Die letzten zehn Jahre standen – zumindest im Kino – ganz im Zeichen des Kassetten-Spin-offs „Bibi & Tina“ (aktuell 120 Folgen): In vier Kinofilmen, einer Amazon-Staffel sowie einem weiteren Leinwand-Ableger zur Streaming-Serie erlebte die berühmteste Junghexe der Welt ihre Abenteuer also nicht im heimischen Neustadt, sondern mit ihrer besten Freundin Tina auf dem Martinshof und Schloss Falkenstein. Mehr als 20 Jahre nach „Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen“ geht es jetzt aber – endlich – wieder zurück zu den Anfängen der originalen Kassettenserie (aktuell 160 Folgen) …
… oder zumindest so fast: Denn der nach sieben Folgen mehr oder weniger spurlos verschwundene Bruder Boris (sicherlich einer der meistdiskutierten Kriminalfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte) taucht auch in „Bibi Blocksberg – Das große Hexentreffen“ nicht wieder auf. Dafür legt „Die Schule der magischen Tiere“-Regisseur Gregor Schnitzler einen vielversprechenden Franchise-Auftakt für die mit Musical-Einlagen gespickten Fantasy-Familienreihe vor – und das, obwohl „Bibi & Tina“-Stammkomponist Peter Plate diesmal noch daran scheitert, einen weiteren Ohrwurm vom Kaliber eines „Mädchen auf dem Pferd“ (aus „Bibi & Tina: Der Film“) beizusteuern.

Leonine
Jedes Kind weiß, welchen Zauberspruch Bibi Blocksberg (NALA) in diesem Moment gerade ausspricht…
Heute ist es besonders ungünstig, dass Bibi Blocksberg (NALA) mit ihrer – in der Schule eigentlich strengstens verbotenen – Hexerei ein schönes Chaos im Chemieunterricht anrichtet. Schließlich muss sie pünktlich zum großen Hexentreffen, das bloß alle 13 1/3 Jahre stattfindet und auf dem nicht nur ein brandneuer Zauberspruch enthüllt wird, sondern auch über die allgemeingültigen Hexenregeln abgestimmt wird. Normalerweise sind hier zwar keine Junghexen zugelassen, aber Bibis Mutter Barbara (Rosalie Thomass) hat Bibi samt Freundin Schubia (Carla Demmin) auf die Liste mit den Hilfskräften gesetzt. Das Problem ist nur: Für die Hilfskräfte ist diesmal die streng-graue Internatsleiterin Servera (Heike Makatsch) zuständig …
… und die schickt Bibi direkt zum Küchendienst, wo sie von der eigentlichen Veranstaltung gar nichts mitbekommt. Aber Bibi wäre nicht Bibi, wenn sie nicht doch einen Weg finden würde – der dann allerdings auch die eine oder andere unerwünschte Nebenwirkung hat: In diesem Fall steht schon bald das halbe Hexenschloss unter Spülmaschinen-Schaum – und damit kommt Servera nur ihrem Plan noch einen Schritt näher, eine allgemeine Internatspflicht samt Besenverbot bis zum 21. Lebensjahr für alle Junghexen einzuführen. Aber Bibi ohne Kartoffelbrei? Das muss natürlich unbedingt verhindert werden!
Charme statt CGI
Gerade im Vergleich zu den ersten vier „Bibi & Tina“-Filmen richtet sich das neue Kinoabenteuer an ein (noch) etwas jüngeres Publikum: Statt um Teenie-Schwärmereien geht es zu Beginn erst einmal um ganz alltägliche Herausforderungen, mit denen sich jedes Kind sofort identifizieren kann: Anziehen, Zähne putzen, Haare kämmen – all diese nervigen Aufgaben erledigt Bibi gleich in der ersten Szene mit einem flinken „Hex, Hex“ – und die Spezialeffekte mit wie von Geisterhand durchs Zimmer schwebenden Hosen und Bürsten wirken dabei im allerbesten Sinne altmodisch.
