Cover, Boris von Brauchitsch, Paula Modersohn-Becker

AUDIO: Neue Bücher: „Paula Modersohn-Becker“ (3 Min)

Stand: 02.12.2025 06:00 Uhr

Paula Modersohn-Becker gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des deutschen Expressionismus. Boris von Brauchitsch zeichnet in seiner Biografie das Leben dieser beeindruckenden Künstlerin nach.

von Annemarie Stoltenberg

So wie der Biograf Boris von Brauchitsch die Malerin Paula Modersohn-Becker beschreibt, mag man wiederholt denken, dass man sie nicht gern zur Freundin gehabt hätte. Sehr direkt scheint sie gewesen zu sein, bedingungslos, kritisch, oft auch launisch und bei allen gelegentlichen Zweifeln sehr überzeugt von sich selbst. Aber wenn sie nicht so kraftvoll, ihrer Sache sicher als Künstlerin gewesen wäre, hätte sie sich niemals behaupten können. Denn zu ihrer Zeit war die Kunst schlicht männlich.

Paula Modersohn-Becker um 1900

Am 20. November 1907 starb die expressionistische Malerin in Worpswede. Die Bedeutung ihres Werkes hat damals noch kaum jemand verstanden.

Männerdomäne Kunst: Karl Schefflers harsche Abrechnung

Der Kunstkritiker Karl Scheffler mokierte sich damals über Frauen, die sich in die Gebiete der Kunst begeben und seiner Meinung nach einem Selbstbetrug hingeben. Er führte in einem Aufsatz „Die Frauen und die Kunst“ aus:

So kommt es, dass immer neue Scharen von Künstlerinnen auftauchen, die vom Ausstellungshaus, Theater, Konzertpodium, von der Presse und der Werkstatt tumultuarisch Besitz ergreifen. Wir erleben ein deprimierendes Missverhältnis von Wollen und Können, von Anspruch und Leistung und sehen Erscheinungen, die bis zur Schmerzhaftigkeit grotesk sind.

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Scheffler war überzeugt, dass die Damen schon aus ungesunden Familien stammen, dass ihnen der Zeugungsakt angenehm, der Zweck der Zeugung aber widerwärtig sei. Diese absurden Behauptungen sind noch harmlos zitiert; der gesamte Duktus gegen Künstlerinnen ist von grober, beleidigender Derbheit.

Eine Büste der Malerin Paula Modersohn-Becker im Profil in der Ausstellung "Der ungetilet Himmel"

Zu ihren Lebzeiten wurde sie kaum als eigenständige Künsterlin wahrgenommen. Zum Jubiläumsjahr gibt es in Worpswede eine neue umfangreiche Ausstellung.

Begegnungen mit Rilke und Westhoff

Paula Becker aber ging faszinierend unbeirrt von jedem Gegenwind ihren Weg und fand immer wieder Geldgeber für Reisen nach Paris, für das Bezahlen der Modelle ihrer Aktstudien und ihren Lebensunterhalt. Sie freundet sich mit dem Dichter Rainer Maria Rilke an. Aber eine der wichtigsten Freundschaften in ihrem Leben war offenbar die spätere Ehefrau von Rilke: die Bildhauerin Clara Westhoff. Sie beschrieb ihre Gefühlswelt im Tagebuch:

Ich glaube, aus solchem Gefühl ging man früher ins Kloster. Denn das ist mein Erlebnis, dass mein Herz sich nach einer Seele sehnt, und diese heißt Clara Westhoff. Ich glaube, wir werden uns ganz nicht mehr finden. Wir gehen einen anderen Weg.

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Boris von Brauchitsch schreibt dazu:

Paula Becker hätte Clara Westhoff heiraten sollen. Rilke hatte die beiden bei der ersten Begegnung bereits als Paar empfunden.

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Trauriges Ende eines schwierigen Lebens

Wie schon in der 2022 erschienenen Biografie von Barbara Beuys über Paula Modersohn-Becker leidet man lesend auch hier bei Boris von Brauchitsch empfindlich mit, als es um Paulas gescheiterte Flucht aus Worpswede nach Paris geht. Otto Modersohn bedrängt sie und reist ihr nach. Schließlich gelingt es ihm, sie dazu überreden, dass sie mit ihm zurückkehrt. Jede zurückblickende Frage nach einem „Was wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte? Welche Kunstwerke wären möglicherweise noch entstanden?“ verbietet sich, aber man kann diese Frage im Herzen kaum unterdrücken.

Sie wird schwanger und stirbt wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter. Es ist ein trauriges Ende eines nicht einfachen Lebens. Ihre Lebensgeschichte ist nun in dem sorgsam ausgestatteten Band, der im Insel Verlag erschienen ist, beschrieben. Viele ihrer Bilder sind hier abgebildet und dazu auch wichtige Gemälde aus der Kunstgeschichte, die für Paula Modersohn-Becker Bedeutung hatten. Das Buch liegt fadengeheftet gut in der Hand. Es ist auf hervorragendem Papier gedruckt, das einen guten Duft verströmt. So lädt diese Biografie wunderbar ein zur Beschäftigung mit Paula Modersohn-Becker.

Cover, Boris von Brauchitsch, Paula Modersohn-Becker

Paula Modersohn-Becker

von Boris  von Brauchitsch

Seitenzahl:
251 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Insel
ISBN:
978-3-458-64514-6
Preis:
26 €

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Romane