Doppelhaushalt 2026/27: Wo soll in Stuttgart in der Kultur gespart werden? Auf Vorschlag von Grünen und CDU soll im Kulturbereich vor allem bei den Festivals gespart werden – auch das Colours-Tanzfestival wäre betroffen (im Bild eine Szene aus der Gauthier-Dance-Festival-Produktion „Kamuyot“) Foto: Jeanette Bak

Stuttgart muss sparen – auch in der Kulturförderung. CDU und Grüne im Gemeinderat haben eigene Vorschläge entwickelt. Was steht drin?

Die Zahl kann beeindrucken: Zwischen 2014 und 2025 hat sich die jährliche Kulturförderung in Stuttgart von 22 Millionen Euro auf 49 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Auch, wenn man alle Negativvorzeichen von gestiegenen Personalkosten, gestiegenen Mietkosten und deutlicher Inflation hinzurechnet, bleibt für die vergangenen zehn Jahre ein klares Bekenntnis des Stuttgarter Gemeinderates und der Stadtspitze zum Kulturstandort Stuttgart.

Stuttgarts Kulturszene mit Existenzsorgen

Aktuell ist vom Stolz der hiesigen Kulturschaffenden allerdings kaum mehr etwas zu spüren. Sorgen dominieren. Zukunftssorgen und durchaus auch bereits aktuelle Existenzsorgen. Grund sind die laufenden Beratungen über den Doppelhaushalt 2026/2027 – mit der zwingenden Vorgabe, in allen Aufgabenfeldern der Stadt den Rotstift anzusetzen. Stuttgart muss sparen. Hart sparen. Nur so, heißt es, lässt sich das absehbare Defizit von bis zu 300 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren noch abfedern.

Gerungen wird in allen Bereichen – auch in der Kultur. Wobei es „die Kultur“ eigentlich gar nicht gibt. Die gern gerühmte Vielfalt künstlerischer Äußerungsformen bringt auch ganz unterschiedliche Darstellungs- und Organisationsformen mit sich – und richtet sich an sehr unterschiedliche Zielgruppen. Diese Vielfalt ist auch der Förderung abzulesen – als ständiger Balanceakt zwischen den Sparten und den Größen der geförderten Gruppen und Einrichtungen. Dies gilt nun, da es an als notwendig erachtete Kürzungen geht, um so mehr. Welches Szenario also kann man entwickeln, wenn man nicht auf die klare Herangehensweise von 2009 zurückgreifen will? Um generell 20 Prozent wollte seinerzeit die damalige Stuttgarter Kulturbürgermeisterin und spätere baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann die Zuschüsse kürzen. Erhebliche Proteste und Aktionen wie der Straßenumzug „Art Parade“ sorgten seinerzeit für eine Rücknahme der Kürzungen auf generell zehn Prozent.

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Aus Sicht der Fraktionen von CDU und Grünen im Stuttgarter Gemeinderat wäre eine solch erneut generelle Kürzung der falsche Weg. In einem gemeinsamen Antrag zu den laufenden Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2026/2027 versuchen sie aus ihrer Sicht vielmehr, dem Schatz der Vielfalt des Kulturlebens in Stuttgart gerecht zu werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dies: „Die von der Finanzverwaltung erwarteten Einsparungen in Höhe von 11,5 Millionen Euro für 2026 und neun Millionen Euro für 2027 sind für den Kulturbereich angesichts gestiegener Personalkosten, hoher Energiepreise und einer immer noch spürbaren Inflationsrate nicht leistbar und würden die lebendige und vielfältige Kulturlandschaft unserer Stadt gefährden.“ Stattdessen beantragen CDU und Grüne, „die auch im Kulturbereich notwendigen Einsparungen in den kommenden beiden Jahren auf jeweils fünf Millionen Euro zu begrenzen“. Was also schlagen CDU und Grüne konkret vor?

  • Für die Kulturförderung, die im sogenannten Deckungsring abgebildet ist, soll es eine Kürzung von 1,835 Millionen Euro im Jahr 2026 und 1,878 Millionen Euro im Jahr 2027 geben. Der Deckungsring meint institutionelle Förderung, Projektförderung, eigene Projekte der Stadt und Kooperationen sowie Stipendien und Preise. Wichtig: Anteilige Zuschüsse der Stadt für die Staatstheater Stuttgart, das Linden-Museum oder auch die Erinnerungs- und Gedenkstätte Hotel Silber sind nicht im sogenannten Deckungsring enthalten.
  • Zuschussempfänger, die 20 000 Euro und weniger Förderung im Jahr von der Stadt erhalten (139 von aktuell 320 Zuschussempfängern), sollen von der pauschalen Kürzung ausgenommen sein.
  • Spürbar gekürzt werden sollen nach Vorstellung von CDU und Grünen die Gelder für Festivals. So soll etwa für das Stuttgarter Literaturfestival 2026 der komplette Zuschuss von 225 000 Euro entfallen. Die Zuschüsse für das Kinder- und Jugendtheaterfestival Schöne Aussicht sollen von 96 000 Euro jährlich auf 19 200 Euro jährlich sinken. Auch das als Branchentreff etablierte Festival About Pop ist betroffen – von jährlich 150 000 Euro soll es dort auf 30 000 Euro pro Jahr heruntergehen. Auffallend schließlich die Zahlen für das experimentierfreudige Musikfestival Eclat: Hier sind statt 222 000 Euro jährlich 44 000 Euro jährlich angesetzt.
  • Viele Fragen dürften sich aus dem Vorschlag ergeben, bei der Freien Tanz- und Theaterszene – nimmt man das verbindende Festival Freischwimmen im Theater Rampe hinzu – 32 Prozent einzusparen. CDU und Grüne setzen auf einen Ausgleich durch noch stärkere Kooperation der Freien Szene und der Stadttheater.
  • Thematisch auffallend in den Vorschlägen von CDU und Grünen ist auch dies: Wegfallen soll die Förderung für den Internationalen Kulturaustausch (23 200 Euro) und Kulturprojekte des Institut Français Stuttgart (15 000) Euro).
  • Verabschieden soll man sich nicht nur vom Stuttgarter Literaturfestival, sondern auch von diesen Literaturthemen: Literatur-Spaziergänge, Projektförderung Literatur + Philosophie, Hannsmann-Poethen-Literaturstipendium, Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis sowie Literaturstipendium.
  • Größter Einzelposten im Feld der Bildenden Kunst ist das beabsichtigte Aus für die Förderung der Freien Kunstschule Stuttgart. Hier sollen die jährlich 257 700 Euro komplett wegfallen.
  • Überraschungen gibt es aber auch außerhalb des sogenannten Deckungsrings. Erhebliche Kürzungen etwa kämen nach den Plänen von CDU und Grünen auf die Staatstheater Stuttgart mit Oper, Ballett und Schauspiel zu – jährlich 2,5 Millionen Euro.

Wie geht es weiter? Am 8. Dezember wird im Stuttgarter Gemeinderat in zweiter Lesung über den Doppelhaushalt 2026/2027 beraten, am 19. Dezember in dritter und entscheidender Lesung. Über die konkreten Einsparungen im Kulturbereich aber wird weiter debattiert werden, was die Situation für viele Kulturschaffenden zusätzlich erschwert. Planungssicherheit ist für das gerne geforderte Einwerben von Drittmitteln unverzichtbar.