Vor der Premiere auf dem Wasen spricht Henk van der Meijden, 88, der Gründer des Weltweihnachtscircus’, über das Loslassen, Träume im Alter und verrät, wie man Sensationen steigert.
Am Donnerstag feiert der Weltweihnachtscircus mit der 31. Show auf dem Cannstatter Wasen seine Premiere. Zirkusgründer Henk van der Meijden, der in Den Haag lebt, ist bereits in Stuttgart eingetroffen. Wir sprachen mit dem 88-Jährigen über die neue Show, seine besondere Beziehung zu Stuttgart und darüber, wie künftig die Sicht ohne störende Masten im Zelt noch besser wird.
Herr van der Meiden, Udo Jürgens hat einst gesungen: „Mit 66 Jahren fängt das Leben an.“ Was passiert mit 88?
Mit 88 sollte man – so wie ich – dankbar sein, dass man sich immer noch jünger fühlt als mit 66, denn der Geist bleibt aktiv und steht nie still. Ich achte darauf, mir stets ein neues Ziel zu setzen, auf das ich hinarbeiten kann. Das größte Geschenk ist, immer wieder eine neue Herausforderung zu haben – wie die bevorstehende Premiere des Weltweihnachtscircus am 4. Dezember auf dem Wasen. Eine solche Premiere mit einem minutenlangen Applaus sorgt dafür, dass ich mich um mindestens fünf Jahre jünger fühle.
Sie sind dieses Jahr zum dritten Mal Großvater geworden – was macht das mit Ihnen?
Drei Enkelkinder – das ist wie eine Verjüngungskur! Es ist wunderbar, mit den Kindern selbst zu sein und mit ihnen zu spielen. Ich bin immer tief berührt von ihrer spontanen Unschuld und der Liebe zu den Dingen, die sie ausstrahlen und die mich wirklich bewegen. Der Zirkus spielt in ihrem Leben schon eine Rolle.
Inwiefern?
Schon als Baby war mein Enkel Elias wie verzaubert, als würde er in einem Traum leben. Einmal sah er ein Video, in dem ein Auto durch die Luft flog, und sagte: „Das ist nicht echt, Opa – Zirkus ist echt!“ Damit hat er das Wesen des Zirkus schon früh erfasst. In der heutigen Show- und Popwelt gibt es so viel Künstlichkeit, Erfolg wird oft nur durch technische Mittel erreicht. Im Zirkus aber muss Spitzenleistung live geschehen – in ihrer ganzen Reinheit.
Ihre Tochter und Ihr Schwiegersohn haben inzwischen die Zirkusgeschäfte übernommen. Fällt Ihnen das Loslassen schwer?
Loslassen ist fast unmöglich, wenn man – so wie ich – den Weltweihnachtscircus mit Herz und Seele zum größten Weihnachtszirkus der Welt aufgebaut hat. Man möchte, dass dieses Motto jedes Jahr aufs Neue erfüllt wird und die hohe Qualität erhalten bleibt. In meinem Alter empfindet man gewiss mehr Gelassenheit, Hingabe und Zufriedenheit. Aber ein Programm zusammenzustellen, das nur die Besten der Welt vereint, ist eine Leidenschaft, von der man schwer loskommt. Ich mache weiter, weil ich die Qualität schützen möchte.
Wie erleben Sie den Übergang der Verantwortung?
„Senior Producer“ ist ein guter Titel für mich, denn ich weiß, dass mein eigener Schlusstag mit 88 sicher näher rückt. Umso glücklicher bin ich, in meinem Schwiegersohn und meiner Tochter meinen Kronprinzen und meine Kronprinzessin gefunden zu haben. Sie übernehmen bereits viele Aufgaben und werden bald bereit sein für ihre „Thronbesteigung“ im magischen Zirkusring von Stuttgart – dort, wo ich mich wohlfühle, umgeben von ihnen, Tag für Tag. Dalien leitet das tägliche Produktionsmanagement, bringt viele nützliche, positive Impulse ein, von denen ich selbst noch lernen kann. Denn dafür ist man nie zu alt!
