03.12.2025

Jede fünfte Frau leidet in der Zeit rund um die Geburt ihres Kindes an Depressionen und Angststörungen. Oft bleiben die sogenannten peripartalen Depressionen, von denen auch Väter betroffen sind, gänzlich unentdeckt. Um hier Abhilfe zu schaffen und mögliche Depressionen schon früh zu identifizieren, wurde 2023 das Versorgungs-Forschungsprojekt UPlusE am Klinikum Nürnberg ins Leben gerufen. Seit Beginn der Studie wurden teilnehmende Familien im Rahmen der Untersuchungen beim Frauen- oder Kinderarzt zu ihrem psychischen Befinden befragt und im Fall der Fälle an die passenden Hilfsstellen vermittelt. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G–BA) geförderte Studie verläuft so erfolgreich, dass die Betriebskrankenkassen das Screening bis zu einer Überführung in die Regelversorgung ab Juli 2026 als Zusatzleistung für ihre Versicherten aufnehmen.

Von rund 13.000 Männern und Frauen, die seit Februar 2024 an dem Screening-Programm teilgenommen haben, berichteten mehr als 20 Prozent der werdenden Mütter und über 15 Prozent der Väter von ernstzunehmenden depressiven Symptomen vor und nach der Geburt. „Die Zahlen zeigen, dass es eine Versorgungslücke gibt. Gerade in der Schwangerschaft und dem ersten Lebensjahr werden wesentliche Weichen für die psychische Gesundheit der Kinder und der ganzen Familie gestellt“, sagt Dr. Susanne Simen, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Leiterin der Mutter-Kind-Tagesklinik am Klinikum Nürnberg. Als Peripartalpsychiaterin und Konsortialführerin hat sie das UPlusE-Projekt gemeinsam mit Chefarzt Prof. Dr. Christoph Fusch von der Nürnberger Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche und dem multidisziplinären Konsortialteam maßgeblich in die Wege geleitet.

Zusatzleistung bei den Betriebskrankenkassen ab 1. Juli 2026

Unbehandelte psychische Erkrankungen können chronisch werden, zu Suizidalität führen und langfristige Folgen für die Entwicklung der Kinder haben. „Wir freuen uns deshalb sehr, dass unser Projekt überzeugt hat und bei den beteiligten Betriebskrankenkassen schon ab dem 1. Juli 2026 und damit noch vor Studienablauf als Leistungsbestandteil in den Selektivvertrag ‚STARKE KIDS by BK‘ aufgenommen wird,“ so Dr. Simen weiter. Damit können Versicherte direkt von dieser neuen Versorgungsform profitieren.

Praktisch nutzbar per App

Die Abkürzung UPlusE steht für U-Untersuchung für Kinder plus Eltern beim Pädiater zur Förderung der kindlichen Entwicklung mit Impuls aus frauenärztlicher Schwangerenvorsorge. Dahinter verbirgt sich ein standardisiertes Screening, das vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert wird, digital arbeitet und eingebettet ist in ein flächendeckendes, deutschlandweites Netzwerk. Eingebunden in UPlusE sind neben Ärzten sogenannte Psych-Behandler und Therapeuten – allesamt Fachleute, die im Fall der Fälle eine zeitnahe Behandlung garantieren können. Auch Angebote wie „Frühe Hilfen“, Beratungsstellen und Selbsthilfevereine sind Teil des Netzwerks und können betroffene Familien schnell und kompetent an geeignete Hilfen vermitteln.

Dabei ist die Handhabung einfach. Dank der Unterstützung durch den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) und den Berufsverband der Frauenärzte (BVF), die bereits über ein digitales Netzwerk verfügen, konnten die Fragebögen via Praxis-App an die Mütter und Väter geschickt und ausgefüllt werden – der Aufwand für die Praxen war dementsprechend gering. „In der klinischen Praxis zeigt UPlusE eindrucksvoll, wie ein systematisches und praktisch nutzbares Screening mit anschließender frühzeitiger Behandlung den Lebensweg von Familien positiv verändern kann“, fasst Dr. Simen zusammen. Deshalb müsse es das langfristige Ziel sein, UPlusE in die Regelversorgung aller gesetzlichen Krankenkassen zu überführen.

Auf dem Weg zu einer besseren Gesundheitsversorgung von Familien

Auch Dr. Ralf Langejürgen, Vorstand des BKK Landesverbandes Bayern, ist überzeugt, dass UPlusE eine sinnvolle Erweiterung des Leistungskatalogs der Betriebskrankenkassen sein wird. „Dieses Projekt zeigt hervorragend, wie bedarfsorientierte Innovationsfondsstudien zu einer besseren Gesundheitsversorgung beitragen können. Als ausgesprochen familiennahe Kassenart sind die Betriebskrankenkassen sehr daran interessiert, junge Familien zu unterstützen und ihnen den bestmöglichen Start in diese neue, wichtige Phase des Lebens zu geben. Mit der Entscheidung, UPlusE als Zusatzleistung in unseren Selektivvertrag aufzunehmen, unterstützen wir die Arbeit der Kinderärztinnen und Kinderärzte und des neu gegründeten digitalen Netzwerks. Gleichzeitig leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Prävention peripartaler Depressionen. Beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) stößt UPlusE auf große Resonanz. Bundesvorstand Dr. Ronny Jung: „Wir sind sehr stolz darauf, dazu beigetragen zu haben, UPlusE zu einem solch erfolgreichen Projekt gemacht zu haben.“ In vielen Praxen sei der Einsatz der Praxis-App „Meine pädiatrische Praxis“ inzwischen fest etabliert und erleichtere die Kommunikation mit den Familien. „Das ist ein Beispiel für moderne digitale Versorgung, die fachübergreifend den Familien zugutekommt. In diesem Fall werden auch Versorgungsangebote von Gesundheitssystem und Jugendhilfesystem miteinander vernetzt. Das zeigt sehr eindrucksvoll, wie gute digitale Angebote dazu führen können, neue und auch bestehende Strukturen zusammenzubringen“, betont Dr. Michael Hubmann, Präsident des BVKJ und niedergelassener Kinder- und Jugendarzt.

Bild: Dr. Susanne Simen ist Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Leiterin der Mutter-Kind-Tagesklinik am Klinikum Nürnberg. Als Peripartalpsychiaterin und Konsortialführerin hat sie das UPlusE-Projekt mit einem bundesweiten Netzwerk ins Leben gerufen. Kernstück ist der Screeningbogen, den sie mit ihren Patientinnen und Patienten bespricht.

Foto: Julia Peter / Klinikum Nürnberg

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