Der US-Sondergesandte Steve Witkoff hat einem Medienbericht zufolge einem Kreml-Berater Ratschläge gegeben, wie der russische Staatschef Wladimir Putin dem US-Präsidenten Donald Trump ein Ukraine-Abkommen vorschlagen sollte.
Dies geht laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg aus dem Transkript eines Telefonats (hier im Original nachzulesen) zwischen Witkoff und dem Kreml-Berater Juri Uschakow vom 14. Oktober hervor.
Das Telefonat fand statt, als Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ihre Arbeit an dem umstrittenen 28-Punkte-Plan für ein Ende des Ukrainekriegs begannen, der vergangene Woche öffentlich wurde. Der Plan wurde als sehr russlandfreundlich eingestuft: Er forderte zum Beispiel von der Ukraine bedeutende territoriale Zugeständnisse und die Zusage, nicht der Nato beizutreten.
Trumps Ukraine-Friedensplan Rekonstruktion eines diplomatischen Desasters
Laut dem Transkript, über das Bloomberg berichtet, sagte Witkoff während des Gesprächs, er glaube, dass Russland – das im Februar 2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte – „immer einen Friedensdeal gewollt“ habe. Witkoff äußerte demnach zudem „den tiefsten Respekt für Präsident Putin“ und zeigte großes Verständnis für Russlands Positionen.
Witkoff riet Uschakow, Putin solle Trump in einem Telefonat für die Waffenruhe im Gazastreifen loben – am besten noch vor einem für den 17. Oktober vorgesehenen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus.
Der US-Sondergesandte schlug weiter vor, einen 20-Punkte-Friedensplan für die Ukraine zu erstellen, „so wie wir es für Gaza getan haben“. Er wisse, was dafür nötig sei, fuhr Witkoff fort: „Donezk und ein Gebietsaustausch irgendwo“, erklärte er mit Blick auf die von Russland beanspruchte Region im Osten der Ukraine flapsig.
Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem Berater Juri Uschakow.
© IMAGO/SNA/Pavel Bednyakov
Erst ein freundliches Telefonat mit Putin, dann ein harsches Treffen mit Selenskyj
Das Telefonat zwischen Trump und Putin fand dann tatsächlich am 16. Oktober statt, just zu einer Zeit, in der Trump sich sehr kritisch gegenüber Putin äußerte und sogar überlegte, der Ukraine weitreichende Tomahawk-Raketen zur Verfügung zu stellen.
Das mehr als zwei Stunden dauernde Gespräch mit Putin drehte Trumps Stimmung offenbar deutlich. Der US-Präsident bezeichnete es als „sehr produktiv“. Den angedachten Tomahawk-Lieferungen erteilte er bei Selenskyjs Besuch eine Absage. Der ukrainische Präsident sah sich laut Medienberichten außerdem mit einem Wutanfall Trumps konfrontiert, der Landkarten vom Tisch wischte, die Selenskyj mitgebracht hatte, um die Lage an der Front zu erklären.
Hier lesen Sie Auszüge aus dem Telefonat zwischen Witkoff und Uschakow
[Telefon klingelt]
Steve Witkoff: Hallo Juri.
Juri Uschakow: Ja, Steve, hallo, wie geht es dir?
W: Gut, Juri. Wie geht’s? (…)
W: Hör mal zu. Ich werde dir etwas sagen. Ich glaube, wenn wir die Russland-Ukraine-Sache lösen können, werden alle vor Freude in die Luft springen. (…)
U: Mein Freund, ich möchte nur deinen Rat. Glaubst du, dass es hilfreich wäre, wenn unsere Chefs miteinander telefonieren würden?
W: Ja, das glaube ich.
U: Und wann könnte das möglich sein?
W: Ich glaube, sobald du es vorschlägst, ist mein Mann („my guy“ – gemeint ist Donald Trump) dazu bereit.
U: Ok, ok.
W: Juri, Juri, ich würde Folgendes tun. Das ist meine Empfehlung.
