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Wird Putin den Ukraine-Krieg beenden? Neue Zahlen aus Russlands Wirtschaft zeigen, dass der Druck groß genug sein könnte – während die Raffinerien brennen.
Moskau – Immer noch hofft die Welt auf ein Ende des Ukraine-Kriegs: Trump hat eine neue Friedensinitiative gestartet, derzeit wird über einen Friedensplan verhandelt. Viele sind pessimistisch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin überhaupt gewillt ist, dem Krieg ein Ende zu machen. Doch aktuelle Zahlen weisen darauf hin, dass Putin bald keine andere Wahl mehr haben könnte. Russlands Wirtschaft leidet mittlerweile massiv unter dem Ukraine-Krieg.
Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Handelskongress in Kirgistan. © IMAGO/Alexander Kazakov
„Um den Krieg beenden zu wollen, muss man den Abgrund vor Augen haben“, sagte Alexander Gabuew, Direktor des „Carnegie Russia Eurasia Center“ laut einem Bericht von Bloomberg. Andere Analysten gehen davon aus, dass der Abgrund bald da ist: Geht der Abwärtstrend so weiter, werde Wladimir Putin in naher Zukunft gezwungen sein, den Krieg zu beenden, lautet der Tenor.
Russlands Wirtschaft leidet unter Ukraine-Krieg: „Endlich genug Druck auf Kreml, Krieg zu beenden“
Der US-amerikanische Thinktank „Atlantic Council“ gab diese Woche laut einem Bericht von Business Insider bekannt, dass die russische Wirtschaft nach anfänglicher Resistenz nun zunehmend belastet sei durch die westlichen Sanktionen. Gravierend sei für Russland der Ausschluss aus dem weltweiten Finanzkommunikationssystem SWIFT sowie Handelsbeschränkungen für Öl- und Gasexporte.
„Die russische Wirtschaft beginnt nun, die vollen Auswirkungen internationaler Sanktionen zu spüren. Wenn sich diese Trends fortsetzen, dann könnte die volle Wirkung dieser finanziellen Bestrafungen, kombiniert mit starkem ukrainischem Widerstand gegen russische Streitkräfte, endlich genug Druck auf den Kreml ausüben, um seinen Krieg zu beenden“, wird Mark Temnycky vom „Atlantic Council“ zitiert.
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Fotostrecke ansehenZahlen aus Russlands Wirtschaft deuten auf Putins Schwäche hin – Sanktionen wirken offenbar
„Die Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft ist stark geschwächt“, sagte laut Bloomberg auch Oleg Buklemishew, Leiter des Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung an der Lomonossow-Universität Moskau. „Eine Systemkrise wird es 2026 vielleicht nicht geben, aber die wirtschaftliche Lage wird sich stetig verschlechtern.“
Mehrere Zahlen deuten laut Bloomberg darauf hin, dass Russlands Wirtschaft nach einem kurzzeitigen Boom durch das Ankurbeln der Kriegswirtschaft derzeit stark schwächelt. Auffällig sei, dass viele Menschen in Russland offenbar an allen Ecken und Enden sparen und viele Einzelhandelsbranchen dadurch in massive Bedrängnis kommen:
- Die Russen kaufen deutlich weniger Lebensmittel ein, heiße es in einem Bericht des Zentrums für makroökonomische Analyse in Russland. Die Einkäufe wichtiger Lebensmittel wie Milch, Schweinfleisch, Reise und Buchweizen seien im Herbst um acht bis zehn Prozent gesunken. Russland größte Supermarktkette, die X5 Group, verzeichne ebenfalls eine schwächere Nachfrage.
- Der russische Einzelhandel leide massiv, es gebe viele Ladenschließungen, vor allem von Modegeschäften, berichteten lokale Medien. Auch der Elektronikmarkt erlebe laut der russischen Staatszeitung Rossijskaja Gaseta den stärksten Nachfragerückgang seit 30 Jahren.
- Die Autoverkäufe seien in Russland um fast ein Viertel geschrumpft. Weil Putins Regierung durch Unterstützung heimischer Hersteller die Staatseinnahmen steigern wolle, explodierten die Preise für Elektroautos und importierte Fahrzeuge.
Russlands Wirtschaft verringert Produktion – Einnahmen aus Öl und Gas sinken massiv
Das Zentrum für Strategische Forschung, eine in Moskau ansässige Denkfabrik, erklärte laut dem Bericht, dass „es fast keine Chance mehr gibt, eine Rezession zu vermeiden“. Denn auch in der russischen Industrie gehe die Produktion teils massiv zurück. Die Stahlindustrie und der Kohlebergbau stecke in der schwersten Krise seit einem Jahrzehnt. Auch der Bakensektor habe zu kämpfen.
Nicht zu vergessen ist der russische Energiesektor: Laut Berechnungen auf Basis von Daten des russischen Finanzministeriums seien die Öl- und Gaseinnahmen im Zeitraum Januar bis Oktober im Vergleich zum Vorjahr um über ein Fünftel gesunken. Schuld daran seien Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs, niedriger Rohölpreise und der schwache Rubel. Laut Business Insider ist der russischen Rubel mittlerweile um mehr als 50 Prozent gegenüber Dollar und Euro gefallen. Er liege nun auf dem niedrigsten Stand, seitdem Russland den Ukraine-Krieg 2022 startete. Die gesamten fossilen Brennstoffeinnahmen Russlands waren bis September um vier Prozent gefallen, berichtet Forbes – der niedrigste Stand seit Beginn der Invasion in der Ukraine.
Druck auf Russlands Wirtschaft wird durch neue Trump-Sanktionen noch stärker
Die Einbußen im Energiesektor dürften noch stärker werden – denn am 22. Oktober hat US-Präsident Donald Trump auch noch Sanktionen gegen Russlands wichtigste Energieproduzenten Rosneft und Lukoil verhängt. Washington erklärte Mitte November, dass Russlands Wirtschaft bereits jetzt darunter leide. Trump hat zudem weitere Sanktionen angekündigt, sollte Putin den Bedingungen seines Friedensplans zur Beendigung des Ukraine-Kriegs nicht erfüllen.
Schlechte Nachrichten für Russlands Wirtschaft sind außerdem, dass sich aktuell eine bedeutsame chinesische Raffiniere von Russland abwendet: Das Unternehmen hat den Kauf von russischem Öl aufgrund von Bedenken hinsichtlich westlicher Sanktionen ausgesetzt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Stattdessen wird nun in Kasachstan und den Vereinigten Arabischen Emiraten eingekauft.
Putin reagiert auf Krise in Russlands Wirtschaft – wann beendet er den Krieg in der Ukraine?
Putin hat bereits auf die Krise im Land reagiert: Um die Staatskassen zu füllen, soll laut Bloomberg die Mehrwertsteuer im kommenden Jahr steigen und ausgeweitet werden. Kleine Unternehmen und die Verbraucher werden dadurch aber vermutlich noch härter getroffen als bisher. Zudem plane der Kreml eine Technologieabgabe auf elektronische Bauteile und Geräte und Erhöhung der Steuern beim Autokauf.
Auch direkt ist Russlands Wirtschaft vom Ukraine-Krieg betroffen: Ukrainische Drohnen treffen immer wieder Öldepots und Raffinerien tief im russischen Hinterland. Erst in der Nacht auf Donnerstag (27. November) wurde die Ölraffinerie Nowokuibyschewsk in der russischen Oblast Samara laut dem russischen Telegram-Kanal Astra attackiert. (Quellen: Ukrainska Prawda, Bloomberg, Business Insider, Reuters, Forbes) (smu)