Vor einem Jahr hat der Weltweihnachtscircus einen neuen Besucherrekord erreicht. . Foto: LICHTGUT
Vor einem Jahr feierte der Weltweihnachtscircus in Stuttgart seinen 30. Geburtstag mit vielen Höhepunkten. Wie kann man das noch steigern?
Letztes Jahr war wirklich ein triumphales Jahr mit einem Rekordbesuch von 128.000 Menschen. Wie kann man das noch steigern? Das Geheimnis der Steigerung liegt in der Veränderung – wie bei den James-Bond-Filmen: seit Jahrzehnten derselbe Name, aber immer ein neuer Film, der erfolgreich ist, weil er anders ist. So kann auch der Weltweihnachtscircus noch lange ein Riesenerfolg bleiben.
Wie stellen Sie das an?
Wir suchen auf der ganzen Welt nach Darbietungen, die man noch nie gesehen hat – neue Sensationen, aber auch Nummern, die das Herz berühren und dem Publikum ein besonderes Gefühl schenken, das es so im Zirkus noch nie erlebt hat. Wir haben Nummern, die uns an ganz besondere Persönlichkeiten erinnern – Menschen, die wir lieben und nie vergessen werden. Und wir wollen jedes Jahr unserem Titel „Größter Weihnachtscircus der Welt“ gerecht werden. Für uns ist das ganze Jahr Weihnachten – denn schon während des kommenden Festes beginnen wir mit den Planungen für Weihnachten 2026!
Auf welche Höhepunkte kann sich das Stuttgarter Publikum diesmal freuen?
Dieses Jahr treten im Weltweihnachtscircus mehr Künstler auf als je zuvor. Das ist eine schwierige Frage – fast so, als würde man einen Vater fragen: „Welches Kind liebst du am meisten?“ Besonders, da wir dieses Jahr so viele Gold- und Silber-Preisträger im Programm haben wie noch nie.
Vielleicht können Sie einige Beispiele nennen, damit unser Appetit steigt.
Dann beginne ich mit „Schwanensee“, eingeladen vom Circusfestival Monte Carlo: Es gibt Momente im Zirkus, die scheinen nicht von dieser Welt. Genau so ein Moment ist die Darbietung der Xi’an Acrobatic Troupe mit ihrer sinnlichen und atemberaubenden Interpretation des Klassikers Schwanensee. Spektakulär ist auch die größte Hutjonglage der Welt – 22 Artisten, begleitet von Musik von Michael Jackson. Ebenso dabei: das größte Flugtrapez der Welt – ein Luftballett mit 15 fliegenden Künstlern, den Flying Gonzalez aus Chile, vielfach preisgekrönt auf internationalen Festivals! Ich könnte noch viel mehr nennen.
Warum tut der Zirkus den Menschen so gut?
Zirkus tut den Menschen gut, weil er meist ein Familienfest für Jung und Alt ist. Gemeinsam mit Kindern und Enkeln taucht man in eine andere Welt ein, sitzt um den magischen Kreis – die Manege – und spürt dieses enge, familiäre Band stärker als irgendwo sonst. Man lacht zusammen, hält vor Spannung den Atem an und löst sich schließlich in begeistertem Applaus – das verbindet.
Stuttgart ist – das haben wir Ihnen zu verdanken – zur Zirkushauptstadt geworden. Was macht die Stadt für Sie so besonders?
Stuttgart ist für mich als Niederländer zu einer zweiten Heimat geworden – wegen der Herzlichkeit, mit der wir und unser Zirkus hier aufgenommen wurden. Es ist eine Ehre, dass der Oberbürgermeister jedes Jahr ein Grußwort schreibt. Wir sind sehr glücklich, mit Hans-Peter Haag vom Music Circus Concertbüro seit über 30 Jahren einen verlässlichen Partner hier vor Ort zu haben.