U: Ja, bitte. (…)
W: Ich würde den Anruf tätigen und einfach noch einmal wiederholen, dass ihr dem Präsidenten (Trump, Anm. d. Red.) zu dieser Leistung gratuliert, dass ihr sie unterstützt habt, dass ihr ihn unterstützt, dass ihr ihn als Mann des Friedens respektiert und dass ihr einfach nur froh seid, dass es dazu gekommen ist. Das würde ich sagen. Ich denke, das wäre ein wirklich guter Anruf. Weil – lass mich dir sagen, was ich dem Präsidenten (Trump, Anm. d. Red.) gesagt habe. Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass ihr – dass die Russische Föderation schon immer ein Friedensabkommen wollte. Das ist meine Überzeugung. Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass ich das glaube. Und ich glaube, die Frage ist – das Problem ist, dass wir zwei Nationen haben, denen es schwerfällt, einen Kompromiss zu finden, und wenn wir das tun, werden wir ein Friedensabkommen haben. Ich denke sogar, dass wir vielleicht einen 20-Punkte-Friedensvorschlag ausarbeiten sollten, so wie wir es in Gaza getan haben. Wir haben einen 20-Punkte-Plan von Trump zusammengestellt, der 20 Punkte für den Frieden enthielt, und ich denke, vielleicht sollten wir das Gleiche mit euch tun. Mein Punkt ist folgender …
U: Ok, ok, mein Freund. Ich denke, genau diesen Punkt könnten unsere Staatschefs diskutieren. Hey Steve, ich stimme dir zu, dass er (Putin, Anm. d. Red.) gratulieren wird, dass er sagen wird, dass Herr Trump ein echter Friedensmann ist und so weiter. Das wird er sagen. (…)
W: Hör mir zu. Ich möchte nur, dass du das vielleicht Präsident Putin sagst, denn du weißt, dass ich Präsident Putin zutiefst respektiere.
U: Ja, ja.
W: Vielleicht sagt er zu Präsident Trump: Wissen Sie, Steve und Juri haben einen sehr ähnlichen 20-Punkte-Plan (zu dem in Gaza, Anm. d. Red.) für den Frieden diskutiert, und das könnte etwas sein, von dem wir glauben, dass es die Situation ein wenig verändern könnte. Wir sind offen für solche Dinge – um zu erkunden, was nötig ist, um ein Friedensabkommen zu erzielen. Nun, ich weiß, was nötig ist, um ein Friedensabkommen zu erzielen: Donezk und vielleicht ein Landtausch irgendwo. Aber ich sage, anstatt so zu reden, sollten wir hoffnungsvoller sein, denn ich glaube, dass wir hier zu einer Einigung kommen werden. Und ich denke, Juri, der Präsident wird mir viel Spielraum und Entscheidungsfreiheit geben, um zu einer Einigung zu kommen.
U: Ich verstehe …
W: Und noch etwas: Selenskyj kommt am Freitag ins Weiße Haus.
U: Das weiß ich. [lacht leise]
W: Ich werde zu diesem Treffen gehen, weil sie mich dort haben wollen, aber ich denke, wenn möglich, sollten wir vor diesem Treffen am Freitag mit deinem Chef telefonieren.
U: Vorher, vorher – ja?
W: Richtig.
U: Ok, ok. Ich habe deinen Rat verstanden. Ich werde das mit meinem Chef besprechen und mich dann wieder bei dir melden, ok?
W: Ok, Juri, wir sprechen uns bald.
U: Super, super. Vielen Dank. Danke.
Quelle: bloomberg.com
Witkoff und Kushner sammelten in den Wochen nach dem Telefonat zwischen Witkoff und Uschakow Vorschläge der Russen und in geringerem Umfang auch der Ukrainer. In Miami gab es über drei Tage verteilt Treffen zwischen Witkoff, Kushner und dem russischen Unterhändler Kirill Dmitriew. Dmitriew, ein russischer Geschäftsmann, und Kushner kennen sich laut Medienberichten gut. Eines der Treffen soll sogar im Haus von Witkoff stattgefunden haben. Auch die Ukrainer waren wohl in die Entstehung des 28-Punkte-Friedensplans eingebunden, allerdings in geringerem Maße.
Die russischen Berater Uschakow und Dmitriew standen in dieser Zeit offenbar in engem Kontakt. Bloomberg hat auch ein Telefonat zwischen ihnen veröffentlicht (hier nachzulesen), das am 29. Oktober stattfand. „Ich denke, wir werden dieses Papier über unsere Position erstellen, und ich werde es informell in Umlauf bringen“, sagte Dmitrijew demnach. „Ich glaube nicht, dass sie unsere Version genau so übernehmen werden, aber zumindest wird es so nah wie möglich dran sein“, fuhr er fort, offenbar in Anspielung auf US-Vertreter.
