In Deutschland ist es gar nicht so einfach, ein Lokal zu finden, in dem man ohne große Formalitäten richtig gut essen kann. Unser Autor ist am Museumsufer in Frankfurt fündig geworden – bei einem Mittagessen, das auch den Ansprüchen der besten Köche des Landes genügte.
Ein Restaurantbesuch kann beides sein: ein Jahres-Highlight, auf das man sich monatelang freut, oder ein spontanes Erlebnis. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mir lieber ist. Was ich aber sicher weiß: Viele meiner Kollegen aus der Spitzengastronomie lieben es, irgendwo ohne große Formalitäten richtig gut zu essen. Leider ist das in Deutschland nicht immer einfach. Frankfurt hat es gut: Neben dem Lokal meines Freundes Mario Lohninger gibt es das „Emma Metzler“ – das Restaurant des Museums für Angewandte Kunst am Schaumainkai.
Im Sommer war ich dort vor der diesjährigen Michelin-Gala zu Gast. Meine Frau hatte spontan mit Saskia Elverfeld – Ehepartnerin von Drei-Sterne-Koch Sven und selbst erfolgreiche Gastronomin in Wolfsburg – verabredet, dass wir möglichst entspannt etwas essen gehen. Ehe wir uns versahen, war unser Tisch auf 20 Personen angewachsen, darunter sieben Drei-Sterne-Köche. Keine einfache Crowd sollte man meinen.
Aber erstens waren wir bester Stimmung – wir saßen auf der schönen Terrasse des markanten Museumsbaus mit herrlichem Blick in den Park – und wollten es uns bei unserem spontanen Klassentreffen einfach gut gehen lassen. Zweitens (und viel wichtiger, denn bei schlechter Küche kippt die Stimmung bei uns schnell) waren wir in den Händen von Anton de Bruyn – und damit kulinarisch auf der sicheren Seite!
Der Mann weiß einfach, was er tut. Ausgebildet bei Wahabi Nouri im „Piment“ in Hamburg, hat er im „Steirereck“ in Wien und bei mir auf Schloss Berg gearbeitet. Wahabi, den ich noch aus der „Schwarzwaldstube“ kenne, hatte mich damals angerufen und de Bruyn als den besten Azubi empfohlen, den er je hatte. Und er hat nicht übertrieben!
Anton ist nicht nur hochsympathisch und angenehm im Umgang – er hat es auch am Herd richtig drauf: große Einsatzfreude, viel Liebe zum Detail. Ein Jahr war er bei mir, dann ist er durch die Welt gereist. Im „Clove Club“ in London – einem meiner absoluten Lieblingsrestaurants – hat er dann inhaliert, was er heute in Frankfurt als Koch und Inhaber umsetzt: kulinarische Spitzenqualität in Verbindung mit unkomplizierter Gastfreundschaft.
Blaufußhühner aus dem Odenwald
Im „Emma Metzler“ gibt es eine enge, schlichte Bestuhlung, farbenfrohes Design, blank gescheuerte Holztische, ein bunt gemischtes Publikum – und eine Neo-Bistro-Küche, die sich Handwerk, Regionalität, Nachhaltigkeit und kreative Offenheit auf die Fahnen geschrieben hat und diese Werte auch lebt. Das Sauerteigbrot wird selbst gebacken, Tiere werden „from nose to tail“ verarbeitet. Die Forellen kommen aus dem Taunus, die Blaufußhühner aus dem Odenwald, die Berkshire-Schweine vom Bauernhof im Vogelsberg.
Ich hatte eine wunderbare Lammbratwurst mit Kartoffelpüree, davor einen gegrillten Markknochen mit knuspriger Waffel, eine moderne Variante des Caesar Salad – und zum Schluss große, selbst gebackene Madeleines mit Crème Chantilly. Durch die Bank hervorragend! Mittags kostet hier kein Gericht mehr als 20 Euro, zwei Gänge gibt’s für unter 30. De Bruyns Motto: „Kochkunst und Finesse für alle“ – an sechs Tagen die Woche, durchgehend ab zwölf Uhr!
Was mir am besten gefällt: dass sich hier ein hochtalentierter Koch bewusst dagegen entscheidet, irgendwelchen Auszeichnungen hinterherzulaufen. Stattdessen führt er mit großem Einsatz, spürbarer Leidenschaft und wirtschaftlichem Verstand ein Alltagsrestaurant im besten Sinne. Ob an diesem Mittag im Juni die Drei-Sterne-Köche im Garten des „Emma Metzler“ oder ihr Gastgeber am Herd das bessere Vorbild für junge Köche wären – darüber müsste ich lange nachdenken.
Christian Bau kocht im „Victor’s Fine Dining“ in Perl-Nennig, das seit 20 Jahren mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist.