Kreativität entdecken

In der Ausstellung “Ex Nihilo” in der Kunsthalle Barmen treffen nicht nur Werke von renommierten Künstler:innen und Studierenden aufeinander, sondern auch zwei Biografien, die exemplarisch zeigen, wie künstlerische Wege verlaufen können. An diesem Abend berichteten Valerie Feldhaus und Julia Schade von ihrem Werdegang und ihrer Kunst. Der Beginn der Veranstaltung sollte die Bedeutung der Ausstellung selbst deutlich machen: Diese fand im zentralen Raum der Kunsthalle statt; zu sehen sind Arbeiten von Yeşim Akdeniz, Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf, und Friedrich von Borries‚ Diagramm „Methoden der Kunst“, das die Entstehung der Kunst beschreibt. Dies ist auch die zentrale Frage von „Ex Nihilo“: „Wir untersuchen, wie Kunst eigentlich entsteht. Muss man dafür kreativ sein? Oder ist „Kreativität“ ein Modewort, während das Machen etwas anderes ist? Die Ausstellung hinterfragt, wie man auf Ideen kommt und was man dafür braucht“, sagt Christoph Westermaier. Als passender Aufhänger für den Abend sind in diesem Raum auch fotografische Arbeiten von Studierenden der BUW zu sehen. Einige stammen von Valerie Feldhaus. Sie begann ihr Studium in Wuppertal im Jahr 2017 und nahm ab 2019 an den sogenannten „Campus Walks“ von Christoph Westermaier teil. Dabei geht es darum, die Umgebung wahrzunehmen, zu beobachten, sich treiben zu lassen – auch Promenadologie genannt. Treiben lassen und weiterziehen, dieses Thema steht für die beiden anwesenden Künstler:innen. Nach ihrem Bachelor-Abschluss bewarben sich Julia Schade und Valerie Feldhaus erfolgreich an der Kunstakademie Düsseldorf.

Von der Wissenschaft zur Kunst

Julia Schade wurde in die Klasse von Yeşim Akdeniz aufgenommen. Die Malerin unterrichtet in einer medial offenen Weise, in der Zeichnung, Objekt, Installation und Theorie nebeneinander gelehrt werden. Diese Offenheit kam Schade entgegen. Ihre Arbeiten – oft aus Zeichnung hervorgegangene Objekte – thematisieren Fragen von Zugehörigkeit, kulturellem Gedächtnis und Macht. In ihrer Abschlussarbeit beschäftigte sie sich mit mittelalterlichen Quellen und gesellschaftlichen Rollenbildern. Das Motiv des “Löffelbretts” – ein vormodernes Haushaltsobjekt, das jedem Familienmitglied einen festen Platz am Tisch zuwies – wurde für sie zum Symbol für soziale Ordnung, Machtverhältnisse und Ausschluss. In der Kunsthalle ist ihre Arbeit „The Black Tent of Childlessness“ zu sehen. Ihre Objekte sind oft monochrom, zurückgenommen in der Farbigkeit, formal reduziert – und dennoch voller Bedeutung. Der Ursprung ihrer Formen liegt meist in der Zeichnung; über Skizzen, Recherchen und Materialproben entwickelt sie eine Idee, die Erinnerung und Gegenwart verbindet. Dieser Ansatz lässt auf ihre erste Ausbildung schließen: „Vor dem Kunststudium habe ich Archäologie und Geschichte studiert. Diese Verbindung interessiert mich bis heute: Wie kann ich mit Objekten des kulturellen Gedächtnisses künstlerisch arbeiten – also auf eine Weise, die über das Wissenschaftliche hinausgeht oder es vielleicht sogar kommentiert?“, so Julia Schade. Ihre Zeit in Wuppertal beschreibt sie als geschützten Raum, der ihr half, eine künstlerische Sprache zu entwickeln. Besonders faszinierte sie der Begriff des “wilden Denkens” von Claude Lévi-Strauss. Ihre ersten Arbeiten waren meist zeichnerisch, oft angeregt durch Träume, die sie systematisch in einem Tagebuch festhielt. Es war eine Form des Forschens: „Ich ging von einem Traumbild aus, suchte dann nach Verbindungen – in Literatur, Kunst, Mythologie – und habe so Wissen quasi ‚gebastelt‘. Dieses magische Denken, dieses Vertrauen auf Intuition – zweifelsfrei ein Weg, Kunst zu erschaffen.“

