Nach den Schüssen auf zwei Nationalgardisten in Washington verschärft die US-Regierung unter Präsident Donald Trump ihr restriktives Vorgehen gegen Ausländer. Die US-Einwanderungsbehörde USCIS kündigte an, vorerst alle Asylentscheidungen auszusetzen. Dies gelte, bis man sicherstellen könne, „dass jeder Ausländer so gründlich wie möglich überprüft und durchleuchtet wird“, so der Leiter der Behörde, Joseph Edlow.
Außenminister Marco Rubio teilte zudem mit, die Vereinigten Staaten hätten die Ausstellung von Visa für Personen mit afghanischen Pässen vorübergehend gestoppt. Der „Schutz unserer Nation und unserer Bevölkerung“ habe höchste Priorität, erklärte Rubio.
Das US-Heimatschutzministerium ließ verlauten, das Ziel sei nie klarer gewesen: „Reverse Migration“ (auf Deutsch etwa: umgekehrte Migration) – eine Formulierung, die stark an das von Rechtsextremisten in Deutschland und anderen Ländern verwendete Wort „Remigration“ erinnert. Gemeint ist damit in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das jeweilige Land verlassen soll, auch unter Zwang.
„Schutz unserer Nation und unserer Bevölkerung“: US-Außenminister Marco Rubio (Archivbild)Bild: RS/MPI/Capital Pictures/picture alliance
Präsident Trump selbst hatte zuvor einen vollständigen Aufnahmestopp für alle Menschen aus „Dritte-Welt-Ländern“ angekündigt. Welche Staaten genau davon betroffen sein sollen und wie und wann er einen solchen Aufnahmestopp durchsetzen will, erklärte er nicht.
Trump kündigte an, alle staatlichen Leistungen für „Nicht-Staatsbürger“ zu streichen. Migranten, die „den inneren Frieden untergraben“, solle die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Jeder Ausländer, der als Sicherheitsrisiko oder als „nicht mit der westlichen Zivilisation vereinbar“ eingestuft werde, solle abgeschoben werden.
„Ausländer aus problematischen Staaten“
Grund für die Verschärfung der Migrationspolitik ist das Attentat auf zwei Nationalgardisten am Mittwoch, das mutmaßlich von einem Afghanen verübt wurde. Auf Trumps Weisung hin hatte die Einwanderungsbehörde USCIS bereits kurz nach dem Vorfall in der US-Hauptstadt angekündigt, die Green Cards „aller Ausländer aus allen problematischen Staaten“ umfassend zu überprüfen.
Eine Green Card erlaubt es ausländischen Staatsangehörigen, sich dauerhaft in den USA aufzuhalten und dort zu arbeiten. Betroffen von dem Schritt sind neben Bürgern aus Afghanistan auch Menschen aus 18 weiteren Ländern wie dem Iran, Libyen, Somalia, dem Jemen, Kuba und Venezuela.
Tatort nahe dem Weißen Haus: Gedenken an das Attentat in Washington (am Donnerstag)Bild: Keiichi Nakane/AP Photo/picture alliance
Am Mittwoch waren zwei Nationalgardisten aus dem US-Bundesstaat West Virginia nur wenige Häuserblocks vom Weißen Haus entfernt angeschossen worden. Eine Soldatin erlag Trump zufolge ihren Verletzungen. Der zweite Nationalgardist kämpft weiter um sein Leben, wie der Gouverneur von West Virginia, Patrick Morrisey, am Freitag sagte. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen.
Todesstrafe steht im Raum
Die amtierende Staatsanwältin für die US-Hauptstadt, Jeanine Pirro, kündigte nach dem Tod der 20-jährigen Nationalgardistin beim US-Sender Fox News an, den Tatverdächtigen Afghanen wegen Mordes anzuklagen. Zuvor hatte Justizministerin Pam Bondi im Gespräch mit dem Sender verkündet, sie werde die Todesstrafe für den Mann anstreben, sollte einer der Nationalgardisten sterben.
Das Motiv für die Tat ist nach wie vor unklar. Medienberichten zufolge soll der Tatverdächtige psychische Probleme gehabt haben. Familienangehörige von ihm hätten ausgesagt, dass der 29 Jahre alte Mann unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide, berichtet der Sender CNN unter Berufung auf Beamte, die mit dem Fall vertraut sind. Die PTBS sei auf Kämpfe in Afghanistan zurückzuführen, wo der Verdächtige als 15-Jähriger bei einer sogenannten Zero Unit der afghanischen Spezialeinheiten angeheuert habe.
Spurensicherung (am Donnerstag): Die Schüsse fielen nahe der Metrostation „Farragut West“Bild: Aaron Schwartz/Sipa USA/picture alliance
Taliban-Vertreter und Menschenrechtsgruppen bezeichneten die vom US-Geheimdienst CIA rekrutierten und ausgebildeten Einheiten laut „New York Times“ als „Todesschwadronen“. Ihre Mitglieder seien für außergerichtliche Hinrichtungen und Verschleppungen, wahllose Luftangriffe und Angriffe auf medizinische Einrichtungen verantwortlich.
Ein Freund des mutmaßlichen Attentäters sagte der „New York Times“, der 29-Jährige habe psychische Probleme gehabt. Er habe erzählt, die Militäroperationen seien sehr hart gewesen und die Beteiligten hätten unter großem Druck gestanden, berichtete der Vertraute des jungen Mannes dem Blatt.
In Diensten der CIA
Der Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, hatte unlängst mitgeteilt, der Tatverdächtige sei in der Provinz Kandahar für dortige Partnerorganisationen des US-Militärs tätig gewesen; er habe dabei auch für die US-Regierung und die CIA gearbeitet. 2021 soll er über das Aufnahmeprogramm „Operation Allies Welcome“ in die USA gelangt sein, das der damalige US-Präsident, der Demokrat Joe Biden, nach der Machtübernahme der Taliban aufgelegt hatte.
„Gesetzeswidrig“: Eine US-Bundesrichterin urteilte in der vergangenen Woche gegen den Einsatz der Nationalgarde in Washington, ließ aber eine Übergangsfrist zuBild: Jacquelyn Martin/AP Photo/picture alliance
Ziel war es laut Heimatschutzministerium, Afghanen zu helfen, die mit US-Truppen während des Einsatzes in dem Land zusammengearbeitet hatten und nun von Vergeltungsmaßnahmen der Islamisten bedroht waren. Das Programm umfasste Sicherheitsüberprüfungen der einreisenden Personen.
Dem Tatverdächtigen wurde US-Medienberichten zufolge erst im April 2025 – also nach Amtsantritt des Republikaners Trump – Asyl gewährt. Der behauptete nach den Schüssen in Washington, Flüchtlinge seien aktuell der Hauptgrund für gesellschaftliche Probleme in den USA. Menschenrechtler warnten indes davor, den Angriff politisch zu instrumentalisieren.
„Höhere Verbrechensrate“
Trump hatte die Soldaten der Nationalgarde im August in die Hauptstadt beordert. Der Präsident erklärte zur Begründung, Washington habe eine „höhere Verbrechensrate als einige der gefährlichsten Orte der Welt“. Polizeistatistiken bestätigen dies allerdings nicht.
Trump hatte die Nationalgarde auch in andere von Demokraten regierte Städte wie Los Angeles und Memphis entsandt. Eine US-Bundesrichterin hatte den Einsatz in der US-Hauptstadt erst vergangene Woche für gesetzwidrig erklärt. Sie gewährte der Regierung aber einen Aufschub bis zum 11. Dezember, um dagegen Rechtsmittel einzulegen.
jj/AR (dpa, afp, rtr)