Sie haben es geschafft: Aus Castrop-Rauxel auf die Bühnen der Welt spielten sich Electric Callboy nach Berlin in die Uber Arena. Mit ihrer Tanzneid-Tour füllt die Metalcore-Combo die Halle und versammelt ein buntes Publikum aus Genres, die auf den ersten Blick nicht so ganz zusammenpassen scheinen. Zwischen den klassischen Kutten aus der Metal-Szene lockern immer wieder neonbunte Polyesteranzüge das Bild auf.

Raver treffen Schwarzkittel und hören Techno-Trancecore-Metal-Rock-Punk-Electro-Schlager? Keine Frage: Electric Callboy schweißen zusammen. Die Fans feiern die Band und ihre Musik und mit ihr eine fetzig-laute Party an der Spree, bei der zum Schluss der Schweiß in dicken Tropfen von der Decke perlt und die Ohren klingeln.

Electric Callboy: Längst keine Unbekannten mehr

Dabei hat die Band eine durchaus bewegte Geschichte hinter sich. Einige frühere Songs sorgten in der Community für Kritik, auch der ehemalige Name – Eskimo Callboy – wurde vor allem in den USA und Skandinavien als diskriminierend empfunden.

Statt mit Trotz reagierten die Callboys mit Verständnis: „Wir sind eine tolerante und weltoffene Band und gegen jegliche Form von Rassismus und Ausgrenzung“, bekannten Electric Callboy im Dezember 2021, bevor sich der Name im Jahr darauf änderte.

Angesichts des Feuerwerks, das Electric Callboy abbrennen, umso unverständlicher: Der NDR war 2022 nicht mutig genug, eine ESC-Bewerbung der Gruppe zu riskieren, wegen mangelnder Radiotauglichkeit. Stattdessen schickte man Malik Harris und landete – richtig radiotauglich – auf dem letzten Platz. Deutschland, null Punkte? Heute nicht.

Electric Callboy in der Uber Arena: Die Menge kocht

Für die nötige Stimmung, die Arbeitswoche steckt den Fans in den Knochen, sorgt vorab Wargasm und dann Bury Tomorrow. Frontman Daniel Winter-Bates beschwert sich, zu wenige Crowdsurfer und zählt durch. 12 Securities, 15000 Fans. Da müsse doch mehr gehen, in Deutschland zumal, der Heimat des Heavy Metal? Die Menge liefert, die Briten spielen noch einen Song. Dann heißt es, Warten.

Warten, bis die ersten Töne von Electric Callboy erklingen und die Menge kein Halten mehr kennt. Der Tekkno Train rollt durch die Arena und selbst auf den oberen Rängen sitzt niemand mehr. Beim dritten Song der Tanzneid-Tour.

Es folgen Banger auf Banger: „Hypa Hypa“, „MC Thunder“ und dann der erste Höhepunkt des Abends: „Pump it“ und man fragt sich, wie soll das noch weiter gehen? Geht, geht sogar ziemlich gut, die Jungs aus NRW haben noch genug in petto, um den Hexenkessel in der Uber Arena so richtig zum Kochen zu bringen.

Electric Callboy PSD Dome Düsseldorf 16.11.2025

Nicht immer ernst gemeint: die Musik von Electric Callboy.
© Kai Kuczera | Kai Kuczera

Zwischendurch ist immer wieder mal Zeit für kleine Interaktionen mit dem Publikum. „Umarmt euch mal – aber fragt vorher“, ruft Frontman Nico Sallach in die Menge. Das ist sympathisch, das ist authentisch, dafür lieben die Fans die Callboys.

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Electric Callboy: Der Sound war nicht immer perfekt

Natürlich darf „Hurrikan“ an diesem Abend nicht fehlen, der German-Schlager-Song, von dem es heißt, er sei eine Antwort auf den NDR und seine Suche nach möglichst wenig Profil. „Der geht raus an dich, Helene“, scherzt Kevin Ratajczak noch, bevor die Gitarren dröhnen.

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Die Pyro feuert, die Konfettikanonen ballern, der Bass treibt, der Gesang allerdings bleibt zwischendurch auf der Strecke, ist schlecht zu verstehen. Dem Spaß tut das freilich keinen Abbruch, die Texte kennt ohnehin jeder Fan aus dem Effeff – oder steckt im Moshpit vor der Bühne.

Electric Callboy PSD Dome Düsseldorf 16.11.2025

Heizen nicht nur Metallern ein: Electric Callboy.
© Kai Kuczera | Kai Kuczera

So viel Energie verlangt irgendwann auch nach einer Pause. Nach einem furiosen Drumsolo von Frank Zummo taucht die Band plötzlich mitten in der Menge auf, zum akustisch-intimen Lagerfeuermoment am Klavier. Handys weg, bitte – dieser Moment soll in den Köpfen bleiben, nicht auf Speicherkarten.

Es ist ein kurzes Intermezzo, bevor es zurückgeht auf die Bühne und auf zum Finale. Auf den „Elevator Operator“ folgen die größten Nummern: „RATATATA“, „Spaceman“ und „We Got the Moves“. Groß ist keine Untertreibung, die drei Songs schaffen es zusammen auf mehrere Hundert Millionen Spotify-Streams. Das Beste kommt eben zum Schluss – und Berlin bebt.