige zum Beispiel kürzlich im Gespräch mit Lara Logan war, einer aus Südafrika stammenden Journalistin, die in den USA ihre eigene, bisweilen fundamentalistisch-christliche Show produziert, erklärte er fast überheblich, warum er fließend Englisch spricht: „Weil ich in den USA erzogen wurde. Ich habe einen einzigartigen Hintergrund. Und ich kann die USA und Russland zusammenbringen.“

Viele Verbindungen in die USA

Dmitrijew kam 1975 zur Welt – in der Ukraine, die seinerzeit noch zur Sowjetunion gehörte. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges zog er zeitweilig zu einer Gastfamilie in den USA, besuchte eine Highschool. Später absolvierte Dmitrijew die Elite-Universitäten Stanford und Harvard, arbeitete als Wirtschaftswissenschaftler unter anderem für die Bank Goldman Sachs und die Unternehmensberatung McKinsey.

Im Jahr 2000 kehrte er endgültig nach Russland zurück und wurde 2011 Direktor des staatlichen Russischen Direktinvestitionsfonds. Mit ihm sollen internationale Investitionen in Russland gefördert werden. Im Laufe der Zeit gewann Dmitrijew das Vertrauen von Wladimir Putin, wurde dessen Berater in Finanzfragen – und sein Fan. Das habe er mit seinen Mitmenschen in Russland gemeinsam, lobt Dmitrijew öffentlich seinen Präsidenten: „Die Menschen lieben ihn.“

Putin vertraut Dmitrijew seit vielen Jahren – und schickt ihn offenbar schon länger für Gespräche mit Trumps Umfeld ins Ausland.

Ideologisch fest an Putins Seite

Auf internationaler Ebene schätzen Putin und Dmitrijew Indien, China und die arabische Welt als Handelspartner. Auf regionaler Ebene behauptet Dmitrijew wie Putin, die „militärische Spezialoperation“, wie Moskau den Krieg in der Ukraine nennt, sei notwendig. Die dortigen russischsprachigen Menschen hätten geschützt werden müssen. Außerdem sei ihnen die NATO zu nahe gekommen.

Als russischer Patriot hängt Dmitrijew demselben Weltbild an wie Putin. Lara Logan sagte er: „Das ist eine Welt, in der es Männer und Frauen gibt, mit einem Fokus auf die Familien, christliche Werte. Das ist sehr wichtig. Und er (Putin) spricht sich seit langem gegen die Lügen der Wokeness aus. Genau wie Präsident Trump.“

Das Witkoff-Pendant

Schon nach Donald Trumps erstem Wahlsieg soll Dmitrijew Teil russischer Bemühungen gewesen sein, einen Gesprächskanal zu der neuen Administration aufzubauen – so berichtete es 2019 der Mueller-Report, der Versuche analysieren sollte, die US-Präsidentschaftswahl von 2016 zu beeinflussen. Nachdem Trump 2025 seine zweite Amtszeit angetreten und Steve Witkoff zu seinem Sondergesandten ernannt hatte, machte Putin Dmitrijew sozusagen zu seinem Witkoff; zum Mann für „besondere Aufgaben“.

Dmitrijew soll Russland und die USA wieder näher bringen. Vergangenen Monat sagte er beim Forum „Future Investment Initiative“ in Saudi-Arabien selbstsicher:

Wir glauben daran, dass, wenn wir erst die politischen Fragen mit den USA geklärt haben, auch das amerikanische Business zurückkommt nach Russland. Das europäische Business wird dem amerikanischen folgen und wird dabei helfen, Europa vor einem zivilisatorischen Selbstmord zu retten, indem es einen Zugang zum russischen Markt bekommt.

Große Pläne und Ambitionen

Bisweilen denkt Dmitrijew in ganz großen Dimensionen. Erst vor kurzem verbreitete er einen Plan zu einem Tunnel, der Russland und die USA verbinden könnte. Manche Kreise handeln Dmitrijew mittlerweile gar als möglichen Nachfolger von Außenminister Sergej Lawrow, der als amtsmüde gilt.

Für dessen Nachfolge könnte Dmitrijew jedoch eines fehlen: Er mag zwar einen hervorragenden akademischen und beruflichen Werdegang aufweisen, aber die für Russland typische Karriere im Außenministerium fehlt ihm; die „Hohe Schule der Diplomatie“. Und doch muss das in Putins Russlands nichts heißen – denn die Entscheidungen fällt dort am Ende immer noch der Präsident.