Das Zelt soll noch komfortabler werden. Was ist geplant?
Wir haben in ein besseres Zeit investiert, das zum Teil ganz neu ist und viele Vorteile bringt: Es gibt zum Beispiel keine Masten mehr, die bisher für manche Zuschauer die Sicht auf die Manege einschränkten. Durch eine spezielle Konstruktion stehen die Masten jetzt außerhalb des Zeltes. So haben alle Plätze freie Sicht – auf alles, was in und über der Manege geschieht. Außerdem wird es mehr gute Sitzplätze in der Tribünen-Loge und im Bereich Sperrsitz A geben. Unser neues Zelt hat ein modernes, zeitgemäßes Design – das hat es nach 31 erfolgreichen Jahren verdient!
Wird der Eintritt teurer angesichts Ihrer Investitionen?
Trotz steigender Kosten sind die Eintrittspreise gleich geblieben, denn der Zirkus ist und bleibt eine Familienshow. Nur in der Weihnachtszeit steigen sie leicht. Unser Produktionsleiter Dalien Cohen ist bereits seit Monaten intensiv mit der Planung des neuen Zeltes beschäftigt.
Welche Rolle spielt Innovation für Sie – sowohl im Programm als auch in der Präsentation des Zirkus?
Innovation spielt für mich immer eine wichtige Rolle. Die artistischen Leistungen der Künstler sind natürlich das Herzstück des Programms. Aber in den letzten Jahren ist die Emotion fast ebenso wichtig geworden. Heute müssen Darbietungen auch das Herz berühren, bewegen und durch ihre Schönheit und Poesie vielleicht sogar eine Träne hervorrufen. Beim Zirkus – der Urquelle allen Theaters – geht es darum, dem Publikum ein Gefühl von Zuhause, Freude und Unbeschwertheit zu schenken.
Gibt es besondere Momente im Zirkus, die Ihnen besonders viel Freude bereiten oder die Sie nie vergessen werden?
Es gibt so viele Momente, die mir große Freude bereiten. Nie werde ich den vierfachen Salto der Flying Caballeros vergessen – hier in Stuttgart wurde Zirkusgeschichte geschrieben! Dieses Jahr wurde der Auftritt in Monte Carlo mit einem Goldenen Clown ausgezeichnet – aber die Weltpremiere fand zuerst hier in Stuttgart statt.
Was treibt Sie nach all den Jahren immer noch an, aktiv im Zirkus dabei zu sein?
Der Stuttgarter Weihnachtscircus ist für mich wie ein zweites Zuhause. Die Jahre sind wie im Flug vergangen. Ich arbeite seit 72 Jahren, aber das hier fühlt sich nicht wie Arbeit an. Die Welt des Zirkus ist geprägt von gegenseitigem Respekt, Disziplin, Leistung – und vor allem Liebe. Die Manege ist ein Kreis der Liebe, der mich das ganze Jahr über glücklich macht. Gerade in dieser schwierigen Zeit kann der Zirkus ein Beispiel sein – für eine Welt, die oft von Problemen überschattet ist.
Gibt es noch Träume oder Ziele, die Sie verwirklichen möchten – im Zirkus oder privat?
Ich träume manchmal davon, welche Programme es zum 40. Geburtstag des Weltweihnachtscircus geben wird – und wie ich von oben zusehe, wie Dalien Cohen und meine Tochter Elisa es schaffen, das Wunder weiterzuführen. Ich hoffe sehr, dass ich das noch lange genießen darf – in meiner ganz hohen Loge!
Wo es Karten gibt
Der 31. Weltweihnachtscircus
gastiert vom 4. Dezember bis zum 6. Januar auf dem Cannstatter Wasen. Karten unter https://www.weltweihnachtscircus.de/.