Man wird es vermissen, das kosmopolitische Stimmengewirr dieses fröhlich-aufgekratzten Völkchens, das auch an frühen Sonntagmorgen verlässlich fast die gesamte U2 stadtauswärts in Beschlag nahm. Wie die Lemminge strömten Aussteller und Besucher um kurz vor neun Uhr vom Ausgang Messestadt West Richtung Eingang – kaum einer von ihnen wird je erfahren haben, dass es rechter Hand der U-Bahn ein Einkaufszentrum namens Riem-Arcaden gibt.
Ispo-Menschen kennen nur den Weg nach links – und werden sich künftig umstellen müssen. Bei der nächsten Ispo, der Fachmesse für die Sportbranche, vom 3. bis 5. November 2026 werden die Wegweiser außer in englischer in niederländischer Sprache formuliert sein. Denn: Ispo goes Amsterdam. Oder wie es auf dem Plakat vor Halle A1 heißt: „The future of Sports gets a new home.“
Das klingt so lapidar und geschäftsmäßig: Die Ispo zieht um. Der zu recht unvergessene Fußballtrainer Dragoslav Stepanovic hat es einst auf den Punkt gebracht: „Lebbe geht weider.“ Klar, das wird es. Muss ja, wie man so sagt. Und dass es so nicht weitergehen würde mit der Ispo, ist allen Beteiligten länger klar. Die Aussteller haben schon vor Jahren, spätestens seit Corona, angefangen abzustimmen: mit den Füßen.
Immer mehr große Firmen blieben dem einst unverzichtbaren Branchentreff fern, und wer heute in den Ispo-Hallen mit Menschen aus der Szene spricht, erlebt keine Unterhaltung ohne das sinnbildliche Achselzucken, das da sagt: War absehbar. Wobei es nur bedingt stimme, dass die großen Marken nicht da seien, sagt ein Insider: „Die sind schon da – aber auf dem Gang statt am eigenen Stand. Zum Schauen sind alle da.“
Beim Marsch durch die verbliebenen acht Hallen kriecht einem der Begriff Totentanz ins Hirn, unterlegt wahlweise mit dem Lied „Time to Say Goodbye“ oder der The Doors-Zeile „This is the end“. Der Schwund macht sich schon beim „Ispo-Planer“ mit dem Herstellerverzeichnis bemerkbar: früher telefonbuchdick, heute nur mehr ein dünnes Blättchen. Aber Telefonbuch ist ja auch von vorgestern.
Die Fachkompetenz ist auch schon weg: Fragt man am Infostand nach Salewa, bekommt man zur Antwort: „Wie schreibt man das?“ In Halle A1, wo früher das wilde Aussteller-Leben tobte, dämmert es einem: Die einzigen Wirtschaftszweige, die bei dieser Ispo ein gutes Geschäft machen, sind wohl Hersteller von Topfpflanzen sowie Produzenten von Raumteilern, Paravents und Sitzgelegenheiten aller Art. In der hinteren Hälfte von A1 ist so viel Raum für Notizen, dass ein ausgewachsenes Eishockeyfeld Platz hätte. Stattdessen: ein übermannshohes Pflanzen-Ensemble und ein paar ungenutzte Campingstühle.
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Springschuhe, ein Ganzkörperroll-Anzug, Snowtrikes: Mehr als fünf Jahrzehnte lang wurden auf der Ispo Sport-Innovationen präsentiert. Da kam so einiges zusammen.
Von David Costanzo und René Hofmann
So sieht es auf der gesamten Ispo aus: viel Luft statt drangvoller Enge, was das Bummeln natürlich angenehmer macht. Überhaupt ist man so schnell durch wie nie – weil wenig zum Verweilen einlädt, mal abgesehen von den Padel- und Pickleball-Courts in Halle B2, der einzigen, wo sich etwas Leben rührt. Steffi Graf grüßt jedoch nur vom hauswandhohen Plakat herunter – vor einem Jahr spielte ihr Gatte Andre Agassi hier noch Ball über die Schnur.
