Steht im Mittelpunkt von Donald Trumps jüngstem Plan zur Beendigung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine nicht Frieden und Sicherheit für Kiew – sondern reines Profitstreben?
Zu Beginn der vielleicht wichtigsten Woche der Krisendiplomatie zwischen Washington, Moskau und Kiew seit Ausbruch des russischen Angriffs vor bald vier Jahren fliegen der US-Regierung Enthüllungen um die Ohren. Sie wecken Zweifel an der Lauterkeit des US-Präsidenten, der nach eigenen Worten das „sinnlose Töten” in der Ukraine beenden will.

Ukraine: USA und Russland arbeiten laut Bericht an „Russlands wirtschaftlicher Wiedergeburt“
Nach einem Bericht des tendenziell Trump-freundlichen „Wall Street Journal” bereiten zentrale Figuren in seinem Umfeld seit Monaten an der Ukraine und Europa vorbei milliardenschwere Wirtschaftsdeals vor, während an der Front gestorben wird und täglich Zivilisten Opfer russischer Raketen und Drohnen werden.
Im Mittelpunkt: Steve Witkoff, Trumps milliardenschwerer Sondergesandter ohne Diplo-Expertise. Jared Kushner, Schwiegersohn des Präsidenten und schon in Saudi-Arabien auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Sowie Kirill Dmitriev, Putins Unterhändler und Chef des russischen Staatsfonds.

Steve Witkoff (rechts) und Jared Kushner: Milliardendeals mit Russland?
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jacquelyn Martin
Gemeinsam arbeiteten sie demnach in Miami/Florida an einem „Pfad für Russlands wirtschaftliche Wiedergeburt“. Ziel ist es, die zwei Billionen Dollar schwere Wirtschaft Russlands durch gemeinsame russisch-amerikanische Unternehmungen zu reanimieren.
Nord-Stream, Arktis, Seltene Erden – wie Trumps Umfeld profitieren könnte
Bestandteile der Blaupause: Zugriff für US-Firmen auf 300 Milliarden Dollar eingefrorenes russisches Zentralbankvermögen für Investitionen in den Wiederaufbau der Ukraine. US-russische Joint Ventures zu Seltenen Erden. Wieder-Einstieg amerikanischer Konzerne in den Rohstoff-Abbau in der Arktis. Wiederbelebung der Nord-Stream-Pipeline. Energie-Geschäfte mit russischen Groß-Konzernen wie Rosneft, Lukoil und Novatek. Und sogar eine gemeinsame Mars-Mission von Roskosmos und Elon Musks Weltraum-Firma SpaceX.

Das Geld aus solchen Projekten würde laut Plan vor allem an Trumps Freunde und Großspender fließen. Gentry Beach etwa, Gründer der Investmentfirma America First Global, College-Freund von Donald Trump Jr. und Wahlkampfspender von Donald Trump, steht in Verhandlungen über den Erwerb einer Beteiligung an einem russischen Gasprojekt in der Arktis, falls die Sanktionen fallen. Der Großspender Stephen P. Lynch arbeitet mit Trump Jr. zusammen, um die teilweise zerstörte Nord Stream 2-Pipeline zu erwerben, die Europa mit Gas aus Russland versorgen kann.

Deal zwischen Russland und den USA? Europäer würden außen vor bleiben
Wie weit die Kontakte gediehen sind, zeigen Angebote der Gegenseite. So haben die eng mit dem Kreml verbundenen Oligarchen Timchenko, Kovalchuk und die Rotenbergs ihren US-Partnern Gaskonzessionen an mehreren Standorten angeboten. Auch der Abbau von Seltenen Erden durch US-Unternehmen in der Nähe der riesigen Nickelmine von Norilsk sei vorstellbar, heißt es.
Wie die Ukraine ökonomisch von dem Projekt profitieren könnte, zeigt der Plan nicht auf. Erkennbar ist, dass europäische Firmen ausgebootet werden sollen.

Trumps Sondergesandter Witkoff: „Lupenreiner Interessen-Makler des Kremls“?
Dass Steve Witkoff kurz vor seiner für diese Woche geplanten sechsten Visite bei Wladimir Putin eine führende Rolle spielt, sorgt bei der demokratischen Opposition für Widerstand. Dort hat man nicht vergessen, dass der langjährige Trump-Freund den Oktober-Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington „de facto sabotiert hat”.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Selenskyj hoffte damals auf die US-Zusage für Tomahawk-Marschflugkörper, die Angriffe auf militärisch wichtige Ziele tief im russischen Hinterland möglich gemacht hätten. Auf Witkoffs Initiative rief Putin kurz vorher Trump an und redete ihm die Lieferung der Langstrecken-Raketen aus. Seither gilt der Witkoff unter Kritikern in Washington als „lupenreiner Interessen-Makler des Kreml, dem die territoriale Integrität der Ukraine nicht wichtig ist“.
Witkoff setzt auf Frieden durch Handel
Dass Witkoff an die Überlegenheit von Business-Themen bei der Lösung des Konflikts glaubt, zeigen schwärmerische Aussagen wie diese: „Russland verfügt über so viele riesige Ressourcen, riesige Landflächen.” Käme eine tragfähige Partnerschaft Washington/Moskau zustande, von der auch die Ukraine profitiere, ergibt sich laut Witkoff „ein Bollwerk gegen zukünftige Konflikte – denn dann geht es allen gut.” Ein europäischer Diplomat in Washington bedauert die Sichtweise: „Wer glaubt, man könne Putin mit Business zähmen, hat nichts aus der Geschichte gelernt.“

Einen Kommentar zu Putins jüngsten Forderungen, die international als inakzeptabel gelten, hat sich Witkoff bisher versagt. Die Ukraine soll sich laut Putin „aus allen russischen Gebieten“ zurückziehen, also auch aus Orten, die Moskaus Armee nie erobert hat. Zudem sei die Selenskyj-Regierung illegitim und somit kein Partner, mit dem man ein Abkommen unterzeichnen könne. Für Europa gleichen diese Forderungen einer Erpressung. Ein deutscher Diplomat sagt: „Das ist kein Friedensangebot. Das ist ein Siegerdiktat.“
Unklar ist, wie sich US-Außenminister und Kreml-Falke Marco Rubio, der sich zuletzt von Witkoff absetzte und dessen 28-Punkte-Plan auf Drängen von Europäern und Kiew abändern ließ, zu dem neuen Vorgehen stellt. Sollte er intervenieren, würde der Chor der amerikanischen Stimmen, die bei der Ukraine durcheinander reden, noch größer. Aber vielleicht fügt sich der ehemalige Senator und Trump-Kritiker auch den neuen Realitäten, die der polnische Regierungschef Donald Tusk so auf den Punkt bringt: „Es geht nicht um Frieden. Es geht um Geschäfte.“