Lange wurde in Berliner Wirtschaftskreisen nur sehr diskret über das Thema Rüstung gesprochen, um keine kritischen Geister zu wecken. Nun aber geht der Senat in die Offensive und hat am Dienstag beschlossen, die Entwicklung eines Ökosystems für Verteidigungstechnik gezielt zu stärken.

„Wir haben eine veränderte Lage, die es notwendig macht, mehr in Verteidigungswirtschaft zu investieren“, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit Blick auf die zahlreichen Bedrohungen, unter anderem durch ein aggressives Russland. Man wolle den Sektor so aufstellen, dass er „für den Wirtschaftsstandort immer wichtiger wird“. Dabei gehe es nicht um große Waffen- oder Panzerfabriken, eher um Drohnen, Satelliten, Software, Künstliche Intelligenz und Cyber-Sicherheit.

Wegner: Berlin soll ein Leuchtturm werden für Sicherheitstechnologie

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte, Berlin solle ein Leuchtturm für Sicherheitstechnologie werden. „Wir wollen nicht, dass die Dynamik nur in Süd- oder Westdeutschland stattfindet.“ Nun sollen die Unternehmen sich mit Hilfe der Wirtschaftsförderer von Berlin Partner und des Technologiepark-Betreibers Wista vernetzen, besseren Zugang zu Fördermitteln und Flächen bekommen. Auch an Berlins Hochschulen solle in dieser Richtung geforscht werden, auch wenn die Wissenschaftsfreiheit natürlich gewährleistet bleibe. Dass die Technische Universität mit einer Friedensklausel militärische Forschung einschränkt, kommentierte Wegner knapp: „Das nehmen wir zur Kenntnis.“

Bereits heute beherbergt die Hauptstadtregion laut Giffey eine große Verteidigungsbranche. 130 Unternehmen in Berlin und Brandenburg setzten acht Milliarden Euro um und beschäftigen 26.000 Menschen. Dazu produzieren sie 430 Güter, die für zivile und militärische Zwecke geeignet sind. Das gilt zum Beispiel für viele Firmen aus der Luft- und Raumfahrtindustrie. Mit Satelliten könne man eben den Klimawandel ebenso beobachten wie Truppenbewegungen. Giffey berichtete von zahlreichen Start-ups, die sich mit solchen Dual-Use-Produkten beschäftigten.

Größere Proteste erwarten die Politiker nicht, trotz des Anschlags in Adlershof

Ein Beispiel für die Neuausrichtung der Berliner Wirtschaft ist der Fall der früheren Pierburg GmbH, einer Tochter des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Bislang stellte sie in Moabit Autoteile her, künftig werden es Patronenhülsen sein. „Ohne diese Transformation wären die Arbeitsplätze weg“, sagte Kai Wegner. Die Stadt werde sich darum „sehr offensiv“ auch für Neuansiedlungen zur Verfügung stellen. Das Interesse sei wegen des Start-up-Systems, der Verbindung zu Hochschulen und der Nähe zur Bundesregierung lebhaft.

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Größere Proteste gegen den wirtschaftspolitischen Kurswechsel erwarten Wegner und Giffey nicht, obwohl der Technologiepark Adlershof jüngst mutmaßlich Ziel eines Anschlags wurde: „Wir müssen verteidigungsfähig werden, um uns nicht verteidigen zu müssen“, sagte Wegner. Dafür müsse man die „europäische Verteidigungsindustrie“ unterstützen. „Ich bin sicher, dass die Berlinerinnen und Berliner das auch so sehen.“ IHK-Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner ist jedenfalls überzeugt: „Dass Berlin sein technisches Know-how in Schlüsseltechnologien nutzt, um einen kritischen Beitrag zu Resilienz und Verteidigungsfähigkeit zu leisten, ist eine notwendige Antwort auf die aktuelle geopolitische Lage.“