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Merz empfängt Tusk, Macron begrüßt Selenskyj. Die Verhandlungen im Ukraine-Krieg laufen auf Hochtouren. Wir fassen zusammen, was für Sie als FR-Leser:in heute wichtig wird und liefern die Argumente für die Kaffeeküche.

Die Diplomatie im Ukraine-Krieg läuft auf Hochtouren: Die 28 Punkte aus Donald Trumps russlandfreundlichem Friedensplan sind wieder vom Tisch, in Florida wurde am Wochenende nachverhandelt. Nun stehen parallel zwei Gipfeltreffen in Europa auf dem Programm.

Sowohl in Berlin als auch in Paris werden sich die Gespräche um die Zukunft des von Russlands Präsidenten Wladimir Putin losgetretenen Ukraine-Krieg drehen – und um Europas Rolle in den Friedensbemühungen. Wir erklären Ihnen, wie diese Termine entscheidend für den weiteren Verlauf des Krieges werden könnten und liefern Ihnen die Argumente für die politische Diskussion in der Kaffeeküche.

FR-üh Radar

Das steht heute an: In Paris treffen sich Emmanuel Macron und Wolodymyr Selenskyj. Die Präsidenten Frankreichs und der Ukraine beraten über die laufenden Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg. Parallel dazu empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz um 14:30 Uhr den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt. Es stehen die 17. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen auf dem Programm. Bei den Gipfel in Berlin und Paris beraten die Staats- und Regierungschefs der größten Armeen der Europäischen Union (EU) über die sicherheitspolitische Lage in Europa.

Die Ausgangslage

Wir erklären Ihnen den Hintergrund zu den heutigen Terminen: Bereits am Wochenende reiste eine ukrainische Delegation unter der Leitung von Rustem Umerow, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, nach Florida. Dort trafen sie US-Außenminister Marco Rubio, den Sondergesandten Steve Wittkoff und Jared Kushner, Berater der US-Regierung und Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump. Ziel der Ukrainer war es laut eines Berichts der Nachrichtenagentur AFP, den 28 Punkte umfassenden Friedensplan zu überarbeiten, auf den sich die Trump-Regierung zuvor bei Verhandlungen mit Russland geeinigt hatte. Kreml-Chef Wladimir Putin bezeichnete die überarbeitete Fassung laut AFP als mögliche „Grundlage für zukünftige Vereinbarungen“, beharrt aber weiterhin auf dem Rückzug der ukrainischen Armee aus den von Russland zwar beanspruchten, aber nur zum Teil besetzten Gebieten.

Donald Tusk, Wolodymyr Selenskyj, Emmanuel Macron, Keir Starmer und Friedrich Merz bei einem Treffen im Mai 2025 in Albanien. Donald Tusk, Wolodymyr Selenskyj, Emmanuel Macron, Keir Starmer und Friedrich Merz bei einem Treffen im Mai 2025 in Albanien. Die Staats- und Regierungschefs von Polen, der Ukraine, Frankreich, Großbritannien und Deutschland beraten über Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg. © imago

Die Verhandlungsposition der Ukraine dürfte bei den Beratungen um ein Ende des Kriegs mit Russlands derzeit geschwächt sein. Grund dafür ist die Korruptionsaffäre um Präsidialamtschef Andrij Jermak, der zurücktreten musste und nicht mehr als Hauptunterhändler fungiert.

Die Crux

Hier erfahren Sie, worum es geht, worauf es ankommt und woran es hängt: Das zentrale Problem liegt in den unterschiedlichen Vorstellungen über einen möglichen Frieden zwischen der Ukraine und Russland. Der ursprüngliche US-Plan sah vor, dass die Ukraine nicht nur die von Russland besetzten Gebiete im Osten abtreten, sondern auch noch nicht eroberte Regionen aufgeben sollte. Zudem sollte die Regierung Selenskyjs auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichten. Die Streitkräfte der Ukraine sollten außerdem stark verkleinert werden.

FR-üh dran – Die Lage am Morgen

In unserem täglichen Briefing informieren wir Sie über die wichtigsten Termine des Tages, erklären Hintergründe und liefern Ihnen passende Argumente für die politische Debatte in der Kaffeeküche.

