Am Ende jubelt der HSV. Der VfB steht mit leeren Händen da. In unserer Bildergalerie finden Sie mehr Impressionen vom Spiel. Foto: IMAGO/STEINSIEK.CH
In Hamburg kassiert der VfB in der Nachspielzeit und in Überzahl eine völlig unnötige 1:2-Niederlage. Die Analyse zum Spiel.
Kann man ein Spiel auf blöde Art und Weise verlieren? Man kann. Der VfB Stuttgart lieferte am Sonntag den Beweis dafür. Es lief bereits die Nachspielzeit, als die Gäste noch einmal in aussichtsreicher Position zum Freistoß bereitstanden. In Überzahl. Doch Angelo Stiller spielte den Ball beim Stand von 1:1 den Gastgebern direkt in die Beine, die zum Gegenangriff ansetzten. Konterabsicherung? Nicht vorhanden. Das Ende vom Lied war der viel umjubelte Siegtreffer durch Fabio Vieira (90.+4) zum 2:1.
Undav nimmt Gegentor auf seine Kappe
Deniz Undav nahm den Gegentreffer auf seine Kappe. Der Stürmer sprach von einer „Misskommunikation“ mit Stiller. „Ich habe ihm was erklärt, was er nicht verstanden hat. Mein Fehler.“ Jamie Leweling sah es ähnlich: „Wir wollten was ausprobieren. Wenn es klappt, sieht es top aus. So ist es sehr, sehr schade.“ Denn damit ist der jüngste Höhenflug des Pokalsiegers fürs Erste beendet.
Sebastian Hoeneß sprach von „keinem richtig guten Spiel seiner Mannschaft“. Er hatte die Rotations-Maschine zuvor mal wieder voll aufgedreht. Keine zehn Wechsel waren es dieses Mal. Dafür sieben, aber die hatten es in sich. So verzichtete der Coach auf den Mann der Stunde, auf Deniz Undav. Auch Stiller nahm zunächst auf der Bank Platz. Stattdessen sollten es Chris Führich, Bilal El Khannouss und Badredine Bouanani an vorderster Front richten.
In der Stille des Volksparks im Zuge der Fanproteste gaben die Gäste von Beginn an den Ton an. Hohes Pressing, viel Ballbesitz – die Hoeneß-Elf wollte keinen Zweifel an ihrer Favoriten-Rolle aufkommen lassen. Bouanani vergab früh die Chance zur Führung. Die dann der HSV erzielte. Alexander Rössing-Lelesiit ließ die halbe Stuttgarter Defensive stehen, bediente Robert Glatzel, der keine Mühe hatte, Alexander Nübel zu überwinden. Ausgerechnet Glatzel. Er sollte den Probemlöser in der Hamburger Offensive geben, die mit neun Treffern bis dahin torungefährlichste der Liga. Was auch gelang.
Der Anfang vom Ende: Die missglückte Stuttgarter Freistoßvariante in der Nachspielzeit. Foto: IMAGO/STEINSIEK.CH
Bisher hatte Hoeneß bei seinen Rotationen ja stets ein gutes Gespür bewiesen, wer wann auflaufen soll. Und die oftmals überraschend hinein rotierten Spieler dankten es ihm mit guten Leistungen. Gegen die Norddeutschen erwies sich das Loch in der Mittelstürmer-Position nach dem Rückstand aber als zu groß. Irgendwie fühlte sich in letzter Linie niemand so recht zuständig. So mangelte es an echter Torgefahr.
Und der Aufsteiger tat, was Aufsteiger so tun. Leidenschaftlich verteidigen – und nach vorne flogen die langen Bälle. Was nicht ungefährlich war. Ramon Hendriks lieferte sich packende Duelle mit Rayan Philippe. Ansonsten hielten sich die Höhepunkte in den ersten 45 Minuten in Grenzen. Kurz vor der Pause musste der engagierte, aber harmlose Chris Führich verletzungsbedingt für Undav Platz machen.
„Wir hatten Kontrolle, aber keinen Output“
Die Relegation 2022 an gleicher Stelle markierte für die Stuttgarter bekanntlich die Wende zum Guten. Sollte die Einwechslung des Torjägers dieses Mal dasselbe bewirken? Er hatte in den vergangenen vier Spielen dreimal so viel Tore erzielt wie die Hamburger insgesamt. Am Sonntag tat er sich zunächst schwer. Wie der gesamte VfB. Viel Ballbesitz, wenig Torgefahr und noch weniger Ertrag – so ließ sich das Spiel über weite Strecken zusammenfassen. Oder wie Hoeneß es formulierte: „Wir hatten Kontrolle, aber keinen Output.“ Er reagierte und legte mit Jamie Leweling für Pascal Stenzel nach.
Und lag damit – mal wieder – richtig. 54. Minute: Der Nationalspieler packte einen fiesen Flatterball aus, den HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes nach vorne abprallen ließ. Undav war in bester Undav-Manier per Abstauber zur Stelle – 1:1. Nun hatte sich der Europaleague-Teilnehmer inmitten englischer Wochen in die Partie gearbeitet. Bouanani und El Khannouss machten ordentlich Betrieb, die Statistik wies mehr als doppelt so viele Pässe und Torschüsse gegenüber den Hanseaten auf. Von denen Mitte der zweiten Hälfte kaum mehr Entlastung kam.
Spätestens nach der – nicht zwingenden – Gelb-Roten Karte für Rössing-Lelesiit zehn Minuten vor Abpfiff, schien das Spiel in Richtung des VfB zu kippen. Doch dann kam die verunglückte Freistoßvariante – und alles anders. „Ein unnötiges Tor“, stöhnte Leweling, „dann verlierst du halt leider.“ Hoeneß ergänzte: „Das ist brutal und habe ich so auch noch nie erlebt.“