Anton und Laurin sind da schon seit Jahren mittendrin. Wenn die beiden Jungen über ihr Leben im Windsbacher Knabenchor spricht, hat man das Gefühl, in eine kleine, pulsierende Parallelwelt einzutauchen – einen Ort, an dem Musik Alltag ist, Gemeinschaft Halt gibt und das Erwachsenwerden zwischen Probenräumen, Schulstress und Konzerten stattfindet.
Anton, 13 Jahre alt und aus Pappenheim, findet sofort Worte, die man in dieser Klarheit von einem so jungen Sänger nicht zwingend erwartet: „Man erlebt viel. Man hat eine starke Gemeinschaft, die zusammenhält, und die Leute wachsen einem ans Herz.“ Laurin, seit neun Jahren im Chor, heute 18 und kurz vor dem Abitur, nickt: „Es gibt schwere Phasen, aber dann ist es nicht nur die Musik, sondern auch die Gemeinschaft. Mit den Leuten, mit denen ich in der Klasse bin, lebe ich seit neun Jahren zusammen – das ist ganz anders als eine normale Schule.“
Dass diese Gemeinschaft funktioniert, liegt nicht nur an der Musik. Es gibt ein System, das Nähe und Verantwortung bewusst fördert: die sogenannten Tourneefamilien. „Da ist immer eine Männerstimme und eine Knabenstimme zusammen – wie großer und kleiner Bruder“, erklärt Laurin. „Und das ist nicht nur auf Reisen so. Wenn meine Knaben ein Problem haben, kommen die auch hier in Windsbach zu mir.“ Wenn er darüber spricht, was nach dem Abitur kommt, leuchten seine Augen kurz: „Ich möchte Chorleiter werden. Erst ein FSJ in Windsbach, dann ein Musikstudium.“ Zwei pro Jahrgang seien es vielleicht, erzählt er, die hauptberuflich bei der Musik bleiben. Aber fast alle Windsbacher bleiben ihr zumindest verbunden.
Mehrmals täglich füllen Musik und Proben den Campus. Selbst wenn ein langer Schultag hinter ihnen liegt – die meiste Zeit ist ihnen die Musik Ausgleich. „Wenn es mir nicht so gut geht, geht es mir nach der Probe meistens besser“, sagt Laurin. Dazu kommen Instrumente: Im Musikzweig ist Unterricht verpflichtend, alle anderen werden ermutigt, ebenfalls eins zu lernen. „In vielen Häusern stehen Klaviere“, erklärt Anton. „Manchmal üben die Leute bis zehn oder halb elf, und man findet kaum noch einen freien Raum.“
Anton erzählt offen: „Ich wollte nie allein sein.“ Gemeinschaft ist für ihn keine Floskel, sondern gelebte Erfahrung. Wer im Internat lebt, lebt nicht nur Seite an Seite, sondern wächst miteinander. Man liebt sich, streitet sich, wächst über Unterschiede hinweg. Und genau das trägt die Musik.
Ein Windsbacher wird nicht einfach älter – er mutiert. Jedenfalls nennt man die Stimmbruchgruppe im Chor intern so: Mutantenstadel. „Das ist die Gruppe für die, deren Stimme sich gerade verändert, sagt Laurin schmunzelnd. „Und danach kommt man zu den Männerstimmen.“ Doch dieser Schritt ist kein reiner Wechsel im Notenbild. „Man ist als ältester Knabe oft der Erfahrendste, führt die Stimmgruppe an. Und plötzlich fängt man wieder von vorne an. Man ist der Jüngste in den Männerstimmen und muss das Singen neu lernen.“
Wenn im Advent das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach ansteht, strahlen auch die beiden Jungs. Anton sagt schlicht: „Das gefällt mir sehr.“ Laurin ergänzt lachend: „Ich singe das besonders gern, weil es manchmal so schön ‚scheppert‘.“