Im Fall „White Tiger“ gibt es einer Recherche des
Magazins Spiegel zufolge mehr Opfer als bislang bekannt. Neben dem durch
Hamburger Ermittlungen bekannt gewordenen Fall soll es in den vergangenen
Jahren mindestens sechs weitere Todesfälle gegeben haben. Verantwortlich seien
das pädokriminelle Onlinenetzwerk Com und die dazugehörige Gruppierung 764.
Dem Bericht zufolge begingen die Opfer in den meisten Fällen
Suizid im Livestream. In einem Leipziger Fall würden die Behörden dem Verdacht
nachgehen, dass ein 764-Mitglied eine 13-Jährige durch verstörende
Messenger-Nachrichten dazu gebracht habe, ihre jüngere Schwester zu töten. In
einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Kleinzschocher soll das Mädchen im Oktober
2024 die Siebenjährige erstochen haben, als die Eltern nicht zu Hause waren.
Im Fall „White Tiger“ hatte die
Generalstaatsanwaltschaft Hamburg im Oktober Anklage gegen einen 21-Jährigen
wegen Mordes und fünffachen versuchten Mordes erhoben. Er soll psychisch labile
Jugendliche über das Internet zu Gewalttaten gegen sich selbst gedrängt haben,
ein 13-Jähriger soll in den USA Suizid begangen haben.
Eltern von Opfer fordern Regulierung auf Plattformen
Dem Magazin sagte die Anwältin des 21-jährigen Angeklagten,
die Mordvorwürfe seien nicht haltbar. „Ich werde mich vor Beginn der
Hauptverhandlung nicht zu den einzelnen Anklagepunkten äußern“, wird sie
zitiert. Für ihren Mandanten gilt die Unschuldsvermutung.
Berichterstattung über Suizid
DIE ZEIT geht behutsam mit dem Thema Suizid um. Denn bestimmte Formen der Berichterstattung können zu Nachahmungsreaktionen führen. In der Wissenschaft nennt man dieses Phänomen Werther-Effekt, in Anlehnung an Goethes Roman Die Leiden des jungen Werthers, nach dessen Veröffentlichung sich eine Reihe junger Männer das Leben nahm. Zu Nachahmungsreaktionen kam es beispielsweise auch 2009, nachdem der deutsche Nationaltorwart Robert Enke sein Leben beendet hatte.
Studien zeigen, dass vor allem eine häufige, prominente, reißerische oder heroisierende Berichterstattung über Suizid zu Nachahmung verleitet. Vor allem Ort und Methode eines Suizids sollen nicht näher benannt werden. Das empfiehlt auch der Deutsche Presserat.
Völlig ausklammern wird DIE ZEIT das Thema Suizid nicht, da es gesellschaftlich relevant ist und viele Menschen betrifft.
Hilfe holen bei Suizidgedanken
Suizidgedanken können einem Teufelskreis ähneln: Sie drängen sich auf und scheinen dann unaufhaltsam. Doch sie lassen sich durchbrechen und sind zeitlich begrenzt. Betroffene berichten im Nachhinein, dass sie froh sind, am Leben zu sein. Suizidalität lässt sich also überwinden.
Es hilft, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch Hilfsangebote wie die Telefonseelsorge. Sie ist rund um die Uhr erreichbar unter den Telefonnummern 0800-1110111 und 0800-1110222. Jeder Anruf ist anonym und kostenlos. Wem Schreiben leichter fällt, kann die Berater auch per Chat erreichen. Dafür genügt hier eine kurze Anmeldung.
Für Kinder und Jugendliche gibt es außerdem die Nummer gegen Kummer 116111. Für Eltern gibt es die 0800-1110550. Speziell an Männer richtet sich die Website www.maenner-staerken.de. Das muslimische Seelsorgetelefon ist unter 030-443509821 erreichbar.
Direkte Anlaufstellen sind Hausärztinnen und Hausärzte. Deutschlandweit gibt es außerdem Beratungsstellen, die auf Suizidalität spezialisiert sind. Eine Übersicht bietet hier die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.
Suizidgefahr erkennen
Die Ursachen für Suizidgedanken sind vielfältig. Sie können Folge einer psychischen Erkrankung sein. Doch auch andere belastende Umstände können zu schweren seelischen Krisen führen: zum Beispiel der Verlust eines geliebten Menschen, des Arbeitsplatzes oder eine körperliche Erkrankung. Meistens kommen viele Faktoren zusammen.
Etwa 80 Prozent aller Suizidversuche werden zuvor angekündigt. Hinweise darauf sind nicht nur klare Äußerungen, sondern auch indirekte wie „Es hat alles keinen Sinn mehr“ oder „Ich fühle mich gefangen“. Ein Warnsignal können auch bestimmte Verhaltensweisen sein. So wollen suizidgefährdete Menschen häufig ihre Angelegenheiten ordnen: Sie verschenken zum Beispiel Wertgegenstände oder verabschieden sich ungewöhnlich. Einige Menschen wirken plötzlich erleichtert, wenn sie einen Suizidplan gefasst haben. Häufig wird ein solcher Umschwung als Besserung missinterpretiert, er sollte aber aufhorchen lassen.
Generell gilt: Ansprechen und Nachfragen kann Leben retten.
Was Angehörige tun können
Wer den Verdacht hat, dass ein Familienmitglied, eine Freundin oder ein Bekannter an Suizid denkt, sollte ihn oder sie darauf ansprechen und dabei unterstützen, professionelle Hilfe zu finden. Dass durch das Ansprechen ein Suizid erst ausgelöst werden kann, ist falsch und ein Mythos. Vielmehr bringt es Betroffenen Entlastung, ihre Gedanken auszusprechen.
Hilfreiche Tipps für ein solches Gespräch hat zum Beispiel die Suizidprävention Berlin hier gesammelt. Unterstützung für Angehörige bietet die Telefonseelsorge (siehe oben) oder der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen unter der Telefonnummer 0228-71002424 oder der E-Mail-Adresse seelefon@bapk.de.
Von jedem Suizid sind zahlreiche Personen betroffen: Mitmenschen aus Familien- und Freundeskreis, aus Kollegium, Schule, Nachbarschaft, Vereinen. Sie können durch einen Suizid selbst in eine schwere Krise geraten. Hilfe für Hinterbliebene bietet der Verband Agus unter der Telefonnummer 0921-1500380 oder der E-Mail-Adresse kontakt@agus-selbsthilfe.de.
Die Eltern des 13-jährigen US-Schülers sagten dem Spiegel,
sie wollten andere Familien warnen. Die Welt müsse wissen, wie gefährlich die
Onlinegruppierung 764 sei, sagte die Mutter des Jungen. Die Familie habe alles
für den Jungen getan, „wir hatten die besten Voraussetzungen, und trotzdem
konnten wir ihn nicht retten.“ Die Familie setzt sich für eine stärkere
Regulierung von Onlineplattformen wie Discord ein, auf denen die Gruppierungen
aktiv sind.
Weiter fordern die Eltern, einen eigenen
Straftatbestand für digitale Nötigung und Erpressung mit Todesfolge
einzuführen. Außerdem sollen Techplattformen wie Discord einen Notfallknopf
einführen, der dafür sorgt, dass menschliche Mitarbeiter eine potenziell
gefährliche Unterhaltung innerhalb von 15 Minuten überprüfen.
„White Tiger“
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
White Tiger • Z+ Empfehlung :
Wie konnte diese Grausamkeit so lange unbemerkt bleiben?
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
„White Tiger“:
Er soll Kinder zum Suizid gedrängt haben. Ermittler ließen ihn gehen