Bielefeld. Trumps Einfluss reicht bis nach Bielefeld. Die aktuelle US-Regierung geht massiv gegen Programme für Gendergerechtigkeit, Diversität und Inklusion an Hochschulen vor, jetzt springen deutsche rechtspopulistische Medien auf den Zug auf und machen eine an der Hochschule Bielefeld (HSBI) ausgeschriebene Professur zum Gegenstand ihrer Berichterstattungen. Im Zentrum der Kritik: 450.000 Euro an Fördergeldern für „Gender-Gerechtigkeit in der Angewandten Mathematik“. Die Hochschule reagiert mit Sachlichkeit, klärt auf und nimmt den Populisten den Wind aus den Segeln.
Ausgeschrieben ist die zur Zielscheibe gewordene Stelle noch bis zum 8. Mai im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik an der HSBI. Gesucht wird eine Person, die „im Bereich der Gender-Gerechtigkeit in der Angewandten Mathematik mit einem besonderen Fokus auf Methoden der Data Science, Künstlichen Intelligenz (KI), Diskreten Simulation und Optimierung“ lehrt und forscht.
Dazu hatte HSBI-Präsidentin Ingeborg Schramm-Wölk bereits im Januar erklärt: „Wir müssen dringend wissenschaftliche Methoden entwickeln, damit schlecht konzipierte und mangelhaft trainierte KIs nicht zur Verfestigung von überkommenen Geschlechtervorstellungen beitragen.“ Mehr Frauen sollten zudem für technisch-naturwissenschaftliche Berufe gewonnen werden und der Fachkräftemangel in den technischen Berufen dadurch reduziert werden, das sei der erklärte Anspruch der HSBI.
450.000 Euro vom Land NRW für Bielefelder Professur
HSBI-Präsidentin Ingeborg Schramm-Wölk reagiert jetzt auf negative Berichterstattungen diverser Onlineplattformen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind.
| © Hirschmeier/HSBI
Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt die Bielefelder W2-Professur zur Förderung von Gendergerechtigkeit mit stolzen 450.000 Euro. Diese Kernnachricht aus dem Januar haben rechtspopulistisch orientierte News-Portale wie „Junge Freiheit“, „Apollo News“ und die Schweizer „Weltwoche“ (hier ist unter anderem AfD-Politikerin Alice Weidel Kolumnistin) kurz vor Ostern für sich entdeckt. In verschiedenen Foren sowie auf Social-Media-Plattformen wie Youtube und Instagram wird die Bielefelder Professur seit Mitte April mal satirisch, mal unter Schlagworten wie „Steuergelder“ negativ zum Thema gemacht. Und das verfängt offenbar.
Die HSBI schreibt jetzt dazu: „Wir möchten das Thema nicht größer machen, als es ist. Andererseits hat es bis hin zu Presseanfragen großer privater TV-Sender an Dynamik gewonnen, sodass wir über den aktuellen Stand informieren wollen.“ Der Förderwettbewerb des Landes NRW, in dem sich die HSBI beworben hatte, gehe unter anderem auf die Empfehlung des Wissenschaftsrates zurück. Bei Besetzung der Professur erhält die Hochschule 150.000 Euro Förderung pro Jahr über drei Jahre für Personal- und Sachmittel.
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Die HSBI erklärt in ihrer Mitteilung sachlich am Beispiel von Diagnose- und Therapieentscheidungen in der Medizin, warum Gendergerechtigkeit bei Zukunftstechnologien wie künstlicher Intelligenz mitgedacht werden muss. „Ein weithin bekanntes Paradebeispiel ist der Herzinfarkt: Die Symptome sind bei Frauen und Männern unterschiedlich, was zu häufigen Fehldiagnosen insbesondere bei Frauen führt.“
Bei der Analyse von Gesundheitsdaten und Entwicklung von Vorschlägen für Therapie und Diagnose sei die Berücksichtigung des Geschlechts deshalb von Bedeutung. „KI-basierte Modelle liefern hier oft noch verzerrte Ergebnisse, wenn sie nicht gendergerecht trainiert werden.“ Das sei auch beim Einsatz von KI in Bewerbungsverfahren oder bei der Beurteilung von Kreditwürdigkeit der Fall, wo es nachweislich zu Fehleinschätzungen komme. Die neue Professur soll hier zur Lösung beitragen.
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