Polens Regierungschef Donald Tusk hat die Bundesregierung aufgefordert, möglichst schnell Unterstützung für die noch lebenden Opfer der deutschen Besatzung in Polen während des Zweiten Weltkriegs zu leisten.

„Beeilt euch, wenn ihr wirklich diese Geste machen wollt“, sagte Tusk nach den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Berlin bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

Der polnische Ministerpräsident verwies darauf, dass die Zahl der noch lebenden Opfer des Nazi-Terrors in seinem Land ständig zurückgehe.

Als der damalige Kanzler Olaf Scholz im Juli 2024 diese Unterstützung versprochen habe, hätte es nach Angaben der Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung noch 60.000 lebende Opfer gegeben, mittlerweile seien es noch 50.000. Rechnet man das um, sind seitdem pro Tag mehr als 20 Opfer gestorben.

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„Wenn wir hier nicht bald eine eindeutige und schnelle Erklärung bekommen, erwäge ich, im kommenden Jahr die Entscheidung zu treffen, dass Polen diese Bedürfnisse aus eigenen Mitteln befriedigt“, sagte Tusk. Mehr wolle er dazu zunächst nicht sagen. 

Merz wurde bei dem Thema nicht konkret. „Ich bitte um Verständnis, dass wir jetzt hier keine Summen nennen. Aber gehen Sie bitte davon aus, dass auch die ja von mir geführte Bundesregierung sich ihrer historischen Verantwortung gegenüber unserem Nachbarn Polen sehr bewusst ist und dass wir Gespräche auch weiter miteinander führen“, sagte er lediglich.

Polens Präsident Nawrocki pocht auf Reparationszahlungen

Der Umgang mit den dramatischen Folgen der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg ist ein Dauerthema in den Beziehungen beider Länder.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und Bundeskanzler Friedrich Merz mit militärischen Ehren in Berlin.

© Imago/Andreas Gora/

Weiterhin stehen polnische Reparationsforderungen in Billionenhöhe für die damals angerichteten Schäden im Raum, die zuletzt im September von Polens Präsidenten Karol Nawrocki bei seinem Antrittsbesuch in Berlin erhoben wurden. Sowohl Merz als auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatten diese Forderungen erneut zurückgewiesen. 

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Anders als der rechtskonservative Präsident Polens thematisiert die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Tusk die Reparationsfrage nicht mehr offensiv – sie erwartet von der Bundesregierung aber zunächst einmal mindestens diese Geste der Unterstützung für die noch lebenden Opfer. 

Die Idee der sogenannten humanitären Geste an die Opfer kam bei den letzten Regierungskonsultationen in Warschau vor 16 Monaten auf, als die Ampel noch regierte. Ein konkreter Vorschlag wurde daraus aber nicht. 

Merz sieht Frage nach Reparationen „abschließend beantwortet“

Merz bekannte sich auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tusk zwar mehrfach zur deutschen Verantwortung für das von Nazi-Deutschland angerichtete Leid und die Zerstörung in Polen.

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„Die Vergangenheit hört nie auf“, sagte er, bekräftigte aber auch: „Die Frage nach Reparationen ist aus deutscher Sicht juristisch und politisch seit vielen Jahren abschließend beantwortet.“

Tusk hielt entgegen, man kenne die deutsche Position, an einem formellen diplomatischen Akt aus den 1950er Jahren festzuhalten. Der Verzicht auf Reparationen 1953 durch die damalige kommunistische Führung sei aber „keine Entscheidung im Sinne des polnischen Volkes gewesen, denn das polnische Volk hatte damals nichts zu sagen.“

In Polen seien daher „alle ohne Ausnahme“ der Meinung, dass das Land keine Entschädigung für die Verluste und Verbrechen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs erhalten habe.

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Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 war der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit insgesamt mindestens 55 Millionen Toten – andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 80 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Polen blieb über mehrere Jahre von den Deutschen besetzt und hatte gemessen an der Gesamtbevölkerung so viele Tote zu beklagen wie kein anderes Land. (dpa)