Berlin – Schicksalsstunden einer Kanzlerschaft? Um 20 Uhr kamen am Donnerstagabend die Spitzen der Koalition von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt zusammen. Auf der Tagesordnung: Streit- und Zoff-Themen wie das Heizgesetz oder das Verbrenner-Aus. Vor allem aber wollen die Parteibosse ihre bisher dickste Kuh vom Eis bekommen: den Streit um das Rentenpaket der Regierung!

Seit Tagen läuft dazu eine Art „Operation Brechstange“ – der Widerstand in der Unionsfraktion soll gebrochen werden. Gelingt dies nicht, stünde die Regierung von Kanzler Friedrich Merz (70, CDU) am Abgrund.

Die Frage der Nacht: Was kann den Renten-Rebellen in der Unionsfraktion (hauptsächlich der „Jungen Gruppe“) angeboten werden, um deren Widerstand zu brechen und eine eigene Mehrheit für das Rentenpaket (u.a. Aktivrente der CDU, Mütterrente der CSU, Haltelinie der SPD) durch den Bundestag zu bekommen? Und zwar noch vor Weihnachten!

Markus Söder am Donnerstagabend bei seiner Ankunft am Kanzleramt

Markus Söder trifft am Donnerstagabend am Kanzleramt ein

Foto: Paul Zinken/dpa

Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil auf dem Weg zum Koalitionsgipfel

Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil auf dem Weg zum Koalitionsgipfel

Foto: Paul Zinken/dpa

Auch Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas ist mit von der Partie

Auch Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas ist mit von der Partie

Foto: Paul Zinken/dpa

Söders wichtigster Mann in Berlin: CSU-Innenminister Alexander Dobrindt auf dem Weg ins Kanzleramt

Söders wichtigster Mann in Berlin: CSU-Innenminister Alexander Dobrindt auf dem Weg ins Kanzleramt

Foto: Paul Zinken/dpa

Eine Verschiebung kommt weder für die SPD noch für die CSU infrage. Die Genossen beharren auf dem Kabinettsbeschluss („Wird nicht mehr verändert!“). Und am 12. Dezember ist CSU-Parteitag – da will Söder seine „Mütterrente 3“ (kostet allein schon 4,5 Mrd. Euro) feiern lassen.

Die Frage am Freitag: Reicht den Renten-Rebellen – bis zu 50 sind es in der Union – das aus, womit die Koalitionsspitzen aus der Nacht kommen?

Um 8 Uhr sollen die Abgeordneten von CDU und CSU in einer Sondersitzung der Fraktion über die Ergebnisse der Nacht informiert werden.

Erst gegen Mittag treffen sich dann im Auftrag des Kanzlers sein Kanzleramtschef Thorsten Frei und Fraktionschef Jens Spahn mit den Renten-Rebellen.

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Fest steht schon vor der Spät-Runde beim Kanzler: Die Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Bärbel Bas (beide SPD) weigern sich, das Rentenpaket noch einmal anzufassen. „Das bleibt zu, da wird nichts mehr aufgeschnürt“, so einer, der in der Nacht dabei sein wird, zu BILD.

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Das deutliche Renten-Basta der Parteibosse: Sie wollen in der Nacht das Rentenpaket beschließen, so wie es ist.

Nur: Was bieten sie dem Renten-Widerstand an? Was haben die Verhandler um Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) vorbereitet?

BILD weiß, was in der Lostrommel ist:

▶︎ „Aktion Korridor“: Den jungen Renten-Rebellen soll angeboten werden, die Kommission zur umfassenden Reform des Rentensystems vorzuziehen, und nicht, wie geplant, in den Herbst 2026 laufen zu lassen. Bisher reichte dies den Rebellen nicht.

▶︎ Personal-Köder: Außerdem sollen die Rebellen entweder selbst einen Vertreter in die Kommission schicken können – oder einen von ihnen benannten Experten. Auch das reichte den Rebellen bislang nicht!

▶︎ Ein Versprechen: Angeboten werden soll zusätzlich eine Art Festlegung der Koalitionsspitzen auf Grundzüge für das Rentenpaket 2, das nach der Kommission kommen soll – eine Art Protokoll-Erklärung. Auch das reichte bislang nicht, um Widerstand zu brechen.

▶︎ Neu in der Verlosung: Eine Art Renten-Deckel! Gemeint: Eine verbindliche Festlegung, die Staatszuschüsse für die gesetzliche Rente ab einem bestimmten Jahr auf eine Summe X zu begrenzen. Aber auch das allein werde nicht reichen, hieß es aus der Unionsfraktion am späten Nachmittag gegenüber BILD.

Am Ende aber sei auch das möglich, so ein Unions-Grande: „Ein für alle redlichen Kompromiss wird es kaum geben können.“

Heißt? „Dass jeder Abgeordnete erkennt, dass er das Land in dieser innen- und außenpolitischen Lage nicht an die Grenze zur Regierbarkeit bringen kann.“ Die Abgeordneten der „Jungen Gruppe“ könnten „reinen Herzens“ in ihren Wahlkreisen argumentieren, sie hätten „alles gegeben, für ihre Überzeugungen gekämpft“ – aber das Land wolle man nicht gefährden.

Egal wie, fest steht schon vor dem Start in die Verhandlungsnacht: Bei der CDU-Fraktion hat das Schuldigen-Suchen längst begonnen!

Zum Beispiel:

▶︎ Die einen sehen den Fraktionschef Spahn in der Verantwortung – schließlich müsse er den Laden zusammenhalten, dem Kanzler die Mehrheiten sichern.

Auch sein Job steht im Renten-Zoff in der Union auf der Kippe: Unions-Fraktionschef Jens Spahn (45, CDU)

Auch sein Job steht im Renten-Zoff in der Union auf der Kippe: Unionsfraktionschef Jens Spahn (45, CDU)

Foto: dts News Agency Germany/Shutterstock

▶︎ Doch andere wiederum lasten den Renten-Schlamassel dem Kanzler an! Der habe taktiert, die „Junge Gruppe“ bei einem Treffen im September gar überhaupt erst angestachelt in der Renten-Frage. Merz habe damals signalisiert, die Jungen könnten das Thema Rente noch einmal auf die Tagesordnung bringen. Unterstützung, so hieß es nun, sei auch von Kanzleramtschef Thorsten Frei gekommen. Nun heißt es: Hätte Merz von Anfang an signalisiert, dass an der Rente keine Nachverhandlungen möglich sind, wäre die Junge Union mit dem Thema erst gar nicht angetreten.

Spahns Dilemma sei daher gewesen: Er habe für Verhandlungen (die über seine Zukunft entscheiden könnten) mit SPD-Fraktionschef Matthias Miersch und den eigenen Rebellen keinerlei Beinfreiheit gehabt. Grund: Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas hätten klar gesagt, dass Nachverhandlungen ausgeschlossen sind.