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Eine Erhebung zeigt wenig Optimismus in Russlands Industrie. Vor allem Nachfragerückgänge belasten Wirtschaft – während die Kosten im Ukraine-Krieg steigen.

Moskau – Die Lage der russischen Wirtschaft hat ein dramatisches Tief erreicht. Das geht aus einer Berechnung des Instituts für Wirtschaftsprognosen der russischen Akademie der Wissenschaften (IEF RAS) hervor. Davon berichtete zuerst die oppositionelle Moscow Times. Der „Industrielle Optimismusindex“ liegt demnach im November auf dem niedrigsten Niveau seit der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Damals führten die landesweiten Lockdowns zu einer massiven Verschlechterung der russischen Wirtschaft.

Wladimir Putin vor einem russischen Kraftwerk.Die russische Wirtschaft ächzt unter den Kriegskosten. Zinsen und der Fokus auf die Verteidigungsindustrie setzen Unternehmen zu. © Alexandert Nemenov/Valeriy Sharifulin/AFP/dpa (Montage)

Niedriger war der Wert laut der Erhebung nur zur weltweiten Wirtschaftskrise im Jahr 2008/2009. Dabei hatte sich im Oktober dieses Jahres eigentlich sogar ein positiver Trend für die vom Ukraine-Krieg schwer getroffen Wirtschaft von Kreml-Chef Wladimir Putin abgezeichnet, so das IEF RAS. Doch weil sich zentrale Faktoren für russische Unternehmen massiv verschlechtert hätten, sei der Trend abrupt abgebrochen.

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Der Wert zur Bestimmung des „Industrielle Optimismusindex“ ist vor allem wegen drei abgefragter Indikatoren schlechter ausgefallen als im Vormonat. Laut den Forschenden würden die Unternehmen die aktuelle Nachfrage als „unterdurchschnittlich“ beschreiben. Ganze 66 Prozent hätten diese Bewertung abgegeben. Damit liegt die Bewertung der Nachfrage noch unter der zur Zeit der Corona-Lockdowns.

Weiter sei die „tatsächliche Nachfrage“ im Vergleich zum Oktober um drei Punkte gefallen. Im Vormonat sei sie dagegen um 13 Punkte gestiegen, so die Studienautoren. Damit war die Nachfrage im September besonders bitter für die russische Industrie, und ebenfalls schlechter als in den Pandemie-Jahren. Die mangelnde Nachfrage zeigt sich auch an den Unternehmensaussagen zu ihren Fertigwarenlagern. Deren Überschuss sei ebenfalls um zwei Punkte gestiegen. Damit lagern russische Unternehmen mehr Waren, als sie verkauft bekommen.

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Im vergangenen Monat hat ein überraschender Anstieg der russischen Industrieproduktion für Aufsehen gesorgt. Denn die massiven westlichen Sanktionen, hohe Aufwendungen zur Finanzierung des Überfalls auf die Ukraine und Versorgungsängste in der Bevölkerung hatten zuletzt für Krisenstimmung in Russlands Wirtschaft gesorgt. Wie Reuters berichtete, sei der damit größte Anstieg seit Dezember 2024 aber vor allem auf eine Produktionssteigerung in der Verteidigung zurückzuführen.

„Im verarbeitenden Gewerbe, dem größten Segment, wurde das Wachstum weiterhin von den Maschinenbauindustrien getragen, die größtenteils auf den Verteidigungssektor ausgerichtet sind“, zitierte Reuters Denis Popow von der auf die Finanzierung des Militärsektors spezialisierten PSB Bank. Die massenweise Fertigung von Verteidigungsgütern gehe dem Analysten Andrei Melashenko zufolge vor allem auf staatliche Aufträge zurück.

