„Ohne Musik, das wäre nicht ich“, sagte Anna Veit einmal im Interview mit der SZ. Und sieht man sich all die Projekte an, in denen die enorm vielseitige Sängerin und Schauspielerin mitmischt oder sie selbst initiiert, glaubt man das sofort. Die gebürtige Niederbayerin spielte in Musicals, war lange mit den Münchner Philharmonikern auf Tour, war Teil des Damen-Jazztrios Drei Damen und bei Mrs. Zwirbl. Sie jodelte mit Geflüchteten und hat sich an der Seite des Pianisten Michael Gumpinger zu einer großen Georg-Kreisler-Interpretin entwickelt. Aktuell ist Anna Veit die Stimme in dem Projekt Goldmund, das sechs Mitglieder der Münchner Philharmoniker mit ihr gegründet haben und unterrichtet in ihrem „Kinderchor Kollektiv“ Sieben- bis Zwölfjährige. Anna Veits Ideenreichtum scheint unerschöpflich. Zurzeit ist sie am Residenztheater als Schauspielerin und Sängerin im „Brandner Kaspar“ zu erleben und am 23. Dezember mit Goldmund und dem Vorweihnachtsprogramm „Mehr oder weniger Lametta“ im Lustspielhaus.
Montag: Singen mit Kindern
Die Erzählung, Montage seien der Beginn einer Wartezeit auf das in fünf Tagen wieder Erholung versprechende Wochenende, liegt mir fern. Montage sind die gesammelte Ruhe nach dem Sturm, der Morgen danach – ich liebe Montage. Wenn viel Verschiedenes zu tun ist auf Bühnen, sind Montagvormittage wichtig für mein System, damit es mich nicht zerreißt oder ich mich selbst irgendwann verwechsle. Einziger Termin heute ist das Singen mit dem „Kinderchor Kollektiv“ – ein Sing-Angebot für Kinder zwischen sieben und zwölf – in den Räumen der Färberei. Ich mag sehr, dass diese Idee gerade hier ein Zuhause gefunden hat, denn das Kinderchor-Kollektiv ist so offen für alle, so frei und kreativ wie alles hier. In den dortigen Werkstätten kann man sich zum Beispiel künstlerisch auch in den Bereichen Malerei, Siebdruck, Medienkunst, Keramik und Mode, um nur einige zu nennen, austoben. Es gibt kein „richtig oder falsch“, keine klare Definition der Absicht. So geht Kreativität.
Dienstag: Vielseitiger Kreativort
Die Halle E im Gasteig HP 8 hat viele Gesichter. Dort gibt es Tanzprojekte, Vorträge, Konzerte, Performances und Partys. (Foto: Tobias Hase)
Heute werde ich das Büro auslagern. Im eigenen Kosmos ist man von sich selbst mitunter am meisten abgelenkt. Ein perfekter Ort zum Arbeiten, der sich einem nicht aufdrängt und wo es eine Bar mit gutem Kaffee gibt, ist die Halle E im HP 8. Ich liebe die ehrliche Architektur, die klaren Linien der Galerien, die Freitreppe, das Tageslichtdach. Und die vielen Gesichter der Halle, je nachdem, womit sie gefüllt wird. Tanzprojekt, Vortrag, Late-Night-Konzerte, Performance, Party. Direkt nebenan die Philharmonie, ein Stock höher die Bibliothek.
Ein ganz anderer Raum, in den ich mich kürzlich verliebt habe, ist die Galerie „Belleparais“ in der Schellingstraße. Galeristin Julia Lachenmann füllt dieses feine Zimmer aus der Jahrhundertwende nicht nur mit Werken spannender Künstler, sondern veranstaltet inmitten der Bilder regelmäßig hochkarätige Salons mit zeitgenössischen Komponisten und Musikern.
Mittwoch: Vorfreude auf Weihnachten
Anna Veit und das Ensemble „Goldmund“ kommen am 23. Dezember mit einem Weihnachtsprogramm ins Lustspielhaus. (Foto: Sandra Eckhardt)
Am 23. Dezember spielen wir unser Weihnachtsprogramm „Mehr oder weniger Lametta“ mit dem Ensemble „Goldmund“ im Lustspielhaus. Das ehemalige Varietétheater ist einer der schönsten Spielorte überhaupt. In einer fernen Lebensphase werde ich mehr Abende als jetzt frei haben und häufig und spontan flanierend in der Occamstraße landen. Hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Abend ein inspirierender wird. Bei meinem letzten Besuch dort habe ich Anna Mateur erlebt. Abgesehen davon, dass etwas in ihrer Stimme mich zutiefst berührt, bin ich jedes Mal völlig überwältigt von ihrer unfassbaren Bühnenpräsenz und ihrer bestechenden Musikalität. Ich bewundere ihren Mut, ihre Kompromisslosigkeit und finde mich in vielem, was sie inhaltlich transportiert, wieder.
