Wiesbaden. Seit der SV Wiesbaden 2016 aus finanziellen Gründen aus der Hessenliga abstieg, hat kein Verein aus der Landeshauptstadt mehr in Hessens höchster Amateurklasse gespielt. Nun könnte ausgerechnet der Türkische SV diese Lücke schließen. Das Fußballjahr 2025 hätte für den TSV kaum besser laufen können: 24 Siege in 30 Ligaspielen, erst in der Gruppen-, nun in der Verbandsliga. Zur Winterpause rangiert der TSV auf Platz zwei – mit einem Spiel weniger. Der märchenhafte Durchmarsch von der Kreisoberliga bis in die Hessenliga ist längst keine gewagte Fantasie mehr, sondern ein realistisches Szenario. Wie plant der Verein im Falle eines Aufstiegs?
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Gökhan Caliskan macht weiter, hat aber Baustelle
Auf der wohl wichtigsten Position hat der Verein mit der ligaunabhängigen Verlängerung mit Trainer Gökhan Caliskan über den Sommer hinaus die Weichen gestellt. „Wir wollen mit Gökhan weitermachen, egal, ob wir aufsteigen oder nicht. Er macht einen super Job“, bestätigt Klubchef Ilkay Candogan, der damit Caliskan sein Vertrauen ausspricht. Um auch nach einem möglichen Aufstieg in der Hessenliga an der Seitenlinie stehen zu dürfen, ist eine B-Lizenz notwendig – Caliskan besitzt sie noch nicht. „Ich wollte mich anmelden, aber alles war schon belegt. Beruflich war es bisher auch schwer. Aber ich muss es sowieso angehen“, erklärt er.
Torhüter Fabian Vollmer vor dem Abschied?
Dass sein Team nach dem fulminanten Aufstieg nun auch in der Verbandsliga auftrumpft, hat auch ihn überrascht. „Wer hätte das gedacht? Wenn wir als Aufsteiger jetzt Sechster oder Siebter wären, hätte niemand gemeckert.“ Stattdessen mischt der TSV ganz oben mit. Um die Erfolgswelle auch im neuen Jahr zu konservieren, sollen „drei bis vier“ Winterneuzugänge den Kader verstärken. Zwar wurden im Sommer zehn Spieler geholt, wirklich tief ist der Kader aber nur im Mittelfeld. Im Raum steht der Abgang von Keeper Fabian Vollmer, der seinen Stammplatz an Kevin Wieszolek verlor und beruflich eingespannt ist. Für ihn müsse Ersatz gesucht werden. Zwei Verteidiger und ein Angreifer könnten ebenfalls kommen – spruchreif sei aber noch nichts, verrät Caliskan, der dann einen größeren Konkurrenzkampf erwartet. Mit Ali Bektas hat sich nach dem 2:1 über Okriftel ein langjähriger Spieler verabschiedet.
Eingespielt wirkt die Mannschaft allemal – sogar das Offensivtrio Ilias Amallah, Daniel Rudi und Mo Tahiri habe noch mal Entwicklungsschritte gemacht. „Es ist Wahnsinn, wie sich die drei trotzdem noch weiterentwickelt haben und auch Alim Göcek hat nach anfänglichen Schwierigkeiten einen Riesensprung gemacht“, sagt Caliskan. Zudem hebt er die stabile Defensive um Malik Deveci, Abdullah Tasdelen, Eleazer Mensah und Youssef Chourak hervor.
Viele „Kracher-Spiele“ im neuen Jahr
Nun steht die Hallensaison an, bei der der TSV traditionell eine gute Figur macht, ehe sich der Fokus im Frühjahr zurück auf die Verbandsliga verschiebt. „Wir hoffen, dass alle fit bleiben und gesund ins neue Jahr starten. 38 Punkte und ein Spiel weniger – das sieht gut aus“, lacht Caliskan. Das A-Wort taucht im Vokabular noch nicht auf, dafür ist die Saison fairerweise aber auch noch zu jung. „Es wäre Quatsch, wenn wir sagen würden, wir wollten nicht aufsteigen. Aber es ist noch früh, es kommen noch viele Kracher-Spiele.“
SV Hummetroth als Vorreiter
Zurückschauen ist dafür aber erlaubt. Und so wird auch Klubchef Ilkay Candogan das Jahr 2025 noch lange in Erinnerung bleiben. „Vielleicht eines der besten Jahre der Vereinsgeschichte. Wir waren konstant, und wenn wir mal verloren haben, kamen wir stärker zurück. Wenn wir es von der Kreisoberliga bis in die Hessenliga schaffen würden – das wäre schon krass.“ Der SV Hummetroth hat es bereits vorgemacht – der kleine Verein aus dem Odenwald schaffte den Durchmarsch von der Kreisebene in Hessens Beletage.
Candogan: Sportlatz am Niederfeld „hat nicht mal Verbandsliga-Niveau“
Dass die Hessenliga auch infrastrukturell ein ganz anderes Pflaster ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Der TSV teilt sich den Sportplatz am Niederfeld seit jeher mit dem FC Freudenberg. „Der Sportplatz hat nicht mal Verbandsliga-Niveau. Nur zwei Kabinen, ein abgenutzter Kunstrasen – das werde ich in der Winterpause mit der Stadt Wiesbaden besprechen. Wenn wir Wiesbaden präsentieren sollen, muss die Stadt auch hinter uns stehen“, betont Candogan.
In Sachen Unterbau mache der Verein Fortschritte, in der kommenden Saison hofft man auf die Meldung einer C-Jugend. Finanziell stehe der TSV stabiler da als in den Jahren zuvor, auch das Schiedsrichtersoll erfülle man. Die kommenden Monate werden zeigen, ob aus einem außergewöhnlichen Jahr auch ein weiterer außergewöhnlicher Aufstieg wächst.