Bei der Präsidentschaftswahl in Honduras zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Zwischenzeitlich trennten bei der Auszählung nur rund 500 Stimmen die beiden aussichtsreichsten Kandidaten: den Zentristen Salvador Nasralla und den rechtskonservativen Nasry Asfura. Für den Präsidenten der USA Grund genug, noch einmal vehement für seinen Favoriten Asfura in die Bresche zu springen: „Es sieht so aus, als ob Honduras versucht, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu manipulieren“, schrieb Donald Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. Für diesen Fall drohte er mit ernsten Konsequenzen. „Sollten sie das tun, werden sie bitter dafür büßen!“

Tatsächlich gibt es schon seit Tagen Gerüchte über Wahlmanipulationen – von beiden Seiten. In Honduras hat dies durchaus Tradition. Auch die Wahlgänge 2013 und 2017 waren von schweren Betrugsvorwürfen überschattet. Zudem ist Honduras ein kleines, weltpolitisch relativ unbedeutendes Land. Warum also diese bemerkenswert heftige Reaktion des US-Präsidenten?

Denken in Interessensphären

Donald Trump habe offensichtlich Gefallen an der Idee politischer Einflusssphären gefunden, konstatiert Cathryn Clüver-Ashbrook, Transatlantik-Expertin der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung: „Er versteht sich fast imperial in seiner Rolle im Weißen Haus, und er hat es gern, wenn die Welt nach seinen Interessen tanzt – gerade in der westlichen Hemisphäre. Und man muss wirklich betonen, es sind SEINE Interessen, nicht aber die der klassisch amerikanischen Außenpolitik.“

USA Washington D.C. 2025 | Treffen zwischen Donald Trump und Javier Milei im Weißen HausFinanzspritze für die Zwischenwahlen: Mit Milliardensummen unterstützte Donald Trump Argentiniens Präsidenten Javier MileiBild: Jonathan Ernst/REUTERS

Besonders im Fokus dieser „Sphere-of-Interest“-Policy liegt zum einen Lateinamerika. „Die militärischen Aktionen vor Venezuela, die Einschüchterung des kolumbianischen Staatschefs, die Wahlempfehlung in Honduras mit Drohgebärden“, zählt Clüver-Ashbrook auf und weist auch auf einen 20 Milliarden US-Dollar schweren Währungstausch mit Argentinien hin, den Trump veranlasste, um Präsident Javier Milei aus einem Liquiditätsengpass zu helfen. „Hier entsteht eine neue Politik, die Amerika gegenüber den Nachbarn in Latein- und Südamerika seit Langem nicht so aktiv betrieben hat.“

Einmischungen auch in Europa

Und nicht nur dort: In Polen unterstützte Trump offen den nationalkonservativen EU-Skeptiker Karol Nawrocki. In Ungarn steht er hinter Viktor Orban. In Deutschland intensivieren US-Regierung und die in Teilen rechtsextreme Partei AfD derzeit ihre Kontakte. Und erst vor wenigen Tagen wiesen die USA ihre Diplomaten an, in Europa für eine migrationsfeindlichere Politik zu werben.

MAGA-nahe Organisationen wie die Heritage Foundation betreiben Lobbyarbeit gegen EU-Klimaschutz-Vorgaben – ebenjene Heritage Foundation, die auch das sogenannte „Project 2025“ veröffentlichte, das als Drehbuch zum US-amerikanischen Staatsumbau gilt. (MAGA steht für die Bewegung „Make America Great Again“.)

Agiert der US-Präsident nach dem konservativen Drehbuch?

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Im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit hat der US-Präsident seine Außenpolitik stark verändert; so radikal wie kaum einer seiner Vorgänger bricht er mit dem ungeschriebenen Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten verbündeter Staaten.

Ziel: Den US-Kulturkampf nach außen tragen

Dabei seien Innen- und Außenpolitik für den US-Präsidenten im Grunde genommen eins, schlussfolgerte schon im Mai 2025 die Autorin einer Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR). Demnach begreift der US-Präsident seine Außenpolitik in erster Linie als internationale Fortsetzung des innerhalb der USA tobenden Kulturkampfes. „Linke und Demokraten sind der Feind im Inneren; vor allem die Europäer gelten als ihre Fortsetzung im Ausland“, schreibt die Studienverfasserin Celia Belin. Trump sehe dabei die EU als „Parasiten“, der Amerika ausnutze, so wie er auch den US-Demokraten vorwerfe, das Land zu schwächen.