Donnerstag: Auf dem Wochenmarkt
Immer donnerstags gibt es auf dem Hans-Mielich-Platz in Giesing einen Wochenmarkt. (Foto: Sebastian Gabriel)
Donnerstags ist Wochenmarkt am Hans-Mielich-Platz. Die Damen vom Gemüse in Untergiesing kultivieren einen mir mit der Zeit lieb gewordenen kleinen Ratsch über die Verkaufstheke. Wenn die Dame mich bedient, die abschließend immer in einem Ton, der mich an meine Oma erinnert, sagt: „I wünsch eahna no a scheene Woch‘!“, wird’s eine gute Woche. Aberglaube? Weiß ich nicht, manchmal hängt mein Glück an solchen Sätzen. Oder daran, ob ich es schaffe, auf dem gepflasterten Weg nur auf die Steine zu steigen, nicht dazwischen. Abends treffe ich Mic. Michael Gumpinger ist mir seit vielen Jahren engster Freund im Leben und am Klavier bei allem, was ich mit Klavier singe. Wir essen gemeinsam im Humboldt’s, wo Musiker und Komponist Gerd Baumann jeden ersten Dienstag im Monat „Tiny Concerts“ veranstaltet (Infos via Instagram). Richtig gute Musik, richtig gutes Essen und guter Wein, ohne großes Brimborium.
Freitag: Teuflisches Vergnügen
Dauerbrenner am Residenztheater: Der „Der Brandner Kaspar“ am Residenztheater mit Florian (links) und Felix von Manteuffel. (Foto: Sandra Then)
Ich habe noch ein zweites Leben als Landwirtin – wobei jeder erfahrene Landwirt müde lächeln wird; ich bin hier maximal Erstklässlerin. Ein leerer Stall bei uns soll Seminar- und Kulturraum werden, ein Nebengebäude Gästehaus. Termin mit Architekt und Zimmerer, Waldarbeit. Der Hof liegt zwei Stunden entfernt, und auf den langen Fahrten höre ich gerne Podcasts. Meine neueste Entdeckung ist „JÄM“ bei Spotify. Musikerin Katrin Auer interviewt auf wohltuend ehrliche Art Persönlichkeiten aus der Musik- und Kulturszene. Katrin habe ich am Residenztheater kennengelernt, wir sind Teil der Produktion „G’schichten vom Brandner Kaspar“ – eine essenziell entzerrte neue Fassung von Franz Xaver Kroetz, die alles Wesentliche in den Fokus stellt. Wahnsinnig tolle Regie in allen Bereichen, wie immer: Philipp Stölzl.
Samstag: Weihnachtslieder im Hexenhaus
Das „Kinderchor Kollektiv“ schmettert heute Nachmittag Weihnachtslieder im „Gans Woanders“ am Kolumbusplatz. (Foto: Fabian Christ)
Das „Kinderchor Kollektiv“ schmettert heute Nachmittag ein paar Weihnachtslieder im Gans Woanders. Kleine Bühne, Klavier. Immer vor dem Sommer und vor Weihnachten zeigen wir, was wir so gemacht haben. Für Eltern und Freunde zum Bestaunen, und weil man hier gut gesalzene Pommes aus frisch geschnittenen Kartoffeln mit Rosmarin essen kann und Pizza und sonst nix. Wobei, in der Adventszeit gibt’s hier auch einen Weihnachtsmarkt hinterm Hexenhaus. Den hat man um einen großen Ahorn herum gebaut, alles aus Holz, und im ersten Stock sitzt man in der Lichterketten-behangenen Baumkrone. Toll, wenn Menschen mit guten Ideen in der Stadt etwas machen.
Sonntag: Märchenoper-Klassiker
Es wird wieder am Pfefferkuchenhaus genascht: In der Vorweihnachtszeit kehrt die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ zurück ans Gärtnerplatztheater. (Foto: Christian POGO Zach)
Sonntage sind wie Montage, nur krasser. Früher konnte ich mich auf den Ablauf der Sonntage verlassen. Frühstück, Kirchgang, Sendung mit der Maus, Mittagessen mit dem guten Geschirr. Jetzt ist jeder Sonntag anders. Wir starten heute mit einem Isar-Spaziergang. Ob Frau Fingerle offen hat? Wer Kinder hat, kommt am Kiosk an der Braunauer Eisenbahnbrücke nicht vorbei, da gibt es Gummischlangen, eine kleine dreieckige Papiertüte mit Gummizeug für ein Fuchzgerl, Spezi und andere verruchte Dinge. Dann wird geübt, eingesungen, verpackt. Unsere großen Kinder singen im Kinderchor des Gärtnerplatztheaters, und heute ist Vorstellung. „Hänsel und Gretel“, die Oper von Humperdinck, steht jedes Jahr um Weihnachten herum im Spielplan und ist mittlerweile fixer Bestandteil der Adventszeit. Hab’ ich schon unzählige Male gesehen, aber richtig schöne Dinge bleiben Gott sei Dank immer gleich schön.
Anna Veit ist Sängerin, Schauspielerin und Musikerin. Erfahrungen von Tanzboden bis Konzertsaal, an großen Häusern und im klein-künstlerischen Bereich, geistlich und welt+++lich, solistisch wie im Ensemble, singend und am Instrument, prägen das vielseitige Tun der in einer niederbayerischen Landwirtschaft aufgewachsenen Künstlerin. 2023 veröffentlichte sie ihr erstes Soloalbum „Georg Kreisler zum 101.“. Mit sechs Münchner Philharmonikern steht sie unter dem Namen Goldmund derzeit mit den Programmen „Mehr oder weniger Lametta“ und „Mehr oder weniger Legenden“ auf der Bühne. Veit gründete das „Kinderchor Kollektiv“ und ist aktuell am Münchner Residenztheater als Schauspielerin und Sängerin für die Produktion „Brandner Kaspar“ engagiert.