Trotz internationaler Beschlüsse bleibt die Energiewende in Deutschland zäh. Warum Politik und Industrie jetzt gegensteuern müssen.

Trotz internationaler Beschlüsse bleibt die Energiewende in Deutschland zäh. Warum Politik und Industrie jetzt gegensteuern müssen. Foto: PantherMedia / AndrewLozovyi

Trotz internationaler Beschlüsse bleibt die Energiewende in Deutschland zäh. Warum Politik und Industrie jetzt gegensteuern müssen.

Foto: PantherMedia / AndrewLozovyi

Die enttäuschenden Ergebnisse der internationalen Klimaschutzkonferenz COP 30 im brasilianischen Belém, der Aufschub von Klimaschutzmaßnahmen und das Bremsen beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland – das veranlasst zu der Frage: Wie kann, wie wird es mit der Energiewende in Deutschlasnd weitergehen?

Energiewende braucht nach COP30 politischen Mut und neue Leitlinien

In Bezug auf die Energiewende und die Transformation Deutschlands wie auch international zur Klimaneutralität machen sich angesichts mancher Ankündigungen aus dem Regierungslager derzeit eher Attentismus und Pessimismus breit. Bundesumwelt- und Klimaschutzminister Carsten Schneider mag sich dem aber nicht anschließen. Auf einer Fachkonferenz des Berliner Tagesspiegels am 3. Dezember verwies er auf nationale und internationale Festlegungen.

Auf der Weltklimakonferenz COP30 in Belém habe die Weltgemeinschaft bis auf das Ausscheren der USA zusammengestanden. „Es gab keine Obstruktion“, so Schneider. Enttäuschung habe es gegeben, weil es keine Einigung auf den Vorschlag des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva für einen Ausstiegspfad aus den fossilen Energien gegeben habe.

„Weil eine Reihe von Ländern wie Saudi-Arabien oder Nigeria damit noch gut Geld verdient.“ Es gebe „unterschiedliche Geschwindigkeiten“, sagte der Bundesumweltminister, „doch die Länder, die schneller vorangehen, werden den Takt vorgeben, auch bei Technologien und Arbeitsplätzen“.

Deutschland ringt um Kurs bei Klimazielen

„Die Umstellung zur klimaneutralen Gesellschaft ist im Gange“, so Schneider. Für die Mobilität wolle man an dem EU-weiten Ziel der Flottenneutralität bis 2035 festhalten. „Das ist eine sportliche Aufgabe, aber ein zentraler Punkt, den ich in der Bundesregierung verteidigen werde“, betonte der Umweltminister unter Verweis auf die Rekord-Neuzulassungen bei Elektroautos in Deutschland.

Noch weiterhin hocheffiziente Verbrenner-Motoren zuzulassen, wie die Ministerpräsidenten es wollen würden, sei nicht die Haltung der Bundesregierung. „Der Autobereich in Deutschland ist sehr rückwärtsgewandt“, kritisierte der Minister. „In diesem Land sind mir zu viele Defätisten unterwegs. Die Zukunft ist elektrisch.“ Schneider hofft auch auf eine europäische Batterieproduktion.

Man solle die wirtschaftlichen Chancen der Transformation nutzen, die Kosten und Vorteile müssten aber gerecht verteilt werden. Die soziale Ausgestaltung, wie etwa die Verbraucherpreise, sei in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt worden. „Wir werden bis März 2026 ein Klimaschutzprogramm vorlegen“, kündigte der Minister an. Die Mengen an erneuerbaren Energien sollten fortgeschrieben, der Netzausbau forciert werden.

Transformation verlangt mehr Systemdenken

Es gehe heute um die „Orientierung der Energiepolitik für die nächsten Jahre“, unterstrich Christian Schmidt, zuständiger Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE). Dabei seien die Herausforderungen groß angesichts der Ziele, 60 % CO2-Minderung bis 2030 zu erreichen und bis dahin den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 80 % zu steigern. Aktuell steuere man auf 60 % zu.

Schmidt verwies auf die Ergebnisse des Mitte September vorgelegten Energiewendemonitorings, das die „Leitplanken“ für die weitere Entwicklung darstelle. „Der Erfolg der Energiewende bemisst sich nicht nur an den Ausbauzahlen. Wir müssen systemischer denken, die Erneuerbaren stärker auf Marktintegration und Netzverträglichkeit ausrichten.“ Dazu könnten regional differenzierte Baukostenzuschüsse beitragen. Auch sollten die Netzkapazitäten besser ausgenutzt werden.

EEG-Novelle soll Investitionen in deutsche Energiewende ankurbeln

„Wir wollen Anfang 2026 eine EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz)-Novelle ins Kabinett bringen“, kündigte der Ministeriumsvertreter an. Dabei solle auch der Biomasse Raum gegeben werden. Damit mehr Preissignale bei den Erneuerbaren ankommen, will die Politik auch einen neuen Investitionsrahmen schaffen, „der pünktlich zum 1. 1. 2027 in Kraft treten kann“, wie Schmidt erklärt. Damit sollen unter anderem Contracts for Difference (CfDs) als Vergütung eingeführt werden. „Auch langfristige PPAs (Direktlieferungsverträge) bieten ein hervorragendes Vehikel“, meint Schmidt.

Was den angestrebten Kapazitätsmarkt für die Versorgungssicherheit betrifft, „liegt unser Fokus aktuell auf Kraftwerks-Ausschreibungen“, sagte er. Dazu habe es monatelange Verhandlungen mit der EU-Kommission gegeben. Ende des Jahres wolle man Klarheit haben, so der Ministeriumsvertreter. Stromspeicher sollten „netzdienlich oder netzneutral“ eingesetzt werden, da dürfe es „keinen zu großen Wildwuchs geben“, betonte Schmidt. Derzeit gebe es einen enormen Zuwachs. Für die Netzbetreiber müsse angesichts der Konkurrenz bei den Netzanschlüssen ein Regime geschaffen werden.

Energierechtler fordern klare Leitplanken für Energiewende in Deutschland

Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, geht davon aus, dass der Schwerpunkt der EEG-Novelle die Synchronisierung des Netzausbaus mit dem Erneuerbaren-Ausbau sein wird. Er verweist zugleich darauf, dass das EEG in den 23 Jahren seines Bestehens ein „Höchstmaß an Finanzierungssicherheit“ gegeben und insbesondere neue Akteure in der Erzeugung adressiert habe. „Ohne diese grüne Säule ließe sich der Erfolg nicht erklären“, so der Energierechtsexperte. Zukünftige Handlungsfelder sieht er neben dem Netz- und Erneuerbaren-Ausbau in der Verbrauchssteuerung. Flexibilisierungspotenziale müssten aktiviert werden.

Bei einer Neuregelung der Vergütung sieht er es als entscheidend an, dass die Risiko-Absicherung nicht wegfällt. Der Think Tank Agora Energiewende plädiert daher für eine Kombination von PPAs mit CfDs.

Den Kurs der EU, den Mitgliedsländern freie Wahl der Technologien zu lassen, hält Energierechtler Müller für einen „Weg, der industriepolitisch scheitern wird. ,Mehr Markt‘ ist genauso wie ,Technologieoffenheit‘ eine Einheit stiftende Leerformel.“