Seit der vergangenen Woche läuft der Prozess gegen den Attentäter, der mit einem gemieteten Wagen beim Weihnachtsmarkt in Magdeburg in die Menschenmenge gefahren ist. Fünf Frauen und ein neunjähriger Bub kamen ums Leben, Hunderte Menschen wurden verletzt. Die Angst, dass so etwas wieder passieren könnte, bleibt. Städte und Gemeinden überlegen daher, wie sie ihre Märkte, die bald beginnen, schützen können. Zum Teil werden für viel Geld Barrieren angeschafft.
In Starnberg zum Beispiel hat der Stadtrat Anfang Oktober beschlossen, 130.000 Euro für den Kauf mobiler Sperren und Betonpoller auszugeben. Das Konzept mit den neuen, zertifizierten Barrieren greift erstmals beim Christkindlmarkt, der von Donnerstag bis Sonntag, 4. bis 7. Dezember, auf dem Kirchplatz stattfindet. Sämtliche Zufahrten zum Veranstaltungsgelände sollen so gesichert werden. Das Gremium entschied sich für ein teures Sicherheitskonzept, das die Stadt im Fall eines Anschlags vor haftungsrechtlichen Konsequenzen bewahren soll. Die Sicherungselemente sollen an benachbarte Kommunen ausgeliehen werden.
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Bislang wurden bei Starnberger Veranstaltungen im öffentlichen Raum, darunter die „Nacht der langen Tafel“ oder Marktsonntage, improvisierte Sicherungselemente eingesetzt: Lastwagen des Betriebshofs, überdimensionierte Blumenkübel oder schlichte Betonblöcke. Doch diese Lösungen gewährleisten nach Überzeugung der Stadtverwaltung im Gegensatz zu zertifizierten Sperren nur ungenügenden Schutz. Wie eine mobile Sperre wirkt, zeigt ein Video des belgischen Herstellers Pitagone: Autos werden beim Überfahren der mobilen Sperre umgeworfen, Lastwagen mit einem Gewicht bis 18 Tonnen werden quasi ausgehebelt, zudem wird der Motor erheblich beschädigt.
Mit den in Starnberg eingesetzten mobilen Sperren können selbst Lastwagen gestoppt werden. (Foto: Stadt Starnberg)
Der Christkindlmarkt-Verein in Dachau rechnet mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von etwa 30 000 Euro für die Sicherheitsvorkehrungen. Letztlich müssen die Budeninhaber diese Kosten übernehmen. Um den Zaun um das Gelände in der Altstadt herum stehen Fahrbahnteiler, vor dem Eingang zum Markt schwere Poller. „Alles in allem, schätze ich mal, sind das 30 Tonnen Beton, die da jetzt rundum stehen“, sagt der Vereinsvorsitzende Christian Neumann. Außerdem werde mehr Sicherheitspersonal als bisher eingesetzt.
Auch in Pullach wird der Christkindlmarkt in besonderer Weise geschützt. In diesem Jahr hat sich die Gemeinde das mobile Überfahrschutzsystem „Armis One“ für die Sicherung von Veranstaltungen angeschafft. „Nachdem das System bereits bei mehreren Anlässen erfolgreich zum Einsatz gekommen ist, wird es auch für den anstehenden Christkindlmarkt am ersten Adventswochenende auf dem Kirchplatz genutzt“, sagt Pressesprecher Martin Rösch. In den vergangenen Jahren nutzte die Kommune speziell angefertigte Beton-Blöcke.
Der Christkindlmarkt vor dem Dachauer Rathaus im vergangenen Jahr. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Heuer umgeben zum Schutz der Besucher Betonsperren das Gelände. (Foto: Toni Heigl)
In Gilching im Landkreis Starnberg wird der Christkindlmarkt vom 5. bis zum 7. Dezember ähnlich gesichert wie schon im vergangenen Jahr. Eingesetzt werden am Marktplatz als Hindernisse mobile Sperren, Pflanzkrüge und Fahrzeuge – entweder von der Feuerwehr, vom Bauhof oder dem Bayerischen Roten Kreuz. Zudem sei eine Sicherheitsabfrage bei der Polizei erfolgt, teilt Rathaus-Geschäftleiterin Kerstin Schempp mit. Zum Konzept gehöre auch eine Abwägung von Risiken, die sich auf die Besucherzahl, Lage der Veranstaltung sowie Rettungs- und Anfahrtswege beziehe. Weitere Details werden aus Sicherheitsgründen nicht genannt.
Massive Betonpoller werden auch in Grafing aufgestellt
Ein Weihnachtsmarkt, der mehrere Wochen dauert und auf zwei Seiten von Straßen umgeben ist: So stellt sich die Situation in Grafing im Landkreis Ebersberg dar. Die Frage, ob man den Markt, der am 5. Dezember beginnt, aus Sicherheitsgründen absagen sollte, war zwar ganz kurz Thema, aber laut Bürgermeister Christian Bauer (CSU) nie eine wirkliche Option. Stattdessen sichert man nicht nur die Zufahrten mit den massiven Betonpollern, die ein bisschen wie Legosteine aussehen, sondern auch die Rückseiten der Buden. „Die sind so schwer, dass man sie mit dem Auto nicht wegschieben kann“, sagt Bauer. Für andere Veranstaltungen hatte man die Poller bereits im Bestand, anschaffen musste man eigens für den Christkindlmarkt nichts: „Wir haben alles für die Sicherheit getan und hoffen jetzt auf viele Besucher“, unterstreicht Bauer.