Valerie Feldhaus erklärt ihr Werk „Gut gekaut ist halb verdaut“ – Foto: kb

Dokumentarisch erzählen

Valerie Feldhaus hingegen fand in Peter Piller ihren künstlerischen Mentor. Der Fotokünstler, selbst bekannt für seine Sammlung alltäglicher Bildarchive, regte sie an, das Intime, das Familiäre weiter zu erforschen. Besonders in ihrer Videoarbeit „Gut gekaut ist halb verdaut“, in der sie den Zahnersatz ihrer verstorbenen Großeltern bearbeitet, werden Ambivalenzen sichtbar. Feldhaus: „Sie sind etwas Körperliches, etwas Intimes, etwas zutiefst Persönliches. In dieser Handlung lag für mich ein Spiel aus Nähe und Distanz. Einerseits wollte ich mich dem Materiellen nähern, verstehen, was eigentlich übrigbleibt. Andererseits wollte ich mich emotional distanzieren, um die Trauer und den Verlust aushalten zu können.“

Valerie Feldhaus vor ihrem Werk „Gut gekaut ist halb verdaut“ – Foto: kb

Die Handlung wirkt steril und verstörend zugleich. Besonders hervorzuheben: Der Ton – Hämmern und Knirschen – wird zum emotionalen Träger. Auch frühere Arbeiten wie ihre fotografische Serie über ausgestopfte Tiere aus dem Nachlass ihres Großvaters zeigen ihren Zugang: archivieren, bewahren, gleichzeitig befragen. Jedes Tier war mit einer Geschichte verbunden, wurde porträtiert und mit kurzen Texten versehen. Daraus entstand ein künstlerisches Familienarchiv, das zwischen Dokumentation und Fiktion changiert – und dabei nicht nur ernst wirkt, sondern auch ihren Humor zeigt. In aktuellen und zukünftigen Arbeiten widmet sich Feldhaus den Themen Care-Arbeit, Barrierefreiheit und gesellschaftlicher Teilhabe, zeigt damit ein feines Gespür für Unsichtbares und schafft es, Soziales und Kunst zu verbinden – und den Bereich des Privaten in der Kunst hinter sich zu lassen.

Wuppertal als Fundament

Sowohl Julia Schade als auch Valerie Feldhaus begannen ihr Studium mit dem Ziel, Kunst zu lehren. Der Fokus der Bergischen Universität liegt klar auf der Ausbildung von Lehrkräften, was sich in einem systematisch aufgebauten Studium mit Modulen, Theorieanteilen und didaktischem Fokus zeigt. Im Gespräch wurde deutlich, wie sich die Ausbildungsansätze der beiden Institutionen unterscheiden. „In Wuppertal bekommt man eine solide Basis, fast wie einen Werkzeugkasten. Man lernt, strukturiert zu arbeiten, Inhalte zu reflektieren, sich theoretisch zu verorten. An der Kunstakademie dagegen lernt man, sich durchzusetzen, Kontakte zu knüpfen, sich in der Kunstwelt zu behaupten.“ Beides ist wichtig – aber eben sehr unterschiedlich, sagt Christoph Westermaier. Valerie Feldhaus beschreibt diesen Unterschied auch in der Art, wie über Kunst gesprochen wird: Während in Wuppertal analytisch und reflektiert argumentiert werde, sei die Kommunikation in Düsseldorf direkter, körperlicher, performativer. Es geht nicht nur um Inhalte, sondern auch um Auftreten, Haltung, Ästhetik. Beide Wege führen zu bemerkenswerten Ergebnissen.

Julia Schade vor ihrem Werk „The Black Tent of Childlessness“ – Foto: kb

Dass beide in der Ausstellung “Ex Nihilo” nicht nur neben, sondern mit ihren Professor:innen ausstellen, ist ein starkes Zeichen für einen offenen Kunstbegriff – für den die Kunsthalle Barmen zweifelsfrei steht. »kb«

EX NIHILO in der Kunsthalle Barmen

  • Anschrift: Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42269 Wuppertal (GoogleMaps)
  • Web: www.kunsthallebarmen.de
  • Instagram: @kunsthallebarmen
  • Ausstellungsdauer: 17. Oktober bis 14. Dezember 2025
  • Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags, 14 bis 18 Uhr
  • Eintritt: Der Besuch der Ausstellung ist kostenfrei