Kurz vor der Senkung des aktuellen Zollsatzes von 39 auf 15 Prozent wärmt die Schweiz alte Geschichten wieder auf. Die Geschäftsprüfungskommission will es ganz genau wissen.
Haben sie nach dem Besuch schlecht kommuniziert? Von links: Johann Rupert, Alfred Gantner, Marwan Shakarchi, Jean-Frédéric Dufour and Daniel Jaeggi.
pd.
Politik ist ein undankbares Business. Monatelang arbeitete der Bundesrat und das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf eine Einigung mit den USA hin, doch einerlei, was dabei herauskommt, es ist nie gut genug.
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Für den Moment gilt: Die Schweiz und die USA haben sich auf eine Senkung des Zollsatzes von 39 auf 15 Prozent geeinigt. Der Deal soll in der ersten Hälfte Dezember in Kraft treten. Noch aber fehlt der Erlass für die Zollbehörden, der offenbar durch den Shutdown in den USA und Thanksgiving verzögert wurde. Dann sollen die Zollbefreiungen umgesetzt werden.
Bald gelten 15 Prozent Zölle
Definitiv ist das Abkommen noch nicht, es könnte Ende Januar am World Economic Forum unterschrieben werden. Noch sind ein paar Fragen offen. Aber wenn nichts mehr schiefgeht, sollten auf die Schweiz keine unerfreulichen Überraschungen mehr zukommen.
Das wäre eigentlich eine halbwegs gute Nachricht für die Schweiz. 15 Prozent sind zwar nicht ohne, aber immerhin deutlich besser als 39. Das gibt sogar Daniel Lampart, der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes zu. In einem Interview mit der NZZ am Sonntag sagt er: Wir sind ein reiches Land mit einem sehr kleinen Heimmarkt. Wenn die Ausfuhren in einen so wichtigen Markt wie die USA teurer werden, ist das ein gravierendes Problem für die Exportindustrie. Es sei gut, dass die Schweiz jetzt eine Lösung habe.
Doch längst nicht alle sind so entspannt wie Lampart. Die Grünen und die Jungsozialisten haben Strafanzeige gegen die Schweizer Unternehmer erstattet, die Donald Trump mit Investitionsversprechen und Geschenken milde gestimmt haben. Sie sehen Artikel 322 septies des Strafgesetzbuches verletzt, der die Bestechung von fremden Amtsträgern betrifft.
Der Normalbürger frage sich zu Recht, ob diese Geschenke rechtmässig seien, schreiben die Grünen in ihrer Anzeige. Unterstützung erhalten sie von den Juso, die bei der Bundesanwaltschaft ebenfalls eine Anzeige wegen «Verdachts auf Bestechung fremder Amtsträger» eingereicht haben. Die Bundesanwaltschaft bestätigt auf Anfrage, dass sie im Zusammenhang mit dem Treffen der Schweizer Delegation mit dem US-Präsidenten drei Strafanzeigen gegen Unbekannt erhalten hat. Sie prüfe diese wie üblich.
Die politische Linke war sehr schnell damit, die Rolle der Milliardäre zu hinterfragen. Kritische Fragen stellten aber auch die FDP und die Mitte. Die FDP-Co-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher sprach von einem undurchsichtigen Deal. Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy kritisierte die Kommunikation des Bundes und die «art of the deal» mit vorgeschickten Unternehmern und Geschenken.
Haben zwei Departemente gebremst?
Kritisch gibt sich auch Alfred Gantner. Der Mitgründer der Partners Group, war einer der Milliardäre, die im Hintergrund auf einen Deal mit Trump hingearbeitet hatten und ihm schliesslich im Oval Office aufwarteten. In der Diskussionssendung Arena von Fernsehen SRF sagte er, es sei ein Fehler gewesen, dass man nach dem Besuch beim amerikanischen Präsidenten nicht besser kommuniziert habe.