Tatsächlich sei „eine Ideologisierung der amerikanischen Außenpolitik schon überall in den Kerndokumenten des Project 2025 zu finden“, erklärt auch Cathryn Clüver-Ashbrook. Wenn es nach diesen Papieren geht, soll die US-Außenpolitik viel stärker als bisher an streng konservativen Werten ausgerichtet werden.

USA Steve BannonImmer noch einflussreich: Trumps früherer Chefstratege Steve BannonBild: Michael A. McCoy/REUTERS

Dazu passe, dass Trumps ehemaliger Wahlkampfberater und Urgestein der MAGA-Bewegung, Steve Bannon, kürzlich in einem Interview Russland als „fromme christliche Nation“ und „traditionellen Verbündeten“ der USA bezeichnete – „weil es eben eine weiße christliche Nation sei“, meint Clüver-Ashcroft. Damit breche die Trump-Regierung mit allen bisherigen Grundfesten amerikanischer Außenpolitik und verfolge eine „große ideologische Verschiebung“ – getragen von „sehr strategischen außenpolitischen Ambitionen“. 

Unverhohlene Verachtung für Europa

Dabei würden die Europäer nicht nur in den Ukraine-Verhandlungen regelmäßig düpiert, so Clüver-Ashbrook. Welche Geringschätzung dabei gerade den linksliberalen Europäern aus Teilen der US-Regierung entgegenschlägt, sei schon mehrfach zu erkennen gewesen.

EU-Kommissionschefin von der Leyen, Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzler Merz Sind sie Ziele des „Hasses“ von US-Kriegsminister Pete Hegseth: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz Bild: Yves Herman/REUTERS

Als Beispiel führt sie einen vom US-Magazin The Atlantic geleakten Chat über einen US-Angriff im Jemen an. Darin soll US-Vize JD Vance geäußert haben, dass die Europäer unverhältnismäßig stark von diesem Angriff profitieren würden, woraufhin Kriegsminister Pete Hegseth wohl antwortete: „Ich teile euren Hass auf Europas Trittbrettfahrerei voll und ganz. Es ist erbärmlich.“

Ideologischer Kampf per Außenpolitik

Gespeist von diesem Mindset stecke Europa mitten in einer Kulturkampf-Inszenierung, konstatiert Pawel Zerka vom ECFR. Dabei führe Amerikas Regierung auch in Europa einen offenen ideologischen Kampf um Werte wie Migration, Klima, Wokeism und Meinungsfreiheit. Gleichzeitig unterstütze Trump, wo immer es gehe, die „Neue Rechte“ und normalisiere deren radikalen Positionen. Zu den von der MAGA-Ideologie getragenen Strategien gehören demnach auch aktive Einmischungen in Wahlen zugunsten rechter und konservativer Kandidaten sowie der Aufbau einer Art „MAGA International“ durch den Aufbau rechtskonservativer Netzwerke sowie die Förderung rechter Medien, Parteien oder Konferenzen wie etwa CPAC.

CPAC Poland 2025Die Conservative Political Action Conference (CPAC) fand in diesem Jahr in Polen statt, mitten im polnischen PräsidentschaftswahlkampfBild: Alex Brandon/Pool/REUTERS

Kann Europa sich wehren?

Europa wäre gut beraten, sich nicht von der Trump-Regierung vor sich hertreiben zu lassen, konstatiert Zerka. Statt sich nur in Abhängigkeit von den USA zu sehen, müsse es seine Interessen gemeinsam und souverän vertreten – auch gegen den Druck aus Washington. Die Mehrheit der EU‑Staaten sei aktuell noch immer pro-europäisch geführt. Dieses Potenzial sollten sie nutzen, um geschlossen aufzutreten, statt in nationalen oder parteipolitischen Spaltungen zu verharren.

Cathryn Clüver-Ashbrook sieht indes noch eine weitere Gefahr für Europa: „Besonders finanzstarke Organisationen, die auch hinter der Heritage Foundation, hinter Project 2025 standen, rüsten sich jetzt, auch etwa über Parteispenden Einfluss zu nehmen.“ Wie auch die Initiative Lobbycontrol warnt die Politologin der Bertelsmann-Stiftung, dass die Parteispendengesetze in Deutschland und anderen Ländern Europas viel zu schwach seien und ein „Einfallstor für eine Einflussnahme von außen, gerade auch durch staatliche oder staatlich neu gesteuerte Gelder aus den USA.“