Man würde meinen, dass das Interesse irgendwann nachlässt, wenn jemand mehr als eine Dekade lang buchstäblich vom Bildschirm verschwunden ist. Aber Pustekuchen! Auch elf Jahre nach „Stromberg – Der Film“ (mehr als 1,3 Millionen verkaufte Tickets) und sogar 13 Jahre nach der letzten „Stromberg“-Staffel scheint die Faszination für den Lieblingschef der Deutschen ungebrochen: Nicht nur wird in den Büros von Berlin bis Wanne-Eickel weiterhin niemand auch nur annähernd so oft zitiert wie der ehemalige stellvertretende Leiter der Schadensregulierung bei der Capitol-Versicherung. Inzwischen erreichen seine politisch unkorrekten Sprüche auf TikTok auch eine völlig neue Generation, die den Halbglatzenträger mit dem Klobrillen-Bart (offiziell: Henriquatre) ebenfalls hart abfeiert.
Die Entscheidung, nicht sofort eine sechste Staffel oder einen zweiten Kinofilm nachzulegen, lag stets beim Hauptdarsteller, der nicht endgültig auf seine Paraderolle festgelegt werden wollte. Inzwischen kann sich Christoph Maria Herbst dank Hits wie „Der Vorname“ oder „Der Buchspazierer“ aber sicher sein, dass er immer auch andere Parts bekommen wird. Also war es höchste Eisenbahn für mehr Stromberg – und dass es dafür nicht zu spät ist, zeigen schon die Werbe-Partnerschaften: Wer aktuell durch die Straßen geht, kommt an Bernd Stromberg nicht vorbei, der auf Plakaten wahlweise Burger oder Erdnussflips mampft – und Konzerne wie McDonalds oder Lorenz hauen natürlich nicht solche Budgets raus, ohne vorher ausgiebig Marktforschung zu betreiben.
Es steht also außer Frage: Die Zeit und die Nation sind reif für „Stromberg – Wieder alles wie immer“! Aber taugt der Film auch was?

MadeFor Film / Stephan Rabold
Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) und seine Ex-Capitol-Kolleg*innen sind zur großen Reunion-Show ins TV-Studio eingeladen.
Los geht’s voll meta – denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Capitol-Mitarbeitenden bei ihrem Büroalltag ja stets von einem Doku-Team begleitet wurden. Diese Aufnahmen haben es schon vor Jahren bis zur Ausstrahlung geschafft und jetzt ist es an der Zeit für eine große Reunion-Show, moderiert von „Schlag den Raab“-Legende Matthias Opdenhövel. Im Zentrum steht dabei natürlich der von seinem Ex-Arbeitgeber gefeuerte Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst), der inzwischen bei dem in Sachen HR-Methoden hochmodernen Multi-Purpose-Unternehmen Alpha untergekommen ist. Ulf (Oliver Wnuk) und Tanja (Diana Staehly) schuften hingegen noch immer für die Capitol – nur hat SIE Karriere gemacht, während ER in all den Jahren keinen Schritt vorangekommen ist.
Berthold alias Ernie (Bjarne Mädel) hat unterdessen den Anti-Bullying-Bestseller „Du bist kein Opfer“ verfasst – und darauf eine neue Karriere als Lifecoach aufgebaut. Auch Jennifer (Milena Dreissig) ist nicht mehr in ihrem alten Beruf tätig, sondern unterstützt stattdessen ihren jüngeren Liebhaber Julian (László Branko Breiding) bei dessen Content-Creator-Karriere. Beim Wiedersehen im öffentlich-rechtlichen Schlagertempel tun sich schnell dieselben kommunikativen Gräben wie damals im Capitol-Büro auf. Aber dann geraten die gegen den Chauvinismus Protestierenden sowie die Fake-Bärte tragenden Stromberg-Fanboys draußen vor den TV-Studio-Toren aneinander – und die ganze Sache droht abgeblasen zu werden, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat…
Darf man sowas überhaupt noch zeigen?
