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Trump plant einen wirtschaftlichen Neustart mit Russland. Doch der geheime Plan könnte die Ukraine schwächen und Europa alarmieren.

Washington, D.C./Kiew – In einer Villa in Miami Beach beugen sich Ende Oktober drei Männer über einen Laptop: Donald Trumps Sondergesandter Steve Witkoff, sein Schwiegersohn Jared Kushner und der Kreml-Unterhändler Kirill Dmitrijew. Offiziell arbeiteten sie an einem Vorschlag zur Beendigung des Ukraine-Kriegs, doch tatsächlich soll ein Dokument entstanden sein, das Politik mit milliardenschweren Wirtschaftsinteressen verknüpft. Für Europa und Kiew wirkt es, als solle die Ukraine in einen großen Handelsdeal integriert werden.

Putin und TrumpWladimir Putin und Donald Trump: Nach Recherchen des Wall Street Journal kreisen Gespräche im Umfeld beider Seiten um weitreichende Wirtschaftsdeals – von Arktis-Projekten bis zu Nord-Stream-2 –, die in einen möglichen Trump-Friedensplan für die Ukraine einfließen könnten. © Beide Fotos: MAGO / ZUMA Press Wire

Das Wall Street Journal (WSJ) beschreibt in einer umfassenden Recherche die Grundidee des Projekts: Nach dem Krieg sollen wirtschaftliche Kooperationen zwischen den USA und Russland die neue Basis für Stabilität bilden. Während die Kämpfe andauern, wird bereits überlegt, wie Russland nach einem Waffenstillstand wieder in die globale Wirtschaft integriert werden könnte – mit amerikanischen Unternehmen an vorderster Front.

„Friedensplan“ und Milliarden-Deal: Trumps Vision für die Ukraine

Das WSJ enthüllt, dass in Miami ein 28-Punkte-Plan entwickelt wurde, der sowohl ein Kriegsende als auch einen umfassenden US-russischen Wirtschaftsneustart anstrebt. Im Zentrum steht die Nutzung von etwa 300 Milliarden Dollar eingefrorener russischer Zentralbankgelder für gemeinsame Projekte, einschließlich eines von den USA geführten Wiederaufbaus der Ukraine und neuer Kooperationen in der Arktis.

Zusätzlich geht es um Energieprojekte, seltene Erden und eine mögliche Wiederbelebung von Nord Stream 2. Russische Oligarchen aus Wladimir Putins engstem Kreis sondieren bereits Kontakte mit amerikanischen Firmen, so die Reportage. Witkoff argumentiert, dass dauerhafter Frieden entstehe, wenn alle Beteiligten von gemeinsamen Geschäften profitieren.

Putins Verbündete: Diese Länder stehen im Ukraine-Krieg an der Seite RusslandsRusslands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen der Gemeinschaft unabhängiger StaatenFotostrecke ansehenTrumps Umfeld liebäugelt mit dem großen Geschäft mit Putin

Laut den Recherchen könnten enge Vertraute aus Trumps Umfeld von potenziellen Projekten in der Arktis profitieren. Der Investor Gentry Beach, ein Studienfreund und Trauzeuge von Donald Trump Jr., erwägt den Einstieg in ein russisches LNG-Projekt, vorausgesetzt, die Sanktionen werden gelockert. Auch der US-Investor Stephen P. Lynch bemüht sich um Genehmigungen für einen möglichen Kauf der beschädigten Pipeline Nord Stream 2.

Parallel dazu, so das WSJ, führen ExxonMobil-Manager Gespräche mit Rosneft über eine Rückkehr in das riesige Gasprojekt von Sachalin. The Daily Beast fasst den Ansatz zusammen: Im Mittelpunkt der Friedensbemühungen stehen nicht Verhandlungen, sondern die Aussicht auf massive Gewinne. Russland versuche gezielt, amerikanische Unternehmen als bevorzugte Partner zu gewinnen und Europa auszustechen.

Verhandlungen über die Ukraine: Witkoff und Putin mit kurzem Draht

Besonders brisant ist laut dem WSJ-Bericht und Informationen des Kyiv Independent, dass Witkoff Putin mehrmals ohne US-Dolmetscher traf und teilweise über Kreml-Übersetzer verhandelte. Diese Treffen dauerten mehrere Stunden, während klassische diplomatische Strukturen in Washington nur teilweise informiert wurden. Europäische Sicherheitsbehörden erfuhren von wirtschaftlichen Details über einen geheimen Papierbericht, der wie ein Warnsignal durch mehrere Hauptstädte gegangen sein soll.