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Anders sieht es demnach in Industriezweigen aus, die nichts mit dem tobenden Ukraine-Krieg zu tun haben. Das russische Center for Strategic Research (CSR) schrieb Mitte November in einer Analyse, dass viele Unternehmen in Russland mit einem massiven Rückgang ihrer Absätze rechneten. Ein Landmaschinenhersteller habe wegen der sinkenden Nachfrage sogar die Vier-Tage-Woche eingeführt.

Das Wirtschaftswachstum nehme entsprechend immer weiter ab. Im September sei diese um lediglich 0,3 Prozent gewachsen, nachdem bereits in den Vormonaten nur wenig Bewegung verzeichnet worden sei. „Der Produktionsrückgang betrifft bereits 16 von 24 Wirtschaftszweigen“, schreiben die Analysten. Unter denen seien auch „Schlüsselbranchen“ wie die Metallindustrie, die chemische Industrie, die Herstellung von Gummi- und Kunststoffprodukten und mineralischen Erzeugnissen, sowie die Herstellung von Erdölprodukten.

Schuld am schleppenden Wachstum ist laut CSR der anhaltend hohe Leitzins der russischen Zentralbank. Das führe dazu, dass etwa jedes vierte Unternehmen seine Kredite nicht mehr zahlen kann. Wegen der Verschuldung sinke die Rentabilität der Unternehmen. Die Situation sei aufgrund variabler Zinsen, also solche, die nicht einem festen Zinssatz unterliegen, für etwa 64 Prozent aller Firmen noch prekärer. Das CSR beschreibt den Verlauf als „Teufelskreis“, bei dem Unternehmen aufgrund der Schulden eine schlechte Kreditwürdigkeit erhalten würden. Das führe dazu, dass auch die Kreditkonditionen für sie schlechter würden. „Dadurch steigt das Risiko einer Insolvenzwelle erheblich, da es den Unternehmen zunehmend schwerfällt, die steigenden Zinsaufwendungen zu decken, während gleichzeitig Nachfrage und Umsatz sinken.“

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Neben hoher Zinsen sind aber auch die Kriegsausgaben ein Knackpunkt für Putins Wirtschaft. Weil die Sanktionen den Druck immer weiter erhöhen und wichtige Handelspartner wie China, Indien oder Taiwan sich weiter abwenden, muss die Bevölkerung mit einer Mehrwertsteuererhöhung nun die Kosten für den Krieg tragen. Und das, obwohl viele bereits beklagten, nicht ausreichend Geld für Nahrungsmittel mehr zu haben.

Eine solche Konsumsteuer könnte für die Unternehmen außerhalb der Kriegswirtschaft aber ein weiteres Problem auftun. Denn mit steigenden Kosten für alltägliche Güter sinken die Konsumausgaben in anderen Bereichen ab. Im September erklärte auch der Experte Andrey Gurkov der Tagesschau, dass der Fokus auf die russische Kriegswirtschaft dem privaten Sektor massiv geschadet habe. „Russlands große wirtschaftliche Plage ist die durch den Krieg bedingte außerordentlich hohe Inflation“, so Gurkov. Der Leitzins sei für Unternehmen oft nicht mehr tragbar.

Und das könnte auch Putin zum Verhängnis werden. Bisher habe es geheißen: „Wir genießen den Konsum, bekommen immer mehr Wohlstand, mischen uns dafür aber nicht in die Politik ein.“ Doch mit dem Ukraine-Krieg ist diese Stabilität unter Putins Präsidentschaft gekippt. Die einzige Rettung für den Präsidenten sei ein Sieg im Krieg gegen die Ukraine. „Das ist das große Problem für Putin. Er muss der Nation einen Sieg präsentieren. Die Menschen müssen zwar vor der Tankstelle Schlange stehenaber wenn Russland diesen Krieg gewinnt, würde man ihm das verzeihen. Das ist eine Erklärung, warum Putin so hartnäckig jegliche Versuche torpediert, einen Waffenstillstand herbeizuführen oder den Krieg zu beenden.“ (Quellen: Moscow Times, IEF RAS, Reuters, Tagesschau) (nhi)