Und dann sagte Gantner noch etwas, und das, was er sagt, wird die offizielle Schweiz nun eine Weile beschäftigen. Der Bundesrat, so der Unternehmer, hätte kurz nach Grossbritannien als zweites Land einen sehr vorteilhaften Deal mit den USA aushandeln können: 10 Prozent. Leider habe es dann zu lange gedauert, bis sich der Bundesrat einig geworden sei. Dies auch, weil zwei Departemente kritische Mitberichte geschrieben hätten. Das Aussendepartement von Ignazio Cassis und Beat Jans Justizdepartement (EJPD) hätten damit den Prozess mit kritischen Fragen verzögert. So habe man im EJPD erst allfällige Unverträglichkeiten mit EU-Recht abklären wollen.
Im Umfeld des Bundesrats und des Seco widersprach man dieser These schon im August, als sie zum ersten Mal aufkam. In der «Sonntags-Zeitung» hat Beat Jans die Vorwürfe nun persönlich zurückgewiesen: Er wisse nicht, woher diese Behauptungen kämen, sie seien «auf jeden Fall falsch».
Doch die Gegenwehr des Bundesrats kommt zu spät. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des nationalen Parlaments ist hellhörig geworden. Sie will, wie der «Sonntags-Blick» schreibt, den Zoll-Deal zwischen den USA und der Schweiz nun noch genauer untersuchen. Die Kommission hat ihr Mandat ausgeweitet und beschäftigt sich nun auch mit dem Zeitraum vom 7. August bis zum 14. November 2025. Bisher hatte sie sich nur mit den Geschehnissen bis 1. August beschäftigt. Offenbar soll auch Alfred Gantner vorgeladen werden. Die Kommission will nun genau abklären, welche Rolle die Bundesbehörden und welche die Milliardäre hatten.
Neu sind die Geschichten um den zögernden Bundesrat nicht. Tatsächlich konnte Bern lange hoffen, am Ende besser dazustehen als die Europäische Union. Karin Keller-Sutter war im Mai noch zuversichtlich gewesen, nach Grossbritannien als zweites Land einen Deal abschliessen zu können.
Doch als der Bundesrat die Offerte Anfang Juli vorlegte, hatte Japan den USA bereits Investitionen in der Höhe von 550 Milliarden zugesichert. Ende Juli versprach Südkorea 350 Milliarden Dollar. Auch die EU hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits an Trumps «Art of the Deal» angepasst.
Der Rest ist Geschichte: Am 1. August musste Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter verkünden, sie habe sich nicht mit dem amerikanischen Präsidenten einigen können. Er beharre auf Beseitigung des Güterhandelsdefizits und brumme der Schweiz bis dahin 39 Prozent auf.
Wie viel Zeit der Bundesrat tatsächlich mit internen Vernehmlassungen verloren hat, wird die Aufarbeitung der GPK zeigen. Tatsache ist: Noch im Juli war die Zuversicht im Bundesrat gross. Trumps Finanzminister Scott Bessent, Handelsminister Howard Lutnick und auch der Handelsbeauftragte Jamieson Greer standen hinter dem ausgehandelten Abkommen von 10 Prozent.
Die USA und die Schweiz sind sich einig – doch die Diskussion hierzulande geht gerade erst los
Hätten die Amerikaner weitere Forderungen gestellt, hätte die Schweiz nachgebessert, sagte eine bundesratsnahe Quelle damals der NZZ. Doch die technischen und die politischen Gespräche seien aussichtsreich verlaufen. Guy Parmelin war zuversichtlich, seine Staatssekretärin Helene Budliger Artieda war zuversichtlich, Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter war zuversichtlich. Sie hatten sich mehrfach in Amerika nach dem gegenwärtigen Stand erkundigt, jedes Mal hiess es: alles gut.
Doch Trump unterschrieb nicht: Als das Abkommen Anfang Juli an einer Kabinettssitzung besprochen werden sollte, hatten sich seine Pläne geändert. Ende Juli hiess es plötzlich von amerikanischer Seite, Trump habe genug von komplexen Deals, er wolle Geld sehen.
Das Geld hat die Schweiz mittlerweile in Aussicht gestellt. Eine Einigung zeichnet sich ab. Doch der politische Aufarbeitungsprozess hat erst begonnen.