Kiel. Ein Schloss, das seinem Zweck nicht gerecht wird, und eine Altstadt, die diese Bezeichnung kaum verdient – die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte geht mit der Kulturpolitik der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins hart ins Gericht. Der renommierte Verein tritt mit zunehmender Vehemenz dafür ein, den historischen Wert der Kieler Stadtgeschichte wieder sichtbar zu machen. Den Impuls für einen neuen Vorstoß bildet das nun erschienene Buch „Kiels Geschichte im Fokus“, das der Kieler Historiker Oliver Auge zum 150. Jubiläum der Gesellschaft verfasst hat.

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In dem aufwändig gearbeiteten und reich bebilderten Band setzt Herausgeber Rolf Fischer, Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, im Vorwort ein klares Zeichen: Das Werk soll nicht nur eine Rückschau sein, sondern auch ein Blick nach vorn. „Das Buch weist nach, dass die Gesellschaft sich auch immer um die Entwicklung der Stadt gekümmert hat“, sagte er während der Vorstellung der Neuerscheinung in der Landesbibliothek.

Kiels historische Mitte „unwürdig präsentiert“

Rolf Fischer nutzte die Gelegenheit für deutliche Worte. „Die Wertschätzung für ihre Geschichte ist in dieser Stadt sehr viel ausbaufähiger als derzeit wahrgenommen“, sagte der 71-jährige Politologe, Sozialdemokrat und ehemalige Staatssekretär. Beispiel: „Der Alte Markt genießt nicht mehr den Stellenwert, der ihm als historische Mitte der Stadt Kiel zukommen müsste.“ Wer dort etwa die Stele zur Erinnerung an die Schleswig-Holsteinische Erhebung Mitte des 19. Jahrhunderts sehen möchte, müsse erst einmal lange danach suchen.

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Kultur hat viel mit Identität zu tun, dieser Zusammenhang wird in Kiel stiefmütterlich behandelt.

Rolf Fischer

Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte

„Das Zeugnis eines so wichtigen demokratischen Ereignisses wird seiner Bedeutung unwürdig präsentiert“, urteilte Fischer. Das gelte für den gesamten Alten Markt. „Diese Enge und die Verbindung mit dem Kommerz müssen weg“, sagte er mit Blick auf die Anfang der 1970er-Jahre errichteten Pavillons, die allerdings unter Denkmalschutz stehen. Fischer hat aber auch das Kieler Schloss im Fokus, das ein Dasein weit ab seines historischen Werts friste.

Rolf Fischer (von links), Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Autor Oliver Auge und Verleger Sven Murmann stellten in der Landesbibliothek die Festschrift „Kiels Geschichte im Fokus" zum 150. Jubiläum der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte vor.

Deshalb trete die Gesellschaft dafür ein, das Schloss zu einem modernen Museum zu machen, das auch digitale Möglichkeiten nutzt. „Der Warleberger Hof und das Schifffahrtsmuseum machen gute Arbeit, aber im Stadtarchiv lagern noch 50.000 weitere Exponate, die noch nie ausgestellt wurden. Deshalb muss das Schloss einbezogen werden“, sagte Fischer.

Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte kündigt Initiative an

Die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte werde im neuen Jahr mit weiteren Akteuren eine Initiative starten, um den historischen Wert der Stadt wieder sichtbar zu machen. Dafür werde auch ein Konzept erarbeitet, kündigte Fischer an. Solange empfehle er das neue Buch sowohl der Verwaltung als auch der Kommunalpolitik zur Lektüre. „Kultur hat viel mit Identität zu tun, dieser Zusammenhang wird in Kiel stiefmütterlich behandelt.“

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Laut Autor Oliver Auge, Inhaber der Professur für Regionalgeschichte an der Universität Kiel, sei das Buch zum Jubiläum keine „Festschrift zur eigenen Nabelschau, sondern ein Werk für alle, die sich für Stadtgeschichte interessieren“. Ausgangspunkt ist das Jahr 1875, Gründungsjahr der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Auge beschreibt, wie Kiel sich damals im epochalen Umbruch zur Großstadt mit Reichskriegshafen wandelte.

Der Historiker schlägt in neun Kapiteln die Brücke zwischen Geschichte und Gesellschaft, statt es im Stil einer Vereinschronik zu halten. Diesen Eindruck macht es mit seinem geprägten Deckel schon rein äußerlich nicht. „Wir stellen gern Bücher her, die haptisch auch etwas wert sind”, sagte Sven Murmann vom Wachholtz-Verlag.

Oliver Auge: Kiels Geschichte im Fokus, 240 Seiten, Wachholtz-Verlag, 25 Euro

KN