Was ebenfalls auffällt: unfassbar viele Aussteller aus Asien, deren Am-Stand-Herumsteher jedoch überwiegend in ihre Smartphones versunken sind. Kundschaft? Nö, du. Und wer doch mal mit dem weltweit ersten Tennis-Roboter ein paar Bälle schlagen will, muss zunächst einen QR-Code scannen und eine umständliche, maximal neugierige Anmeldemaske ausfüllen, um dann statt der versprochenen hundert Bälle nicht mal ein Dutzend Filzkugeln vor den Schläger zu bekommen, und die noch dazu in einem höchst lebensfernen Rhythmus. Franz Beckenbauer würde sagen: „We call it a Trauerspiel.“ Und er würde nicht nur den lahmen Roboter meinen, sondern das große Ganze namens Ispo.
Was genau die Ispo 2025 ist? Laut Veranstalter „das internationale Flagship Event der globalen Sportbranche und der Moment im Jahr, an dem die Aufmerksamkeit der gesamten Industrie zusammenkommt“. Die Messe stehe für „eine holistische Perspektive auf Sport: vernetzt mit Lifestyle, Sustainability, Health und Tech, getrieben von Innovation“. Schön gesprochen. Entlang der „gesamten Wertschöpfungskette, von Materialien und Herstellung (Upstream & Supply) über Marken und Produkte (Brands & Products) bis zu Handel und Kundenerlebnis (Commerce & Experience) bringt Ispo Sport Business Professionals und deren Neuheiten, Ideen und Lösungen zusammen“, heißt es.
Das hat seinen Preis: Schon im Vorjahr musste man als Fachbesucher 300 Euro Eintritt zahlen; heuer gab es mehrere Konferenzen, für die man zusätzliche Tickets benötigte, Kostenpunkt: zwischen 150 und 450 Euro. Und da sind die Butterbrezn für 3,50 Euro nicht dabei.
Klar haben sich die Veranstalter bemüht, ein möglichst buntes Programm zu bieten. Am Sonntagfrüh um acht Uhr gabs Backroll Morning Yoga in der Phygital Sports Arena, um neun Uhr gefolgt vom „Creators Morning Brunch“ im House of Content. Ab halb zehn Uhr wurde Basketball gezockt, zuerst am Bildschirm, dann auf dem realen Platz, so richtig mit Schwitzen. Gar nicht mal so abwegig, dass dieser Mix Zukunft haben könnte.
Auf der letzten Münchner Ispo wird gepadelt, … (Foto: Stephan Rumpf)
… gechillt und … (Foto: Stephan Rumpf)
… gestochen. Wer möchte, kann sich das Ispo-Logo tätowieren lassen. (Foto: Stephan Rumpf)
Ein paar Schritte weiter in der „Zeitgeist Arena“ gibt es tatsächlich kostenlose Mini-Tattoos. „Hanneloresticht“ heiße ihr Haidhauser Laden, erzählt die Chefin, die ihrer internationalen Kundschaft praktisch im Akkord die Tinte unter die Haut jubelt. Die beliebtesten Motive? „Herzen. Berge auch. Und für die Nostalgiker: das Ispo-Logo.“
Wer wohl mitgehen wird nach Amsterdam? Schwer zu sagen. Maximilian Ott ist noch unentschieden. Der Allgäuer Geschäftsführer von „Spirit of Om Naturtextilien“ ist zum ersten Mal auf der Ispo, doch außer ein paar netten Kontakten sei nicht viel herausgesprungen: „Es kommen eher Leute, die uns was verkaufen wollen.“ Sein Großonkel sei in den 60er-Jahren schon hier gewesen, als Ski-Handelsvertreter, erzählt Ott: „Da ist dann jetzt eine Institution weg, wenn die Ispo umzieht. Schon schad.“