Neuer Friedensvorstoß von Trump Das ist der 28-Punkte-Plan für die Ukraine im Wortlaut
Tatsächlich war es Dmitrijew, der kanpp zwei Wochen später den endgültigen 28-Punkte-Plan an das US-Nachrichtenportal „Axios“ durchstach. „Axios“ berichtete am vergangenen Dienstag erstmals über die Existenz des Plans und „Geheimverhandlungen“ zwischen Russland und den USA. Laut aktuellen Medienberichten war das Papier, über das Uschakow und Dmitrijew in ihrem Telefonat sprachen, Grundlage für den 28-Punkte-Plan. Der Inhalt des besagten russischen Papiers ist bisher unbekannt.
Der ursprüngliche 28-Punkte-Plan ist nach Verhandlungen von US-Vertretern mit Ukrainern und Europäern am Wochenende in Genf um einige besonders russlandfreundliche Punkte reduziert worden. Vor allem über die möglichen Gebietsabtretungen der Ukraine soll noch einmal extra verhandelt werden. Ob Moskau den Plan nun noch als Verhandlungsgrundlage akzeptiert, ist fraglich.
28 Punkte ganz im Sinne Russlands Wenn Dilettantismus und Desinteresse brandgefährlich werden
Den Vorwurf zu den Gebietsabtretungen wies Trump am Dienstag zurück. „Letztlich ist das Gebiet, das in den nächsten Monaten ohnehin von Russland erobert werden könnte“, sagte er an Bord der Präsidentenmaschine „Air Force One“. Die Entwicklung bewege sich „nur in eine Richtung“ – womit er meint: zugunsten Russlands. Dennoch werde auch Moskau Zugeständnisse machen, nämlich „mit dem Kämpfen aufhören und kein weiteres Land mehr erobern“.
Kritik an Witkoff nach Bloomberg-Veröffentlichung
Die Veröffentlichung des Telefonmitschnitts sorgt selbst in Trumps eigener Partei für heftige Kritik. Der republikanische Kongressabgeordnete Brian Fitzpatrick sprach auf der Plattform X von „einem Riesenproblem“ und forderte ein Ende „geheimer Nebenkanäle“.
Parteikollege Don Bacon wurde noch deutlicher: Es sei „offensichtlich, dass Witkoff voll und ganz auf der Seite der Russen steht“, schrieb er. „Man kann ihm nicht zutrauen, diese Verhandlungen zu führen. Würde ein von Russland bezahlter Agent weniger tun als er? Er sollte entlassen werden.“
Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Steven Cheung, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP zu dem Bloomberg-Bericht, dieser beweise, dass Witkoff „fast jeden Tag mit Vertretern Russlands und der Ukraine spricht, um Frieden zu erreichen, was genau das ist, wofür Präsident Trump ihn ernannt hat“.
Trump selbst sagte am Dienstag zu Reportern, er habe die Aufzeichnung des Gesprächs nicht gehört. Er sprach aber von einer „ganz normalen Verhandlungsform“. Auf die Frage, ob er besorgt sei, dass Witkoff zu russlandfreundlich sei, ging Trump stattdessen auf die Opfer des Krieges ein.
Mehr zu den Ukraine-Friedensverhandlungen Europäer überarbeiten Trumps Ukraine-Plan „Ich glaube nicht, dass Putin einem neuen Entwurf zustimmt“ Zerrieben zwischen Korruptionsskandal und „Friedensplan“ Präsident Selenskyj kämpft um sein politisches Überleben Trumps „drone guy“ Daniel Driscoll Der US-Verhandler, der Selenskyj die schlechten Nachrichten überbringt
„Sehen Sie, dieser Krieg könnte noch Jahre andauern und Russland hat deutlich mehr Menschen, deutlich mehr Soldaten. Daher denke ich, wenn die Ukraine einen Deal machen kann, ist das eine gute Sache“, fuhr Trump fort. „Ich denke, es ist großartig für beide Seiten.“ (mit Agenturen)