Das mal gleich vorweg: Wo Michael „Bully“ Herbig seinen Humor in „Das Kanu des Manitu“ ein Stück weit an die Sensibilitäten des Jahres 2025 angepasst hat, geht „Stromberg“-Mastermind Ralf Husmann bei seinem Skript zu „Wieder alles wie immer“ keine Kompromisse ein – selbst wenn er sich hier und da kleiner Kunstgriffe bemüht, um die alten Pointen noch mal unterbringen zu können: So gibt es gleich zu Beginn eine junge TV-Redakteurin (Sophia Burtscher), die regelrecht vom Glauben abfällt, als sie die alten „Stromberg“-Folgen durchschaut, um passende Szenen als Einspieler für die Reunion-Sendung zu finden. Und natürlich lacht das heutige Kinopublikum noch immer genauso laut wie einst die zunächst gar nicht mal so große, aber dann doch stetig wachsende und extrem treue Zuschauerschaft der Original-Ausstrahlungen auf ProSieben.
Aber wo die Führungs-Aphorismen noch immer genauso politisch inkorrekt, zynisch und cringe ausfallen wie eh und je, schlägt „Stromberg“-Stammregisseur Arne Feldhusen bei „Wieder alles wie immer“ dennoch einen neuen Kurs ein: Wer ausschließlich darauf aus ist, neue „Stromberg“-Sprüche zu sammeln, weil seine Kolleg*innen die alten nach all den Jahren echt nicht mehr hören können, ist hier wahrscheinlich falsch. Dafür wagt der zweite Kinofilm zu viel: zunächst mit seinen cleveren Meta-Kommentaren – und dann mit einem Meltdown-Roadtrip down Memory Lane, der zwar immer noch auf eine bittere Weise komisch ist, aber auf seine melancholisch-geerdete Art mitunter sogar deutlich mehr verstört als die erkennbar Over-the-Top-Ausraster früherer Tage.

MadeFor Film / Stephan Rabold
Da werden Erinnerungen an den „Joker“ wach: Bernd Stromberg und seine übrigens nicht nur aus Männern bestehende Fanboy-Schaar…
Ernie steht nach seiner literarischen Selbstfindung für die üblichen Bully-Attacken jedenfalls nicht mehr zur Verfügung. So ist es Stromberg selbst, der all seinen frauenfeindlichen, fremdenfeindlichen und arschlochhaften Sprüchen zum Trotz diesmal seine eigene Medizin zu schmecken bekommt – und noch weit mehr als sonst jeden Halt verliert. So tut sich neben den „Vegähn“-Kalauern eine Wehmütigkeit auf, die man so zwar nicht unbedingt in einem „Stromberg“-Film erwartet hätte, die sich als Abschluss (?) aber erstaunlich stimmig in die 21-jährige Franchise-Geschichte einfügt. Besonders deutlich wird das noch einmal, wenn der Film zwischendrin zu Ernies damals nur durch Zufall gescheitertem Selbstmordversuch in der Episode „Abgasuntersuchung“ zurückspringt.
Natürlich wird Bernd Stromberg auch daraus absolut rein gar nichts lernen. Aber so nah dran, unironische Sympathien für ihn zu entwickeln, waren wir selten…
Fazit: Alle werden älter – und so ist auch der neue „Stromberg“ oft eher schmerzhaft-melancholisch als zum Schreien komisch. Der Sitcom-Schreibtischtäter mutiert in seinem zweiten Kinofilm streckenweise gar zur deutschen Antwort auf „Joker“ (samt draußen auf den Straßen johlender, Stromberg-Masken-tragender Doppelgänger). Wer bis nach dem Abspann sitzenbleibt, bekommt von McDonalds zumindest noch einen Milchshake als Hoffnungsschimmer serviert – und so ist zwar nicht alles wie immer, aber auf ganz schön abgefuckte Weise wirkt es dann doch irgendwie versöhnlich.