Für das junge Publikum ist Kino eh magisch – und die erwachsenen Begleitungen werden direkt mit einer gehörigen Portion Oldschool-Charme mit abgeholt. Später gibt es zwar auch den einen oder anderen neumodischen CGI-Effekt (den sich bis zu den Decken auftürmenden Schaum hätte man gerne real gehabt, aber das wäre an den historischen Originalkulissen vermutlich schwer gegangen). Aber insgesamt hat Gregor Schnitzler sein Budget offensichtlich lieber in Dinge wie farbenfrohe Kulissen & Kostüme gesteckt – gut so!

Leonine
In einem so farbenfrohen Film sticht Heike Makatsch in ihrem grau-grauen Hexen-Ensemble natürlich besonders hervor…
Im Gegensatz zur zeitlosen Aufmachung ist die Thematik sehr wohl zeitgeistig – allerdings ohne sich deshalb direkt plump anzubiedern: Der Sidekick Star (Balthazar Gyan Alexis Kuppuswamy) hat ganz selbstverständlich zwei Mamas (die ihn als Junge auch überhaupt nur mitbringen durften, weil ihr Betreuungsplan kurzfristig ausgefallen ist). Und um die nach streng-autoritärer Erziehung strebende Servera als Bösewichtin zu entlarven, wird ebenfalls nicht zu dick aufgetragen.
Ansonsten pocht „Bibi Blocksberg – Das große Hexentreffen“ nachdrücklich, aber nicht nervig auf das Recht der jungen Generation, über ihre Zukunft frühzeitig mitzuentscheiden – erst recht, wenn auf dem titelgebenden Hexentreffen nicht wie beim Bundestag alle vier Jahre, sondern nur alle 13 1/3 Jahre eine neue Vorsitzende gewählt wird.
Ein toller Cast
Ich habe erst im Abspann bemerkt, dass die neue Bibi-Darstellerin einfach nur NALA genannt wird. Da dachte ich zuerst, dass sie doch bestimmt eine Jung-Sängerin oder gar Jung-Influencerin sein muss – schließlich spielt sie nicht nur mit einer großen Selbstverständlichkeit auf, sondern meistert auch die Tanz- und Musik-Einlagen mit Bravour. Aber Pustekuchen! Offenbar hat man es auch deshalb bei ihrem Spitznamen belassen, um ihre Privatsphäre besser zu schützen – bei einem Nachwuchsstar, gerade wenn sie so früh in ihrer Karriere eine so ikonische Rolle übernimmt, sicherlich gar keine dumme Idee. Aber auch sonst ist das Casting gut gelungen: Maria Happel und Sophie Rois haben als Neustadt-Hexen Walpurgia und Mania vor allem dann spürbar Laune, als sie nach einer von Bibi – leider nicht ganz nach Rezept gekochten – Hexensuppe völlig freidrehen.
Rosalie Thomass ist als Bibi-Mama Barbara einfach super sympathisch – und dank Friedrich Mücke ist selbst Papa Bernhard zum ersten Mal auf der Kinoleinwand kein großes A….loch! Gerade in den Nebenrollen gibt es zudem einige bekannte Gesichter, die bislang noch (zu) kurz kommen: Palina Rojinski („Nightlife“) ist etwa eine super rasende Reporterin, aber ihre Karla Kolumna tritt in diesem Film nur in zwei, drei Szenen auf. Ähnliches gilt für Robert Palfrader (der Dirigent aus „Pumuckl und das große Missverständnis“) als Bürgermeister – und sein legendärer Assistent Pichler hat sogar gerade Urlaub und taucht daher gar nicht auf.
Damit stehen einige Wünsche für die Fortsetzung also jetzt schon fest. Wobei der größte bleibt, dass Peter Plate nach den soliden, aber nicht länger haftenbleibenden Kindermusical-Songs im bereits für 2026 angekündigten „Bibi Blocksberg 2“ zu alter, unwiderstehlicher Ohrwurm-Stärke zurückfindet…
Fazit: Die Songs sind Geschmackssache. Aber ansonsten ist mit „Bibi Blocksberg – Das große Hexentreffen“ ein kunterbunt-charmantes Familien-Musical gelungen, das sich allerdings vornehmlich an ein noch etwas jüngeres Publikum als zuletzt die fünf „Bibi & Tina“-Kinofilme richtet.