1. Weg von Microsoft: Abgeordnete fordern digitale Souveränität im EU-Parlament

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Angesichts wachsender Bedenken hinsichtlich einer übermäßigen Abhängigkeit Europas von US-amerikanischen Tech-Giganten hat eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten die Verwaltung und die Spitze des EU-Parlaments mit Nachdruck aufgefordert, sich von der internen Nutzung von Microsoft-Software wie dem in der Kammer aktuell noch allgegenwärtigen cloudbasierten Office-Paket 365 zu verabschieden. Stattdessen sollen europäische Alternativen eingeführt werden.

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Über ein entsprechendes Schreiben berichten Politico und Euractiv. Der Brief sollte demnächst an Parlamentspräsidentin Roberta Metsola übermittelt werden.

Mehr als nur Microsoft-Verzicht

Der Appell kommt zu einer Zeit, in der die Dominanz weniger großer US-Konzerne zunehmend als Risiko für die Sicherheit und den Wohlstand Europas betrachtet wird. Zugleich verlangte die US-Regierung bei einem Treffen in Brüssel gerade erneut digitale Zugeständnisse von der EU. Die 38 Unterzeichner des Brandbriefs verlangen nicht nur den Verzicht auf Microsoft-Programme. Sie verweisen auch auf Bildschirme, Tastaturen und Mäuse von Dell, HP und LG, die in den IT-Systemen des Parlaments zum Einsatz kommen, als ersetzbare Technologie.

„Mit seinen Tausenden von Mitarbeitern und seinen enormen Ressourcen ist das Europäische Parlament am besten positioniert, um den Vorstoß für technologische Souveränität voranzutreiben“, heißt es in dem Schreiben den Berichten zufolge. Die Volksvertreter betonen demnach, dass sich selbst „alte Freunde in Feinde verwandeln und deren Unternehmen zu einem politischen Werkzeug werden“ könnten. Deshalb dürfte sich die EU „diese Abhängigkeit von ausländischer Technologie nicht leisten“. Sie solle auch nicht weiter „Milliarden von Steuergeldern ins Ausland“ überweisen.

Auch Windows soll weichen

Die Parlamentarier führen eine breite Palette europäischer Alternativen an, die sie für praktikable Lösungen halten. Darunter ist der norwegische Internetbrowser Vivaldi, die französische Suchmaschine Qwant, die sichere Schweizer E-Mail-Suite Proton und die deutsche Kollaborationsplattform Nextcloud. Das Bundesdigitalministerium verwies jüngst etwa auch auf die Weiterentwicklung und Etablierung der Lösung OpenDesk, die als Alternative für MS 365 gilt.

„Unser mittelfristiges Ziel sollte die vollständige Ausmusterung von Microsoft-Produkten, einschließlich des Betriebssystems Windows, sein. Das ist einfacher, als es sich anhört“, räumen die Abgeordneten ein. Sie loben in diesem Zusammenhang auch den jüngsten Schritt des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), der sich aufgrund von US-Sanktionen von Microsoft getrennt und für OpenDesk entschieden hat.

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Zu den Unterzeichnern gehören einflussreiche Mitglieder aus allen großen Fraktionen wie Aura Salla (EVP), Birgit Sippel (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Liberale), die Grüne Alexandra Geese und die Linke Leïla Chaibi.

Im Fuhrpark herrscht „made in EU“ vor

Als Beispiel für die Machbarkeit führen die Abgeordneten an: „Der Fuhrpark des Parlaments besteht fast ausschließlich aus Autos europäischer Marken. Das Gleiche kann für Computer-Endprodukte nachgeahmt werden.“ Sie drängen auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus Abgeordneten und Parlamentsmitarbeitern, die diesen Übergang begleiten und überwachen soll. Dazu kommt die Ansage: „Mit genügend politischem Willen werden wir diese Institution bis zum Ende der Legislaturperiode von der Gefahr der Abhängigkeit von ausländischer Technologie befreit haben.“

Der österreichische Liberale Helmut Brandstätter, der die Initiative koordiniert, erläuterte: Aktuell laufe das Parlament „mit ausländischer Software, die über Nacht abgeschaltet, überwacht oder politisch instrumentalisiert werden kann. Das ist nicht nur unpraktisch, sondern eine strategische Schwachstelle.“ Er hob hervor, vorgesehen sei keine „anti-amerikanische“, sondern eine „pro-europäische Souveränitätsmaßnahme“.

Vergangene Woche unterstützte Deutschland auf einem Gipfel in Berlin die bereits langjährigen Forderungen Frankreichs, Europa technologisch unabhängiger von den USA zu machen und einen eigenen Weg zur digitalen Souveränität einzuschlagen. Ein Sprecher von Microsoft konterte, der US-Konzern sei „stolz darauf, die umfassendsten Souveränitätslösungen auf dem heutigen Markt anzubieten“. Das Unternehmen wolle weiterhin sicherstellen, dass das EU-Parlament und andere europäischen Kunden „die Optionen und Sicherheiten haben, die sie benötigen, um vertrauensvoll arbeiten zu können“.

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(nen)

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