Auch in Vaterstetten überwiegt die Vorfreude ganz deutlich die Sorgen. Hier hat man sich bereits im Frühjahr mobile City-Safe-Sperren zugelegt, die zusätzlich zu den Betonbarrieren aufgestellt werden, erläutert Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU). Vor der Anschaffung der Metallbarrieren habe man verschiedene Modelle verglichen und nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis gesucht, aber auch der Zeitfaktor habe eine Rolle gespielt: Zum Volksfest mussten die Barrieren schließlich da sein. Mit der Wahl sei man zufrieden, sagt Spitzauer, alle neuralgischen Punkte könnten auf diese Weise abgesichert werden, „und jetzt sind alle herzlich bei uns eingeladen“.
In der Stadt Olching waren schon gleich nach dem Anschlag im vergangenen Jahr massive Sperren am Nöscherplatz angebracht worden, wo der Christkindlmarkt auch jetzt wieder aufgebaut ist. Weil der Platz an der viel befahrenen Hauptstraße liegt, werden in diesem Jahr hinter den Buden die Straße entlang etwa 20 der rot-weiß-gestreiften schweren Betonpoller aufgestellt.
Viele Betonpoller sollen in diesem Jahr den Olchinger Christkindlmarkt sichern helfen. (Foto: Stadt Olching)
In Fürstenfeldbruck zieht der Christkindlmarkt wieder von seinem Interimsquartier am Volksfestplatz zurück auf den Viehmarktplatz, der sich zwar im Zentrum, aber zumindest ein wenig abseits der die Stadt durchquerenden Bundesstraße befindet. In der Stadtverwaltung hält man es für unmöglich, ein Restrisiko völlig auszuschließen. Auf dem neu gestalteten Viehmarktplatz stehen Pflanztröge, und durch die Anordnung der Markthütten sowie die baulichen Gegebenheiten soll das Risiko so klein wie möglich gehalten werden. Auch ein Sicherheitsdienst wird im Einsatz sein.
An den Zugängen zum Therese-Giehse-Platz vor der Stadthalle in Germering wurden jüngst etwa 20 Poller angebracht, die bei Bedarf auch wieder herausgenommen werden können, dazu einige große Findlinge. Dabei gehe es „nicht um eine generelle Terrorgefahr“, sagt Jochen Franz, der stellvertretende Leiter des Verwaltungs- und Rechtsamts der Stadt. Ziel der Maßnahmen sei eine grundsätzlich verbesserte Sicherheit „an diesem zentralen Veranstaltungsort“, an dem nicht nur der Christkindlmarkt, das Stadtfest oder Veranstaltungen im Fasching stattfinden, sondern an dem sich auch der Eingang zur Stadthalle befindet.
Perchten mit ihren gruseligen Masken tummeln sich traditionell auf dem Tölzer Christkindmarkt. Wie die Sicherheitsvorkehrungen gegen Attentäter aussehen, verrät die Stadtverwaltung nicht. Und der Bürgermeister weiß: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. (Foto: Manfred Neubauer)
Auf Fragen nach den Sicherheitsvorkehrungen für den Christkindlmarkt hält man sich im Rathaus von Bad Tölz bedeckt. Die Zurückhaltung hat einen Grund: Würde die Stadt ihre Maßnahmen detailliert in den Medien erläutern, könnte ein potenzieller Attentäter seine Pläne danach ausrichten. „Die Stadt hat für den Christkindlmarkt ein knapp 40-seitiges Sicherheitskonzept erstellt“, erklärt Birte Stahl, Pressesprecherin der Stadt. Darin würden Themen wie beispielsweise Flucht- und Rettungswege oder der Einsatz von Sicherheitspersonal behandelt. Wie die einzelnen Zugänge gesichert werden, wo welche Fahrzeuge oder Pflanztröge stehen, lässt Stahl jedoch unbeantwortet. „Ansonsten würde sich die Stadt berechenbar machen.“
Der Budenzauber in der Tölzer Fußgängerzone, der diesmal vom 28. November bis zum 24. Dezember dauert, gehört zu den größten im Oberland und zählt jedes Jahr etwa 20.000 Besucher. Eine Absage kam für die Stadt nicht infrage. Bei Großveranstaltungen und Märkten gebe es eine abstrakte Gefährdungslage, räumt Stahl ein. Aber: „Von einer konkreten Gefahrenlage für den Tölzer Christkindlmarkt wird derzeit nicht ausgegangen.“ Die Stadt stimme sich permanent mit den Sicherheitsorganen ab, „um bei einer Veränderung der Sicherheitslage weitere Maßnahmen zu veranlassen“. Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) unterstreicht dies. „Mit unserem ausgefeilten Sicherheitskonzept bereiten wir uns auf viele Szenarien vor“, sagt er. Zugleich sei aber klar, dass es eine hundertprozentige Sicherheit bei öffentlichen Veranstaltungen nicht gebe. „Das gehört leider auch zur Wahrheit.“