Ihnen fehlen Argumente, Sie widersprechen unseren oder Sie möchten diese ergänzen? Dann diskutieren Sie mit in der Kommentarspalte unter jeder Ausgabe.

Nach Gesprächen in Genf wurde der Plan zugunsten der Ukraine überarbeitet, wie AFP meldet. Heute geht es darum, wie Europa auf diese Entwicklungen reagiert. Selenskyj und Macron werden den Zusammenhalt Europas im Angesicht der russischen Aggression betonen. Merz und Tusk beraten über die bilateralen Beziehungen und bemühgen sich laut Terminankündigungen ihrer Regierungen um den Ausbau der „sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit“ – ein klares Signal in Richtung Moskau.

Espresso-Argumente für die Kaffeeküche

So widerlegen Sie falsche Behauptungen oder irreführene Argumente bei der politischen Debatte in der Kaffeeküche: „Die Ukraine muss endlich Kompromisse eingehen“ – die Behauptung übersieht, dass die Ukraine bereits massive Verluste im Krieg mit Russland erlitten hat. Das Land verteidigt seine territoriale Integrität. Russlands Friedensvorschlag legitimiert den Landraub und würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Putins aggressive Außenpolitik wäre erfolgreich gewesen und der Kreml-Chef dürfte sich ermutigt fühlen. Echte Kompromisse müssen von beiden Seiten kommen, nicht nur von der Angegriffenen.

„Europa sollte sich aus dem Konflikt heraushalten“ – Dieses Argument ist naiv und gefährlich. Russlands Angriff auf die Ukraine bedroht die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur. Wenn Europa jetzt wegschaut, könnte Putin nach der Ukraine als nächstes NATO-Mitglieder wie die ehemaligen Sowjet-Staaten im Baltikum oder Polen ins Visier nehmen. Die heutigen Gespräche zwischen Merz und Tusk zeigen: Besonders Osteuropa weiß, was auf dem Spiel steht.

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„Die USA entscheiden sowieso alles allein“ – Die USA sind mit ihrer militärischen und wirtschaftlichen Macht ganz sicher der wichtigste Faktor in Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs. Aber genau deshalb sind die heutigen Gespräche in Europa so wichtig. Die EU und die Ukraine müssen ihre eigene Stimme in den Friedensverhandlungen finden. Sie dürfen nicht zu Zuschauerinnen amerikanischer Diplomatie werden, sondern müssen selbstbewusst europäische Interessen formulieren.

Blick nach Vorne

Lesen Sie hier schon heute, was als nächstes passieren wird: Merz empfängt Tusk um 14:30 Uhr. Im Anschluss werden Beratungen stattfinden und eine gemeinsame Pressekonferenz, auf der beide eine gemeinsaem Erklärung zu den Themen Sicherheit, Wirtschaft und Energie abgeben werden. Selenskyj wird laut France24 um die Mittagszeit in Paris erwartet. Auch nach dem dortigen Treffen mit Macron soll eine gemeinsame Pressekonferenz stattfinden. Andernorts werden sich die diplomatischen Aktivitäten in den kommenden Tagen ebenfalls intensivieren. Laut AFP will US-Verteidigungsstaatssekretär Dan Driscoll Anfang der Woche nach Kiew reisen. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll seinerseits in Moskau mit Putin über den Ukraine-Plan sprechen.

Echt jetzt?!

Wetten, dass Sie damit nicht gerechnet haben? 100 Millionen Dollar – so viel Geld soll laut Euronews aus dem ukrainischen Energiesektor durch Korruption verschwunden sein. Das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt von 20 der ärmsten Länder der Welt zusammen. Der Korruptionsskandal hatte den Rücktritt von Präsidialamtschef Andrij Jermak zur Folge und schwächte die Verhandlungsposition Kiews in dieser entscheidenen Phase in den Friedensverhandlungen. Die Zahl steht für eine bittere Ironie: Während an der Front ukrainische Soldat:innen ihr Leben für die Unabhängigkeit ihres Landes geben, bereichern sich im Hintergrund offenbar einige wenige auf Kosten des Staates.