Ein Telefonat, das an die Öffentlichkeit gelangte, zeigt, wie Witkoff Putins Berater Juri Uschakow Ratschläge gab, um den Kremlchef erfolgreicher auf Trump einzuwirken, berichtete unter anderem The Atlantic. Kurz darauf fand ein über zweistündiges Telefonat zwischen Putin und Trump statt, das später als entscheidender Moment für die weitere Ausrichtung der US-Position bewertet wurde.

Trump-Plan laut „Wall Street Journal“: Zentrale Elemente

Finanz- und Wirtschaftsprojekte
– Nutzung von rund 300 Milliarden US-Dollar eingefrorener russischer Zentralbankgelder für gemeinsame US-russische Investitionsmodelle
– US-geleiteter Wiederaufbau der Ukraine mit starkem Einfluss amerikanischer Firmen
– Neue Arktis-Kooperationen zu Gas, Öl und seltenen Erden
– Gespräche über eine mögliche Rückkehr großer US-Konzerne nach Russland (darunter ExxonMobil)
– Sondierungen über eine Wiederbelebung von Nord Stream 2

Politische Brisanz des Entwurfs
– Enthält territoriale Zugeständnisse zulasten der Ukraine
– Forderungen nach einer Begrenzung der ukrainischen Armee
– Fragen zu einer möglichen NATO-Distanzierung
– Hinweise auf enge Kontakte des Trump-Vertrauten Steve Witkoff zu Kreml-Unterhändler Kirill Dmitrijew

Profitinteressen im Umfeld Trumps
– Investor Gentry Beach prüft Einstieg in Arktis-LNG-Projekte
– US-Investor Stephen P. Lynch zeigt Interesse an Nord-Stream-2-Strukturen
– Russische Oligarchen sondieren Optionen für Deals mit US-Firmen

Reaktionen aus Europa und der Ukraine
– Polens Premier Donald Tusk kritisiert: „Das ist nicht Frieden. Das ist Geschäft.“
– Kiew und EU-Diplomaten warnen vor Zugeständnissen zulasten der Ukraine
– Sorge vor einer Spaltung zwischen USA und Europa

Selenskyj und die Ukraine: Kurzfristig doch keine Tomahawks, dafür nutzloses US-Angebot

Nach Angaben des WSJ wollte Trump im Oktober ursprünglich Tomahawk-Marschflugkörper für die Ukraine freigeben, um russische Infrastruktur unter Druck zu setzen. Nach Putins Anruf zog er die Zusage zurück. Beim Treffen mit Wolodymyr Selenskyj wurde der Wunsch nach Langstreckenwaffen abgelehnt, notiert die New York Times.

Witkoff versuchte anschließend, der Ukraine stattdessen ein zehnjähriges US-Zollmoratorium schmackhaft zu machen, berichtet Ukrainska Pravda. Experten betonen jedoch, dass die USA nur etwa zwei Prozent des ukrainischen Exports ausmachen – ein Wegfall der Zölle hätte daher kaum Wirkung. Gleichzeitig fordert der bisherige Friedensplan deutliche militärische und territoriale Zugeständnisse von Kiew.

Witkoff drängt pro-ukrainische Stimmen im Weißen Haus zurück

Der Kyiv Independent beschreibt einen internen Machtkampf, bei dem Witkoff pro-ukrainische Stimmen im Weißen Haus zurückdrängt. Besonders betroffen ist demnach Trumps eigentlicher Ukraine-Sondergesandter Keith Kellogg, der dem Papier zufolge im Januar ausscheiden soll und zuvor als einer der härtesten Kritiker russischer Angriffe galt.

Trump verteidigt derweilen Witkoff. Das geleakte Telefonat bezeichnete er laut New York Times als „eine normale Sache“ eines Verhandlers. Kritiker in Europa und den USA warnen jedoch, der Plan belohne russische Aggression und schwäche die Ukraine an entscheidenden Stellen.

„Geheimplan von Miami“ und der Ukraine-Krieg: Welche Interessen setzen sich durch?

Der Streit um den „Geheimplan von Miami“ verdeutlicht, wie stark wirtschaftliche Interessen und geopolitische Sicherheitsfragen ineinandergreifen. Europa fürchtet einen Frieden, der Russland stärkt und die Ukraine schwächt. In den USA dreht sich die Debatte darum, ob Washington als Sicherheitsgarant oder als wirtschaftlicher Profiteur auftreten soll.

Letztlich steht die Frage im Raum, ob Trumps Ansatz Stabilität bringt oder lediglich ein Intermezzo schafft, das den nächsten russischen Angriff nach dem Ukraine-Krieg vorbereitet. Die Entscheidung, ob Frieden oder Milliarden im Mittelpunkt stehen, wird die Nachkriegsordnung Europas maßgeblich prägen. (Quellen: The Wall Street Journal, Ukrainska Pravda, The Daily Beast, The Atlantic, The Kyiv Independent, New York Times) (chnnn)