Im Sprengel-Museum lachen die Blumen: Sie haben bunte Blätter, kleine Augen und ein breites Lächeln im Gesicht. In verschiedenen Größen ziehen sie sich über eine vier Meter hohe Wand – und als wenn das noch nicht genug Farbe wäre, stehen davor zwei Blumenskulpturen und lenken winkend die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Doch die Fratze der überdimensionalen Pflanze macht schnell klar, dass mehr hinter dem kindlich-fröhlichen Schein liegen muss.
Ihr Schöpfer ist der japanische Künstler Takashi Murakami (geboren 1962), der nicht nur für seine Emoji-Blumen bekannt ist, sondern auch für seine Ästhetik, bei der er traditionelle japanische Kunst mit zeitgenössischen Themen aus der Popkultur verbindet.
Seine Werke sind nun mit Arbeiten von Yayoi Kusama (1929) und Niki de Saint Phalle (1930–2002) in Hannover zu sehen – es ist zum ersten Mal, dass die drei Künstler in einer gemeinsamen Ausstellung zu sehen sind. Als Kunstikonen sind sie längst auch in der Popkultur angekommen – und so überrascht es kaum, dass „Love you for infinity“, so der Titel der Schau, schon jetzt als Blockbuster-Ausstellung gilt. Seit der Eröffnung im September wurde so viel Publikum angezogen, dass das Museum sogar seine Besuchszeiten verlängert hat. Ein schöner Erfolg: Denn mit der bildgewaltigen und aufwendig inszenierten Schau feiert das Sprengel-Museum ein besonderes Jubiläum. Vor 25 Jahren hat es mehr als 400 Arbeiten von Niki de Saint Phalle geschenkt bekommen und besitzt seitdem die weltweit größte öffentliche Sammlung der Malerin. Doch statt einer einfachen Retrospektive hat sich das Team für eine Gegenüberstellung jener drei Positionen entschieden. Und die passen nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich gut zusammen.
Gleich am Anfang des Rundgangs stellen sich die drei Kunststars mit ihren Markenzeichen vor: Neben Murakamis Emoji-Flowers ist da ein mit Punkten besetzter Kürbis von Yayoi Kusama und die bunte Nana „Gwendolyn“ von Niki de Saint Phalle. Insgesamt sind es 120 Exponate, die auf 2000 Quadratmetern entdeckt werden können. Unterteilt sind sie in Themenräume, die mal von Liebe, mal von Sexualität, von großen Utopien oder dem Bezug zum Kommerz handeln. Immer wieder lernen die Besucher dabei auch Neues oder entdecken fast Vergessenes: Niki, so wird die Künstlerin kurz genannt, ist zwar heute vor allen Dingen für die Nana Figuren berühmt, bekannt wurde sie aber in den 1960er-Jahren mit ihren „Schießbildern.“ Sie schoss auf Farbbeutel, die sich in Objekten und Skulpturen verbargen – und rebellierte damit gegen traditionelle Kunstformen. Überhaupt wird auch ein Blick hinter die augenscheinlich fröhliche Fassade der drei Ikonen geworfen. Kusama lebt freiwillig in einer Psychiatrie, seit ihrer Kindheit leidet sie unter anderem an Halluzinationen. Dass sie viele Gegenstände mit ihren berühmten „Polka Dots“ versieht, liegt auch daran, dass sie ihnen damit das Furchterregende nehmen möchte. In Drachen-Kreationen stellt Niki sich ihren Ängsten und Murakami schafft Figuren, die in ihrer Niedlichkeit zugleich verstörend wirken.
Zum Abschluss gibt es ein großes Finale: Wer den letzten Raum betritt, findet sich in der Unendlichkeit wieder. Mit einem Spiegelboden, in denen sich die Skulpturen verdoppeln, bekommen die Besucher einen Eindruck davon, was es heißt, keinen Anfang und kein Ende zu kennen. Für noch mehr Unendlichkeitsgefühl können sie eine Minute lang einen Infinity Room von Yayoi Kusama betreten – sie hat mehrere solcher Installationen geschaffen. Und weil diese sich so gut für Instagram fotografieren lassen, wurde sie damit zum Social-Media-Star.
Raus aus der Unendlichkeit erfahren die Besucher, wie es im Inneren von Nikis Skulpturen aussieht. Ihr glitzernder Totenkopf „Skull“ wird nicht umsonst „Meditation Room“ genannt. Niki lädt nicht nur zum Betreten, sondern auch zum Platznehmen und Philosophieren über Leben und Tod ein. Entstanden ist die Arbeit, als sie sich intensiv mit dem Tod auseinandersetzte – damals nämlich waren einige ihrer Bekannten an Aids gestorben. Umso tröstender die Botschaft, mit der sie die Besucher aus der Ausstellung entlässt. Gleich unter dem „Exit-Schild“ hängt ein Bild von ihr mit der Zeile: „Der Tod existiert nicht, das Leben ist ewig.“